FC Bayern in Los Angeles:David Alaba ist "Bayern Hills Cop"

David Alaba, Thomas Mueller

David Alaba und Thomas Müller vor dem Spiel.

(Foto: AP)

Der FC Bayern vermarktet sich in den USA, nächtigt in Beverly Hills, verliert gegen den FC Arsenal, dreht Sponsorenvideos und klatscht mit Basketballprofis ab. Wäre da nur nicht die fortwährende Transferdebatte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Erfahrung ist ja bekanntlich durch nichts zu ersetzen, und so bleibt der Vater am Dienstagabend in dieser Fußballarena im kalifornischen Los Angeles völlig gelassen, als seine beiden Söhne verzweifeln. Die Spieler des FC Arsenal signieren nach dem Training Trikots und posieren für Fotos, Henrikh Mkhitaryan zum Beispiel, Bernd Leno oder Mesut Özil - aber auch Akteure, auf deren Shirts die Nummern "45", "52" und "77" aufgedruckt sind. "Die kenne ich doch gar nicht", sagt einer der Jungs, worauf der erfahrene Fußball-Vater milde lächelnd sagt: "In drei Jahren wird die jeder auf der Welt kennen, und du wirst dich über dieses Foto freuen."

Einen Tag später gewinnt Arsenal einen unterhaltsamen Sommerkick verdient mit 2:1 gegen den FC Bayern (durch ein Eigentor von Louis Poznanski und einen späten Treffer von Eddie Nketiah; für die Münchner trifft Robert Lewandowski zum zwischenzeitlichen 1:1), und Trainer Unai Emery wählt dabei eine Aufstellung, die den Begriff "Bestbesetzung" verdient. Die Partie soll ja vor allem dazu dienen, dem kalifornischen Publikum seine prächtigen Stars vorzuführen, die Leute mit spektakulären Spielzügen zu begeistern und den Verkauf von Trikots zu fördern - umso verblüffender kommt die Münchner Startelf daher: Es beginnt zum Beispiel Jérôme Boateng, dessen Name möglichst bald auf dem Trikot eines anderen Vereins stehen soll, dazu Spieler mit den Rückennummern "40" (Daniels Ontuzans), "45" (Ryan Johansson) und "46" (Jonas Kehl).

Zur Pause tauscht Trainer Niko Kovac die komplette Mannschaft, als wolle er dadurch verdeutlichen, dass dem Kader des FC Bayern derzeit tatsächlich 22 Spieler angehören. Es gibt die Innenverteidigung-Bestbesetzung (Niklas Süle und Benjamin Pavard), die Flügel-Bestbesetzung (Serge Gnabry und Kingsley Coman) und Spektakel-Stürmer Robert Lewandowski zu bestaunen, aber auch die Nummern "42" (Sarpreet Singh), "43" (Louis Poznanski) und "47" (Angelo Stiller) - und vielleicht ist das schon alles, was man über die Sommerreise des FC Bayern wissen muss.

Die Münchner nächtigen im Four Seasons in Beverly Hills, eine der besten Adressen in der an Luxushotels nun wahrlich nicht armen Stadt. Sie drehen das Video "Bayern Hills Cop", in dem David Alaba eine Axel-Foley-Gedächtnis-Jacke trägt und im Sponsoren-Cabrio an Sponsoren-Geschäften in Los Angeles vorbeifährt. Basketballprofi Carmelo Anthony schaut beim Training vorbei und verteilt High Fives, der Footballverein Los Angeles Chargers schickt ein paar Trikots mit den Namen von Bayern-Spielern darauf.

"Awesome" ist ein Wort, das man andauernd hört in Kalifornien, es lässt sich je nach Länge des ersten Vokals mit "toll" übersetzen, aber auch mit "oberaffenmegageil". Der Besuch des FC Bayern in Los Angeles ist aaaaaaaaaaawesome, so kalifornisch cool, dass man irgendwann stutzig wird. In Kalifornien, da spricht niemand öffentlich über Probleme, es muss immer alles aaaaaaaaaaawesome oder wenigstens awesome sein. Hinter den Kulissen, auf Hotelzimmern, da wird Klartext geredet, und dann werden die Botschaften an die Öffentlichkeit subtil und doch unmissverständlich verschickt.

Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat sich in Los Angeles zum Meister der kalifornischen Sprachweise entwickelt. Über die Kritik von Kovac an der USA-Reise sagte er: "Es ist wichtig, dass man die Reise ganz einfach so akzeptiert, wie sie ist." Das lässt sich auf gut deutsch übersetzen mit: Himmelherrgottnocheinmal, jeder große Verein in Europa vermarktet sich im Ausland - da kommt der mir mit erschwerten Bedingungen daher. Schluss jetzt! Seine Aussage zu den Talenten ("Bei Spielern, die 17, 18, 19 oder 20 Jahre alt sind, da gibt es Verbesserungsbedarf. Die müssen wir früher holen oder selbst ausbilden.") kann als Hinweis gewertet werden, dass er bei den Akteuren mit den Rückennummern 40-47 eher nicht daran glaubt, dass sie in drei Jahren jeder auf der Welt kennen wird.

Mindestens so viele Bayern-Trikots wie Hemden des FC Arsenal

Und der Satz, dass der Transfermarkt noch gar nicht in Gang gekommen sei, ist freilich eine Botschaft an den in Europa gebliebenen Sportdirektor Hasan Salihamidzic, diesen Markt nun endlich mal in Bewegung zu setzen - sonst bedeutet die andere Aussage von Rummenigge, derzufolge Salihamidzic "mit Hochdruck an Transfers" arbeite, in etwa das, was Lehrer von einen Schüler halten, wenn sie ihm ins Zeugnis schreiben, dass der "stets bemüht" gewesen sei. Thomas Müller, eher ein Anhänger bajuwarischen Klartextes denn des kalifornischen Awesome-Gedöns, sagt über die Debatten um mögliche Transfers: "Wir drehen uns da seit zwei Wochen im Kreis."

Die Hotelwände im Four Seasons sind verschwiegen, sie haben schon schlimmere Skandale für sich behalten als eine Debatte um den Kader eines Fußballvereins. Dennoch ist da an jedem Tag, an dem es außer Training, High Fives und Spritztouren im Cabrio nicht viel zu tun gibt, eine gewisse Grundunruhe zu spüren, ob die kommende Saison aaaaaaaaaaawesome werden wird oder doch nur awesome - was den Ansprüchen des FC Bayern gemäß ins Bayerische nur mit "hundsmiserablig" übersetzt werden kann.

Sie freuen sich deshalb auf dieses Freundschaftsspiel gegen den FC Arsenal. Sie wissen, dass diese Arena ausverkauft ist und dass sich die 26.704 Zuschauer weniger um das Ergebnis scheren als um schöne Erinnerungen und ordentliche Fotos. Im Stadion sind, und das wird die FC-Bayern-Verantwortlichen angesichts des immer wieder mal kolportierten Vorsprungs der englischen Premier League auf dem US-Markt ganz besonders freuen, mindestens so viele Bayern-Trikots wie Hemden des FC Arsenal zu sehen, und die Fans der Münchner erklären trotz der Niederlage, dass sie sowieso auf jedem Fußballplatz singen und tanzen würden. Alles in Ordnung also.

Nach der Partie treffen die FC-Bayern-Akteure in den Katakomben die deutschen Profisportler Moritz Wagner (Basketball, Washington Wizards) und Equanimeous St. Brown (American Football, Green Bay Packers), den Boxer Ryan Garcia und den Basketballspieler Draymond Green. Der hat ein Trikot der Golden State Warriors für David Alaba dabei - er weiß, dass der bereits weltberühmt ist und auch in drei Jahren noch weltberühmt sein wird. Erfahrung ist eben durch nichts zu ersetzen.

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