Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Alte Karriere- Weisheit. Aber, genauso altes Karriere-Problem: Woher weiß man, wann es am schönsten ist? Wo man doch nicht in die Zukunft blicken kann?
Jupp Heynckes jedenfalls hat in Berlin nicht den Eindruck gemacht, als gehe es noch schöner. Sie haben ihn wieder in die Luft geworfen, was dann immer einen Blick freigibt auf die Profilsohlen seiner Seniorenhalbschuhe. Dann hat er alle sehr lange in den Arm genommen, Lahm, Schweinsteiger, Müller, wie ein stolzer Vater seine Söhne - wobei: War es nicht diesmal in Wahrheit umgekehrt? Haben diesmal nicht Lahm, Schweinsteiger, Müller ihn in den Arm genommen? Zum Abschied? Als Zeichen großer Anerkennung und Dankbarkeit? Es sah so aus.
Und was war das für ein neckischer, fast kindischer Augenblick, als Jupp Heynckes bei der Siegerehrung auf dem Podest den Pokal an die Lippen setzte, als sei da jetzt schon irgendein alkoholisches Kaltgetränk drin? Und dabei rüber zu seinen Spielern grinste, als wolle er sagen: Seht her, jetzt, wo die Arbeit getan ist, wird es hier noch mal richtig lustig mit mir! Sogar die unzähligen Liter Weißbier, die ihm irgendwann den Kopf und den Rücken hinabflossen, weil jeder ihn noch mal persönlich mit diesem klebrig-bayerischen Ritus verabschieden wollte, schienen Heynckes am Ende noch mal zehn Jahre jünger aussehen zu lassen. Jetzt, wo diese ewigen Bürstenhaare plötzlich schick und flach auf seinem Kopf lagen. Ja, Heynckes wirkte jetzt regelrecht: jung!
Zu jung, um aufzuhören?
Jupp Heynckes hat auch am Samstagabend in Berlin nicht verkünden wollen, was er denn nun machen wird, wenn ihn beim FC Bayern in gut drei Wochen Pep Guardiola ablöst. Er werde "am Dienstag eine Abschluss-Pressekonferenz an der Säbener Straße geben", so viel nur zu dem Thema, "auch um mich von den Münchner Journalisten zu verabschieden. Bei der Gelegenheit werde ich dann etwas zu meiner Zukunft sagen. Dann werde ich sagen, ob es weitergeht oder nicht".
Jupp Heynckes, der ewig junge Trainer des FC Bayern, ist wenige Wochen vor dem grandiosen Triple-Saisonfinale 68 Jahre alt geworden. 34 war er, als er 1979 bei Borussia Mönchengladbach das Traineramt von Udo Lattek übernahm, er war damals der jüngste Cheftrainer der noch vergleichsweise jungen Bundesliga. Jetzt, in dieser Rekord-Saison der Bayern, war er der älteste. Und: 34 Jahre nach seinem Start als Fußballlehrer, in seinem letzten Spiel, hat er nun also auch zum ersten Mal den DFB-Pokal gewonnen. Länger kann man nicht Anlauf nehmen.