Süddeutsche Zeitung

Bayern-Stürmer Mario Gomez:Grüner Fleck im Gesicht

Vor seinem verschossenen Elfmeter traf Mario Gomez der Strahl eines Laserpointers. Ein neapolitanischer Fan wollte den Bayern-Stürmer blenden und irritieren, doch Gomez spielt den Vorfall herunter: Er selbst trage die Schuld.

Carsten Eberts, Neapel

Mario Gomez rang kurz um die Stoßrichtung seiner Worte. So schlimm war es gar nicht, versuchte der Stürmer nach dem Spiel eilig zu verbreiten. Der grelle Strahl eines Laserpointers soll schuld am verschossenen Elfmeter gewesen sein? Ach was! "Ich habe den Elfmeter geschossen und der Torwart hat ihn gehalten", sagte Gomez. Schuld habe ausschließlich er, Gomez, der Stürmer.

Die Fernsehbilder aus der 49. Minute im Stadion San Paolo legten kurzzeitig einen anderen Schluss nahe. Kurz vor Gomez' Schuss vom Elfmeterpunkt, der in einem für ihn ungewohnt schwachen Versuch endete, traf ihn ein greller, grünlicher Lichtstrahl. Gomez' Gesicht war hell erleuchtet, dann setzte er den Ball schwach ins rechte Eck. Napolis Torhüter mit dem wohlklingenden Namen Morgan de Sanctis fing das Bällchen gar.

Laserpointer in Fußballstadien - sind das unfaire Auswüchse einer immer moderner ausgerüsteten Fankultur? Seit einiger Zeit ist der grünliche Strahl immer wieder bei Sportveranstaltungen zu sehen, damit wollen übermotivierte Anhänger gegnerische Spieler irritieren.

Man kennt das Phänomen aus einem ganz anderen Bereich: Auch Flugzeugpiloten sind bisweilen betroffen, sie klagen bei Landeanflügen über fiese Blendversuche von Unbekannten. Sogar die Maschine der deutschen Kanzlerin soll es vor wenigen Wochen getroffen haben, beim Anflug auf den Flughafen Köln-Bonn. Passiert ist nichts.

Nun also in Neapel, Stadion San Paolo. Etwas später nach dem Spiel gab Gomez zu: "Der Laserpointer war da, ich habe ihn bemerkt, ich habe ihn gesehen. Aber er hat mich nicht geblendet." Ein Gerücht, die Bayern hätten sich noch während des Spiels bei der Uefa beschwert, wollte hinterher keiner bestätigen. Sportdirektor Christian Nerlinger sagte jedoch: "Wenn das stimmt, ist das krass unsportlich. Ein Ding der Unmöglichkeit." Selbst gesehen hatte Nerlinger den Vorfall nicht.

Das 1:1 der Bayern beim SSC Neapel hatte nun eine scheinbar besondere Geschichte - von seiner Version wollte Gomez dennoch nicht abrücken: Dass er selbst Schuld trug am Schlamassel. Und das spricht irgendwie für ihn. Er suchte nicht den Konflikt mit den Neapolitanern, die sich den Münchnern an zwei Tagen zwar als äußerst stimmgewaltige, jedoch betont faire Gastgeber präsentiert hatten.

Nein, Gomez haderte mit ganz normalen Stürmerproblemen. "Wir sollten nicht nach Ausreden suchen", antwortete er stakkatohaft auf die bohrenden Fragen. Und erklärte in einfachen Worten: "Ich wollte in die Mitte schießen. Wieso ich es nicht getan habe, weiß ich auch nicht. Man sollte bei seinem ersten Gedanken bleiben." Er schoss nach rechts - und Morgan de Sanctis hielt.

Gomez ist in seiner Zeit beim FC Bayern gereift. Besonders im vergangenen Jahr. Andere Stürmer hätten die Gelegenheit, auf eine Behinderung durch den fiesen Laserstrahl hinzuweisen, sicher dankbar angenommen - Schuldige suchen ist in der Bundesliga schließlich fast eine eigene Sportart.

Aber Gomez hatte nach vielen wunderbaren Auftritten diesmal in Neapel einfach keinen sonderlich guten Abend gehabt. Da konnte er sich ruhig vor die Mannschaft stellen. Die Neapolitaner mit ihrer eher unorthodoxen Dreierkette ließen den Münchnern viele Räume, vor allem Thomas Müller und Toni Kroos, dem Torschützen zum 1:0 nach 96 Sekunden. Gomez jedoch, der in dieser Saison in Pflichtspielen bereits 14 Mal traf, hatten sie im Griff. Jederzeit. Bis zu seiner Auswechslung kurz vor Schluss.

Der Nationalstürmer versuchte es in der ersten Halbzeit einmal aus der Ferne, dann verschoss er den Elfmeter - sonst kam er nicht zum Zuge. Allerdings hat Gomez den Bayern in den vergangenen Wochen so viel Gutes getan, dass er sich einen solchen Abend guten Gewissens leisten konnte - das betonte zumindest sein Trainer Jupp Heynckes mit größtmöglichem Nachdruck.

Die Schuldfrage an den zwei vergebenen Punkten war längst geklärt, da plauderte Gomez noch ein wenig über den italienischen Fußball. Ihm hatte nämlich gefallen, was er im Stadion San Paolo erlebt hatte. "Neapel hat viel Herzblut und Aggressivität reingelegt", sagte Gomez, "die Stimmung und die Atmosphäre ist nicht nur für das Heimteam gut, sondern auch für das Auswärtsteam."

Eine kleine Beschwerde hatte Gomez, wie auch andere Bayern, dann doch noch. Sie waren ein wenig sauer - auf den Schiedsrichter. Olegario Benqueranza aus Portugal habe "sehr politisch gepfiffen", sagte Bastian Schweinsteiger. Die Intention: Beim Elfmeterpfiff, dem ein eher fragwürdiges Handspiel von Paulo Cannavaro vorausgegangen war, habe der Schiedsrichter vermutlich falsch gelegen. Und danach alles versucht, um es den hitzigen Neapolitanern doch noch recht zu machen.

Auch Gomez habe gespürt, dass der Schiedsrichter nach dem Elfmeterpfiff "den Fehler wiedergutmachen wollte. Da hat er vielleicht ein wenig Bammel vor der Atmosphäre gehabt. Es waren schon einige Konzessionsentscheidungen dabei."

Schuld hatte der Schiedsrichter an den beiden verschenkten Punkten trotzdem nicht. Schuld hatte nach Ansicht von Mario Gomez letztlich Mario Gomez - klar. Es machte den Eindruck, als wolle er den reuigen Sünder geben, in der Hoffnung, seine Kameraden mögen ihm verzeihen. Und hätte der Bayern-Bus auf dem Weg ins Mannschaftshotel im dichten neapolitanischen Verkehr Verspätung gehabt, hätte der Stürmer dies womöglich ebenfalls auf seine Kappe genommen. Doch das blieb ihm erspart: Der Bus war pünktlich. Sehr sogar.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1168433
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/hum/mcs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.