Bayern-Test in Saudi-Arabien:Wenn Kommerz Ethik schlägt

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Auch in Riad umjubelt: Tribünen-Szene vom Auftritt des FC Bayern am 17. Januar gegen Saudi-Arabiens Rekordmeister Al-Hilal. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)
  • Der FC Bayern veröffentlicht eine Erklärung zur Kritik an seinem Testspiel in Saudi Arabien.
  • Der Text changiert zwischen trotziger Verteidigung, prinzipiellen Bekenntnissen zum Guten und dem klaren Eingeständnis eines Fehlers.
  • Die Deutsche Fußball-Liga äußert sanfte Kritik: Der Sport solle "seine große Kraft nutzen".
  • Viele Klubs in England, Spanien und Italien sind über Sponsoren noch wesentlich enger mit Ländern verflochten, in denen Menschenrechten ein anderer Stellenwert eingeräumt wird.

Von der SZ-Sportredaktion, München

Die Erklärung kam spät, aber sie kam doch - die Erklärung zu jener Reise, die der FC Bayern München auf dem Heimweg von seinem Wintertrainings- lager in Katar unternommen hatte. Die Bayern hatten einen Abstecher nach Saudi-Arabien eingelegt, um in der Hauptstadt Riad zu einem lukrativen Testspiel gegen den Klub Al-Hilal aufzulaufen, den Rekordmeister des Königreiches.

Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel traten neben Laurentiu Reghecampf, dem rumänischen Trainer der Heimmannschaft, Bayern-Coach Pep Guardiola und Kapitän Bastian Schweinsteiger auf. Anmerkungen zu den international immer wieder kritisierten Menschenrechtsverletzungen in der absoluten Monarchie sind von dort nicht überliefert. Diese reichte am Mittwochnachmittag - nach zahlreichen Mahnungen aus Politik, Gesellschaft und selbst von Bayern-Fans - Karl-Heinz Rummenigge nach, der Vorstandschef des Klubs.

Die von ihm gezeichnete Erklärung (Wortlaut siehe Grauelement) changiert zwischen trotziger Verteidigung ("Die Politik hat grundsätzlich in diesen Fragen die Richtlinienkompetenz"; "Auch deutsche Spitzenpolitiker reisen demnächst nach Saudi-Arabien"), prinzipiellen Bekenntnissen zum Guten ("Gerade unser Klub hat sich immer gegen jegliche Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Rassismus bekannt") und dem klaren Eingeständnis eines Fehlers: "Der FC Bayern München als Verein verurteilt jede Form von grausamer Bestrafung, die nicht im Einklang mit den Menschenrechten steht, wie im aktuellen Fall mit dem islamkritischen Blogger Raif Badawi. Es wäre besser gewesen, das im Rahmen unseres Spieles in Saudi-Arabien deutlich anzusprechen." Zur finanziellen Gegenleistung für den Auftritt, die der Verein in Form einer Zuwendung von Partner Volkswagen erhielt, findet sich in der Erklärung nichts. Spekuliert wird über eine siebenstellige Summe.

Theo Zwanziger, einst Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und immer noch Mitglied im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes Fifa, hatte dem Klub in der FAZ vorgeworfen: "Ich weiß schon länger, dass bei den Bayern Kommerz Ethik schlägt und sich im Zweifel auf die Seite des Geldbeutels gestellt wird." Zwanzigers Nachfolger Wolfgang Niersbach kommentierte den Fall diplomatisch. "Ohne Wenn und Aber" trete der DFB "gegen jede Form von Ausgrenzung und Diskriminierung und für die Wahrung der Menschenrechte ein", erklärte er.

Der Verband kennt sich mit politisch heiklen Reisen aus. In Kontakt mit derlei schwierigen Fragen geriet er zuletzt vor der EM 2012, als er mit dem Anspruch konfrontiert wurde, eine Haltung zum autoritären Regime im Gastgeberland Ukraine und zum dortigen Umgang mit der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko zu formulieren. Während die Bundeskanzlerin ankündigte, der EM in der Ukraine aus Protest fernzubleiben, kam für den DFB ein Boykott des Turniers - wie von Menschenrechtlern gefordert - nicht in Frage. "Man darf den Sport nicht über- höhen", sagte dazu Präsident Niersbach, "wir appellieren als Sportverband. Es wäre ein Zeichen der Humanität, wenn Frau Timoschenko zur Behandlung nach Deutschland reisen dürfte. Unsere Position ist klar - aber diese Probleme müssen durch die Politik gelöst werden."

Der Spielbetrieb der Profi-Klubs wird von der Deutschen Fußball-Liga organisiert. Richtlinien, welche Länder für Freundschaftsspiele gemieden werden sollten, gibt diese nicht. Aber die Organisation, die ein Zusammenschluss aller Vereine ist, teilte am Mittwoch auf SZ-Anfrage mit: "Der Sport sollte, unterstützt von den Medien, bei sich immer wieder bietenden Gelegenheiten seine große Kraft nutzen, um gerade vor Ort auf Missstände hinzuweisen." Daraus lässt sich eine sanfte Kritik am Verhalten des größten deutschen Klubs lesen. Wie sehr der Vorgang die Branche beschäftigt, lässt sich daran erkennen, dass DFL-Präsident Reinhard Rauball, der in Personalunion auch Präsident von Bayern-Rivale Borussia Dortmund ist, wegen der Causa das Gespräch mit Rummenigge suchte. Der Bild-Zeitung sagte Rauball danach: "Ich finde es richtig, wenn der Klub einräumt, dass man einige Dinge hätte besser machen können - und dies künftig entsprechend umgesetzt wird." Gleichzeitig betonte Rauball allerdings: "Der FC Bayern ist weltweit bekannt für sein soziales Engagement. Pauschale Verurteilungen sind daher unangebracht."

International wird die Debatte verfolgt, kritische Stimmen sind bisher aber kaum zu vernehmen - was kein Wunder ist. Denn viele Klubs in England, Spanien und Italien sind über Sponsoren noch wesentlich enger mit Ländern verflochten, in denen den Menschenrechten ein anderer Stellenwert eingeräumt wird. Der FC Barcelona trägt den Schriftzug von Qatar Airways, der Fluglinie des Emirats Katar, auf der Brust. Real Madrid wirbt für die Airline des Emirates Dubai.

Bayern-Test in Saudi Arabien
:Rummenigge räumt Fehler ein

Die Vorwürfe kommen aus allen Lagern, jetzt antwortet der FC Bayern auf die Kritik an seiner Reise nach Saudi-Arabien. Die Hauptverantwortung sieht Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge jedoch bei der Politik.

Beide Klubs zieht es regelmäßig an den Persischen Golf, wo sie auch Nachwuchsakademien unterhalten. Anlass für öffentliche Diskussionen über die Menschenrechtssituationen in diesen Ländern bieten derlei Verflechtungen oder Auftritte aber kaum. Atlético Madrid wiederum bekommt Geld aus Aserbaidschan, das seit mehr als 20 Jahren von der Familie Alijew beherrscht wird. Diese ließ den Meister des vergangenen Jahres auch schon mal für ein Spielchen nach Baku fliegen.

In Italien zeigen die Fußball-Größen auch wenig Berührungsängste mit fragwürdigen Partnern. Der Sieger des Liga- pokals ("Supercoppa") wurde schon oft im Ausland ermittelt. 2002 besiegte Juventus Turin den AC Parma auf grün besprühtem Wüstensand im Stadion von Tripolis in Libyen. Saadi al-Gaddafi, Sohn des Diktators Muammar al-Gaddafi, nahm später sogar als Repräsentant des libyschen Investmentfonds Lafico im Verwaltungsrat von Juventus Platz. Saadi al-Gaddafi trat auch selbst als Kicker auf - für Perugia, Udinese und Sampdoria Genua.

Das Supercoppa-Finale 2009 bestritten Inter Mailand und Lazio Rom anstandslos in Peking. 2011 wurde ein Mailänder Derby nach China verlegt. Und weil es so schön war, gab's 2012 noch ein Finale in Peking, wobei Juventus gegen den SSC Neapel gewann. Die gleichen Konkurrenten begegneten sich zwei Jahre später in Doha/Katar.

FC-Bayern-Reise nach Saudi-Arabien
:Gegen die eigene Geschichte

Die Kritik an der Reise des FC Bayern nach Saudi-Arabien reißt nicht ab. Auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, wundert sich über die mangelnde Sensibilität der Klubspitze - der Einfluss eines Sponsors scheint groß.

Von Benedikt Warmbrunn

In England gehört Großklub Manchester City sogar einem Scheich - Mansour bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi. Dort befindet sich das Team auch gerade in einem Mini-Trainingslager, weil die Liga wegen der Pokalwettbewerbe pausiert. Rivale Manchester United erwog mit Trainer Louis van Gaal vor dem FA-Cup-Spiel am Wochenende ebenfalls einen Kurz-Trip in die Sonne: nach Katar. Das Vor- haben scheiterte. Der Grund waren nicht Menschenrechtsfragen, sondern eine kurzfristige Änderung des Spielplans: ManU muss schon am Freitag wieder ran.

© SZ vom 22.01.2015/R. Hofmann, Ch. Kneer, O. Meiler, B. Schönau, P. Selldorf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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