Bayern-Trainer Jupp Heynckes:Abschied vom ewig Jungen

Länger kann man nicht Anlauf nehmen: Nach 34 Jahren gewinnt Jupp Heynckes erstmals als Trainer den DFB-Pokal und freut sich darüber, diese "unangenehmen" Bierduschen nicht mehr erleben zu müssen. Seine Zukunft als Fußballtrainer lässt Heynckes bis Dienstag offen.

Von Claudio Catuogno

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Alte Karriere- Weisheit. Aber, genauso altes Karriere-Problem: Woher weiß man, wann es am schönsten ist? Wo man doch nicht in die Zukunft blicken kann?

Jupp Heynckes jedenfalls hat in Berlin nicht den Eindruck gemacht, als gehe es noch schöner. Sie haben ihn wieder in die Luft geworfen, was dann immer einen Blick freigibt auf die Profilsohlen seiner Seniorenhalbschuhe. Dann hat er alle sehr lange in den Arm genommen, Lahm, Schweinsteiger, Müller, wie ein stolzer Vater seine Söhne - wobei: War es nicht diesmal in Wahrheit umgekehrt? Haben diesmal nicht Lahm, Schweinsteiger, Müller ihn in den Arm genommen? Zum Abschied? Als Zeichen großer Anerkennung und Dankbarkeit? Es sah so aus.

Und was war das für ein neckischer, fast kindischer Augenblick, als Jupp Heynckes bei der Siegerehrung auf dem Podest den Pokal an die Lippen setzte, als sei da jetzt schon irgendein alkoholisches Kaltgetränk drin? Und dabei rüber zu seinen Spielern grinste, als wolle er sagen: Seht her, jetzt, wo die Arbeit getan ist, wird es hier noch mal richtig lustig mit mir! Sogar die unzähligen Liter Weißbier, die ihm irgendwann den Kopf und den Rücken hinabflossen, weil jeder ihn noch mal persönlich mit diesem klebrig-bayerischen Ritus verabschieden wollte, schienen Heynckes am Ende noch mal zehn Jahre jünger aussehen zu lassen. Jetzt, wo diese ewigen Bürstenhaare plötzlich schick und flach auf seinem Kopf lagen. Ja, Heynckes wirkte jetzt regelrecht: jung!

Zu jung, um aufzuhören?

Jupp Heynckes hat auch am Samstagabend in Berlin nicht verkünden wollen, was er denn nun machen wird, wenn ihn beim FC Bayern in gut drei Wochen Pep Guardiola ablöst. Er werde "am Dienstag eine Abschluss-Pressekonferenz an der Säbener Straße geben", so viel nur zu dem Thema, "auch um mich von den Münchner Journalisten zu verabschieden. Bei der Gelegenheit werde ich dann etwas zu meiner Zukunft sagen. Dann werde ich sagen, ob es weitergeht oder nicht".

Jupp Heynckes, der ewig junge Trainer des FC Bayern, ist wenige Wochen vor dem grandiosen Triple-Saisonfinale 68 Jahre alt geworden. 34 war er, als er 1979 bei Borussia Mönchengladbach das Traineramt von Udo Lattek übernahm, er war damals der jüngste Cheftrainer der noch vergleichsweise jungen Bundesliga. Jetzt, in dieser Rekord-Saison der Bayern, war er der älteste. Und: 34 Jahre nach seinem Start als Fußballlehrer, in seinem letzten Spiel, hat er nun also auch zum ersten Mal den DFB-Pokal gewonnen. Länger kann man nicht Anlauf nehmen.

Tja, warum nicht?

Aber das geriet in Berlin in den Hintergrund angesichts der historischen Dimension dieses Dreifach-Erfolgs. Und angesichts der Frage, wie es jetzt weitergeht.

Spekulationen: Als Heynckes am ARD-Mikrofon sagte, er werde diese "unangenehmen" Bierduschen zum Glück nicht mehr erleben, da fügte er grinsend an: "in einem deutschen Stadion nicht". Aber in einem spanischen? Viele, die dazu am Samstag befragt wurden, waren der Meinung, Heynckes werde trotz seines Alters dem kolportierten Interesse von Real Madrid nachgeben. Günter Netzer sagte: "Wenn er Spanisch hört, ist er elektrisiert." Mehmet Scholl sagte: "Er war als Trainer nie so perfekt wie heute, er hat jetzt den Schlüssel gefunden - ich glaube, er hat noch Spaß daran." Auch Franck Ribéry schwärmte: "Er ist 68, aber er ist jung im Kopf." Warum also nicht weitermachen?

Tja, warum nicht? Auch darauf gab Heynckes selbst eine Antwort, als er erzählte, wie "wahnsinnig stressig" es sei, "in dem Alter einen europäischen Top-Klub zu betreuen", da bedürfe es "großer Disziplin". Und in der Tat ist das ja einer der bemerkenswertesten Aspekte an dieser Geschichte: Wie der Senior Jupp Heynckes mit knapp 70 Jahren nicht nur den FC Bayern durchoptimiert hat - sondern auch sich selbst. Mit der viel beschworenen "Gelassenheit des Alters" alleine ist das jedenfalls nicht gegangen: Oft saß er früh morgens schon an der Säbener Straße auf dem Crosstrainer, und abends, wenn alle schon nach Hause gegangen waren, legte er sich noch auf die Turnmatten und machte Rückenübungen. "Nun bin ich ein Mann, der sehr diszipliniert lebt", sagte er am Samstag - aber soll das ewig so weitergehen?

Joachim Löw, der Bundestrainer, glaubt nicht daran: "Er hat ja kürzlich noch mal gesagt, dass sein Entschluss schon vor der Saison feststand", rief Löw den in der Tat zentralen Heynckes-Satz aus der Vorwoche in Erinnerung. Vor der Saison? Da konnte sein Entschluss ja schwerlich Real Madrid heißen. Aber wie auch immer: Heynckes macht sich jedenfalls einen Spaß daraus, alle auf die Folter zu spannen. Und womöglich ist das auch eine Reaktion auf jene - unabgesprochene - Pressemeldung des Klubs, die im Januar die Verpflichtung des Trainers Pep Guardiola begleitete: Heynckes werde seine Karriere im Sommer in München beenden, hieß es da. Der Vorgang hat Heynckes geärgert wie kaum etwas anderes in dieser Saison.

Aber nicht nur das Alter macht ja milde. Sondern auch der Erfolg. Und was auch immer Heynckes am Dienstag verkünden wird: Die Bayern werden ihn vermissen.

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