Champions League:Ein Schatten über dem Rekord

  • Der FC Bayern holt in der Champions League mit einem 3:1 gegen Tottenham Hotspur den sechsten Sieg im sechsten Gruppenspiel der Champions League.
  • Coman, Müller und Coutinho treffen für Bayern, Sessegnon für Tottenham.
  • Torschütze Coman muss in der ersten Halbzeit verletzt ausgewechselt werden.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Mit größtmöglicher Ruhe nahm der Mann auf der Linksverteidigerposition den Ball an, lässig ließ er den ersten Gegenspieler ins Leere laufen, am zweiten schob er gekonnt den Ball vorbei; hinter ihm sicherten drei seiner Mitspieler des FC Bayern ab. Er passte nach vorne, nach einer kleinen Unterbrechung setzte sich der Angriff fort, dann traf Philippe Coutinho die Unterlatte. Der Mann auf der Linksverteidigerposition durfte also durchaus zufrieden mit seiner Aktion sein. Das Problem dieses Mannes war jedoch, dass er gar kein Linksverteidiger ist. Sondern Manuel Neuer, der Torwart des FC Bayern.

Wenn ein Torwart zu solchen Ausflügen aufgebrochen ist, dann ist das nie ein gutes Zeichen für die Statik eines Fußballspiels; Zweikämpfe außerhalb des Strafraums sind eigentlich exklusiv den Feldspielern vorenthalten, selbst wenn Manuel Neuer im Tor steht, der Mann also, der bei der WM 2014 mit seinen Ausflügen gegen Algerien das Torwartspiel revolutioniert hatte. Manu, der Libero, so hieß es damals. Und auch am Mittwochabend war Neuers Ausflug sinnbildlich für den Auftritt des gesamten Teams: Ein paar fragwürdige Situationen hatte der FC Bayern zugelassen, aber mit Routine und offensivem Esprit gewannen die Münchner zum Abschluss der Gruppenphase in der Champions League 3:1 (2:1) gegen Tottenham Hotspur.

Statistisch ging es in diesem Spiel nur um eines: darum, ob der FC Bayern als erste deutsche Mannschaft alle sechs Partien der Gruppenphase gewinnen kann (Eintrag in die Statistik: erledigt); der erste Platz war schon vor dem Anpfiff sicher vergeben an den FC Bayern, der zweite sicher an Tottenham. Beide Trainer nutzen das Duell daher, um Stammkräfte zu schonen. Bei Tottenham stellte José Mourinho auf sechs Positionen um, Hansi Flick beim FC Bayern auf fünf.

Mit dieser Auffrischung versuchte der Münchner Trainer gegen die drohende Krise vorzugehen, nach zuletzt zwei Niederlagen in Serie. Unter anderem kehrte Joshua Kimmich auf die Position vor der Abwehr zurück, für ihn spielte Benjamin Pavard als Rechtsverteidiger. Und Robert Lewandowski saß auf der Bank. Der Angreifer hatte bei beiden Liga-Niederlagen nicht getroffen, es fingen bereits die Diskussionen an, ob die Abhängigkeit von ihm zu groß sei. (Für ihn spielte zunächst Ivan Perisic in der Spitze, später der eingewechselte Thomas Müller.)

7:2 hatte der FC Bayern das Hinspiel gewonnen, es war der glamouröseste Abend unter dem damaligen Trainer Niko Kovac, es war aber auch ein irreführendes Ergebnis. In der Offensive hatte das Team eine fast hundertprozentige Chancenverwertung gehabt, die eigene Defensive aber war mehr als zweimal überfordert gewesen. Dass es im Rückspiel nicht so weitergehen würde, war also abzusehen. Den endgültigen Beweis lieferte nach nicht einmal 150 Sekunden Serge Gnabry, der viermalige Torschütze aus dem Hinspiel: Gnabry stand frei vor dem Tor, er traf aber nur die Beine von Keeper Paulo Gazzaniga. Der Ball kullerte am Pfosten vorbei.

Die meiste Kreativität bewahrt sich Coutinho

Es entwickelte sich eine Fußballpartie, die nicht so wild war wie das Hinspiel - dennoch war es ein Abend, der aufzeigte, wie das Spiel des FC Bayern im Herbst 2019 schwanken kann. In der Offensive kombinierte das Team phasenweise dynamisch und passsicher; oft angetrieben vom spielfreudigen Coutinho. Kingsley Coman (14.) und der dann für den stark angeschlagenen Coman eingewechselte Müller (45.) erzielten in der ersten Halbzeit die Tore; neben Coutinhos Lattentreffer scheiterte Gnabry noch am Pfosten, und Thiago schoss den Ball am leeren Tor vorbei.

In der Defensive aber schlichen sich immer wieder Schludrigkeiten wie Fehlpässe ein, vor allem aber ließen die Gastgeber in ihren Reihen teilweise riesige Lücken. Und der wichtigste Vorsatz, den sich Tottenham genommen zu haben schien, war es, in genau diese Lücken zu kontern. Diesen Raum gewährten die Bayern den Gästen auch in der 20. Minute, in der Jérôme Boateng obendrein den Ball unbeholfen weggrätschte, in die Füße von Ryan Sessegnon, der ungerührt zum zwischenzeitlichen Ausgleich traf.

In der zweiten Halbzeit bekam der FC Bayern diese Schwankungen im eigenen Spiel besser unter Kontrolle. Hinten kam das Team eigentlich nicht mehr nennenswert in Bedrängnis, und nach vorne kombinierte es weiterhin ausgesprochen seriös. Die meiste Kreativität bewahrte sich dabei Coutinho, der an diesem Abend so bestimmend war wie noch nie in seinem ersten Halbjahr in München. In der 62. Minute schoss er den Ball noch in die Arme von Gazzaniga, doch zwei Minuten später war der Torwart von Tottenham chancenlos. Direkt an der Strafraumkante legte sich Coutinho den Ball selbst vor, dann schoss er ihn zwischen drei Verteidigern hindurch präzise ins Netz.

Und in der 77. Minute durfte sich dann noch der Linksverteidiger Manuel Neuer auszeichnen, als er auf der Torlinie in bester Torwartmanier einen Freistoß von Christian Eriksen zur Ecke abwehrte.

Es hätte ein rundum gelungener Abend sein können, wenn nicht Coman das Stadion auf Krücken hätte verlassen müssen. "Es liegt ein großer Schatten über diesem Spiel. Wir müssen hoffen, dass es nicht ganz so schlimm ist", sagte Trainer Hansi Flick merklich bedrückt bei Sky. Bereits 2018 war der Nationalspieler wegen zweier Syndesmoserisse ein halbes Jahr ausgefallen. Die Bayern müssen ohnehin schon langfristig auf Lucas Hernandez und Niklas Süle verzichten. So geriet der schöne Rekord erst einmal in den Hintergrund.

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