Supercup:Abschiedsgeschenk von Martínez

Der spät eingewechselte Spanier sichert dem FC Bayern den Supercup - und das in seinem wohl letzten Spiel für den Klub. Die Münchner gewinnen durch das 2:1 gegen Sevilla auch die vierte Trophäe.

Von Sebastian Fischer

Hansi Flick schaute auf die Uhr, sie zeigte schon ziemlich kurz vor elf, und es sah so aus, als wolle er am liebsten pünktlich wieder weg von seinem Platz am Spielfeldrand in der Puskas-Arena in Budapest. Der Trainer des FC Bayern zählte ja nicht zu den großen Befürwortern dieser Reise zum Supercup, und dann dauerte das Spiel sogar noch länger als geplant. Doch rund eine halbe Stunde später, nach dem 2:1-Sieg nach Verlängerung, dem nächsten Titel nach dem Triple, war natürlich auch Flick glücklich. Was auch sonst? Nach dieser Geschichte?

Um kurz nach elf, nach 99 Minuten, hatte Flick nämlich die Idee, Javi Martínez für Leon Goretzka einzuwechseln. Jenen 32 Jahre alten Martínez, der schon 2013, beim letzten Supercupsieg der Münchner gegen den FC Chelsea auf dem Platz stand und in der Verlängerung den Ausgleich vor dem Elfmeterschießen schoss. Und der nun, nach acht Jahren im Verein, offenbar vor der Rückkehr zu seinem Heimatklub Athletic Bilbao steht. Es war bereits die 104. Minute - und Martínez traf in seinem wohl letzten Spiel für die Bayern per Kopfball. Flicks Plan war aufgegangen. Und Martínez kamen die Tränen.

15 500 Zuschauer auf den Rängen

Dass dem Trainer die Umstände des Abends nicht unbedingt gefielen, das war ja eigentlich die Geschichte dieser Reise gewesen, er hatte es mehrmals angedeutet: "Wir sind hierhergekommen, um Fußball zu spielen, Entscheidungen werden woanders gefällt." Entschieden hatte Europas Fußballverband Uefa, die Begegnung der Bayern mit Europa-League-Sieger FC Sevilla als Pilotprojekt für die Rückkehr von Zuschauern auszutragen. Mit einer möglichen Auslastung der Puskas-Arena von 30 Prozent, obwohl Ungarns Hauptstadt wegen hoher Infektionszahlen vom Robert-Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt worden war.

Es waren dann zwar nicht die gewünschten 20 000 auf den Rängen, aber 15 180 waren da. Die Fernsehbilder zeigten schon vor dem Anpfiff auch FC-Bayern-Fans mit FC-Bayern-Mundschutz auf den Tribünen, und bald waren Rufe unüberhörbar, wie man sie zuletzt vor rund einem halben Jahr, vor Corona, vernommen hatte: "Hurra, hurra, die Bayern, die sind da!"

Es waren also tatsächlich einige Menschen aus München nach Ungarn gekommen, obwohl Ministerpräsident Markus Söder gewarnt und die Quarantäneverordnung für Reiserückkehrer anlässlich des Supercups verschärft hatte. "Ich glaube, ich wäre nicht gefahren", sagte Flick im Sky-Interview, aber er war auch froh, als er danach über Fußball sprechen durfte.

Sevilla setzt den taktischen Plan um

Sechs Tage zuvor hatten die Münchner die Saison nach dem Triple-Sieg mit einem 8:0 gegen Schalke 04 begonnen, in einer ähnlich berauschenden Form wie beim Champions-League-Sieg in Lissabon vor rund einem Monat also. Genau wie gegen Schalke begann etwas überraschend Lucas Hernández anstelle von Alphonso Davies links in der Abwehrkette. "Eine Entscheidung für Lucas", erklärte Flick, anders als gegen Schalke war Davies am Donnerstag offenbar nicht angeschlagen. Wieder fit war außerdem David Alaba, der deshalb als linker Innenverteidiger spielte.

In seiner ersten auffälligen Aktion des Abends war es dann der Abwehrchef, der Sevillas Ivan Rakitic ungeschickt angriff; Alaba sprang dem früheren Schalker, im Sommer vom FC Barcelona nach Sevilla zurückgekehrt, im Strafraum in die Seite - nicht ruppig zwar, aber Alaba traf nicht den Ball. Angreifer Lucas Ocampos verwandelte in der 13. Minute den Elfmeter, den Pfiffen der Bayern-Fans zum Trotz.

Es jubelten die Anhänger aus Sevilla, von denen zwar nur rund 350 angekündigt waren, die sich nun aber unter fröhlicher Missachtung der Sicherheitsabstände in die Arme sprangen. Und damit begann eine interessante Phase des Spiels.

Die Bayern in Rückstand, das hatte es davor zuletzt am 6. Juni gegeben, beim 4:2-Sieg in Leverkusen in der Bundesliga. Man sah also ungewohnt unentspannte Gesichtszüge Münchner Fußballer, der Favorit hatte es schwer. Denn Sevilla passte das frühe Tor natürlich in den diszipliniert umgesetzten taktischen Plan: Die Spanier verstellten die direkten Wege zum Tor. Der Ausgleich musste über Umwege fallen.

Die Bayern mussten Chancen komplizierter erspielen

Die Münchner konnten nicht wie zuletzt so häufig rasant nach Ballgewinnen angreifen, sie mussten Chancen komplizierter erspielen, die Seiten wechseln, Räume suchen. Als es Thomas Müller nach 26 Minuten gelang, Benjamin Pavard freizuspielen, schloss der Rechtsverteidiger noch zu hektisch ab und verfehlte. Robert Lewandowski scheiterte kurz darauf an Torhüter Bono. Dafür legte der Angreifer in der 34. Minute nach einem Pass von Müller klug auf Leon Goretzka zurück, der zum Ausgleich traf - und beim Jubel den Blickkontakt mit dem Publikum suchte.

So sehr sich die mitgereisten Münchner nun freuten, ihre Emotionen mal wieder im Stadion ausleben zu dürfen, ärgerten sie sich genau darüber wohl kurz darauf. Denn nach einem schön herauskombinierten Tor zum vermeintlichen 2:1 freuten sie sich vergebens. Müller und Lewandowski hatten im Fünfmeterraum Doppelpass gespielt, Lewandowski davor allerdings der Einschätzung von Schiedsrichter Anthony Taylor zufolge im Abseits gestanden, was dieser aber erst nach Eingriff des Videoassistenten entschied. Schöner war selten ein aberkanntes Abseitstor gewesen.

Wenn es eine Szene gab, die das Geschehen in der zweiten Halbzeit symbolisierte, dann war es die, wie Joshua Kimmich in der eigenen Hälfte zum nächsten Angriff loslief, während sich Sevillas Verteidiger Sergio Escudero am Trikot des Münchners festhielt und zunächst mitgeschleift zu werden schien, bis er losließ - München griff an, Sevilla versuchte alles dagegen zu unternehmen. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit hatten die Spanier gar die große Siegchance, Manuel Neuer parierte gegen Youssef En-Nesyri, der allein auf ihn zugelaufen war. Doch dann kam die Verlängerung, und aus dem Abend wurde eine fast schon kitischige Geschichte.

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