Süddeutsche Zeitung

Bayern-Torwart Sven Ulreich:Torhüterle für die Weißwursttage

Lesezeit: 3 min

Von Jonas Beckenkamp

Sven Ulreich wollte über Würste sprechen, aber da fiel ihm schon jemand ins Wort. Am Tag seines Abschieds aus Stuttgart habe es Weißwürste gegeben, erzählte der Torwart am Mittwoch, zur Eingewöhnung für seine kommende Zeit in München. Ob er schon landestypische Brezn probiert habe, wollte dann jemand wissen. "Nein, ich war hier erst einmal essen, da gab es was anderes", sagte der neue Ersatzkeeper des FC Bayern. So ganz ernst ging es also nicht zu bei seiner Präsentation zum Trainingsauftakt.

Sogar Matthias Sammer, der neben ihm saß, rang sich ein Grinsen ab. Und wenn selbst Sammer lacht, wird klar: Es ist Hochsommer und im Fußballbetrieb ist Spaß noch erlaubt. Die Vorstellung Ulreichs war nach den ersten Übungseinheiten dieser Spielzeit der Start der Kennenlernwochen an der Säbener Straße. Ein paar Neue sind es ja doch bei den Bayern: Joshua Kimmich (noch im Urlaub nach der U-21-EM), Douglas Costa (Sonderurlaub nach der Copa América) und eben Ulreich. Und der führte sich mit braven Sätzen des Gehorsams wie diesem ein: "Wenn du ein Angebot von Bayern bekommst, kannst du nicht nein sagen."

3,5 Millionen Euro soll die Ablöse für den Keeper betragen haben, dafür sicherten sich die Münchner seine Dienste bis 2018. Mit 27 Jahren befindet sich Ulreich in dem Alter, für das die Branche die Begrifflichkeit "bestes Torwartalter" ersonnen hat. Dass einer in dieser Phase zum FC Bayern wechselt, ist verständlich.

Nur: Es gibt leider noch diesen Mann namens Manuel Neuer - und der befindet sich mit 29 auch im allerbesten Torwartalter. Dass Ulreich anstelle des Nationaltorwarts viele Spiele absolviert, ist so unwahrscheinlich wie Weißwurstknappheit am Viktualienmarkt. Warum tut sich ein ambitionierter Bällefänger das an? Die Bank? Die fehlenden Aussichten auf Einsätze?

Ulreich erklärt es mit einer weiteren Bravheit: "Ich wollte mit den Besten trainieren, auch mit Manu. Er hat das Torwartspiel in den letzten Jahren geprägt, von ihm kann ich viel lernen." Nach 17 Jahren Stuttgart freue er sich "auf eine neue Welt und das ganze Drumherum". Die Größe und die Aura des FC Bayern ist ein Grund, weshalb der 1,92-Meter-Mann sich die Ersatzrolle antut. Der andere ist die Vergangenheit in Stuttgart.

Ulreich wollte weg aus der Heimat, nachdem er dort eine komplizierte Saison erlebt hatte. Im Herbst 2014 entlud sich die Wucht der Krise unter Trainer Armin Veh auf seiner Person, ein paar Unsicherheiten besiegelten das Schlamassel: Ulreich landete auf der Bank.

Dabei übernahm er nach Niederlagen Verantwortung, er galt als Anführer im Team und war als echter Schwabe bei den Fans anerkannt. Erst als Huub Stevens sein Chef wurde, kehrte Ulreich als Nummer eins zurück - und half mit, den Klassenerhalt zu sichern. Doch bei all dem Stress hat "sich das Verhältnis zu Stuttgart abgenutzt", wie Ulreich sagt, "es hat viel Kritik an mir gegeben, teilweise war das für mich unverständlich."

Vom Verein vermisste er das Vertrauen, am Ende war nicht mehr klar, ob der VfB in ihm einen Rückhalt oder nur ein wackeliges "Torhüterle" sah. Matthias Sammer imponierte trotz allem sein Auftreten. "Das Stahlbad, das er beim VfB durchmachte, zeigt seine Nervenstärke. Er hat sich immer wieder durchgesetzt", erklärt der Bayern-Sportvorstand, "mir hat immer sein Mut gefallen, auch in Interviews." Einen charakterstarken zweiten Mann fürs Tor, der seine Rolle akzeptiert und "mit seiner Größe das Tor ausfüllt" (Sammer) - für die Bayern macht das durchaus Sinn.

Sie brauchen einen Ersatzmann, denn der 34-jährige Tom Starke offenbarte vergangene Saison leichte Alterserscheinungen und Pepe Reina hat sich Richtung Neapel verabschiedet. Mit Ulreich bekommen sie nun eine Nummer zwei, in der reichlich Nummer eins steckt. Vermutlich könnte der 27-Jährige woanders regelmäßig Bundesliga spielen - die Fähigkeiten dazu hat er, auch wenn das im Ländle einige anders sehen. Laut Sammer habe man einen Keeper gesucht, der Erfahrung hat, aber gleichzeitig auch Entwicklungspotenzial. Auf dieses Profil passt Ulreich.

Er kann einspringen, wenn Manuel Neuer eines Tages nicht mehr übernatürlich gut hält (eines fernen Tages, wohlgemerkt). Oder wenn wieder eine Verletztenseuche ausbricht wie in der abgelaufenen Saison. Oder für den Fall, dass jemand sich mit dem Gebrauch einer Weißwurst auskennen muss.

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