Süddeutsche Zeitung

Bayern-Sieg gegen Alba Berlin:Nächster Konter, nächster Streit

Erst im dritten Viertel drehen die Basketballer des FC Bayern das Heimspiel gegen Alba Berlin und holen sich den zweiten Sieg der Finalserie. Obwohl ihnen jetzt nur noch ein Sieg zum Titel fehlt, erhebt Trainer Svetislav Pesic gegen den Alba-Chef schwere Vorwürfe.

Aus der Halle von Gerald Kleffmann

Noch einmal zeigten die einheimischen Fans, wer sie sind, wie laut sie sein können, dass sie die Atmosphäre bestimmen und niemand sonst. Die letzten Sekunden, ja, es war ein Tollhaus, die meisten hämmerten diese in Mode gekommenen gefalteten Pappdinger gegen die Handinnenfläche, manche trampelten gar, und die wenigen hundert Besucher in der gelben Kluft unter dem Hallendach, sie wurden stiller und stiller.

Lange war dieses dritte Playoff-Spiel zwischen dem FC Bayern und Alba Berlin eher zum Vorteil der Gäste verlaufen, erst im Schlussviertel setzten die Münchner, die Roten, mit Willenskraft die entscheidenden Stiche. Das erste Spiel hatten sie gewonnen, das zweite verloren. Nun? Nun folgte mit dem 92:86 (39:48) der nächste Konter in dieser intensiven Finalserie, die nach dem Modus best-of-five ausgekämpft wird. Das vierte Spiel findet am Mittwoch in der Hauptstadt statt. Könnte wieder heiß werden. Nicht nur aus sportlichen Gründen.

Trainer Pesic teilt in der Pressekonferenz verbal aus

Bayerns Trainer Svetislav Pesic rechnete nach giftigen Sätzen des Berliner Geschäftsführers Marco Baldi in Richtung der Münchner mit diesem ab. Diese Fehde umrahmte ein Spiel, das Albas Coach Sasa Obradovic als "großartige Werbung für Basketball" empfunden hatte. Ehe die dritte Partie aufgenommen wurde, kursierten freilich noch andere Themen, FCB-Guard Malcolm Delaney, 25, als bester Spieler der Saison (MVP) ausgezeichnet, stehe vor dem Wechsel nach Griechenland, hieß es etwa, jedenfalls liege dem Amerikaner ein Angebot vom Spitzenteam Olympiakos Piräus über 1,5 Millionen Dollar für zwei Jahre vor. Sein Weggang wäre allerdings genau so wenig überraschend wie der Transfer von Anton Gavel zu den Bayern, wie auch als spekulierende Meldung auftauchte.

Dass der Verteidigungsspezialist Bamberg nach dem Ende seiner Vertragslaufzeit verlässt, stand dem Vernehmen nach ja bereits vor einem Jahr fest. Zu den Franken wiederum, dies bestätigte Wolfgang Heyder, der sich Spiel drei in München ansah, wird der Italiener Andrea Trinchieri (bislang Unics Kazan) als neuer Trainer kommen, "es müssen nur letzte Details geklärt werden", sagte der Brose-Manager der SZ. Die Münchner indes gaben keinen Kommentar zu Delaney und Gavel ab, im Fokus stand ihr zweites Heimspiel, vor ausverkaufter Kulisse, klar.

Jedes Mal 6700 lärmende Zuschauer in der Fußballstadt, Woche für Woche, das ist eine Erfolgsgeschichte am Rande. Von Beginn an setzten beide Teams ihre harte Serie fort, allein der erste Korb, ein Dreier des Münchners Robin Benzing, fiel erst nach 60 Sekunden. Playoffs, Baby!, so heißt ja dieser Schlachtruf, wenn die Saison auf die Zielgerade geht, konkret bedeutet dies auf dem Court: frühes Stören beim gegnerischen Spielaufbau, hektische Würfe, Motzereien mit dem Kontrahenten.

Berlin zog als Erster weg, David Logan (insgesamt 14 Punkte, Clifford Hammonds warf als Bester 15 Punkte) wuchtete den ersten von seinen vier Dreiern in den Korb, 16:10, ein Zeichen. Die Münchner Fünf, häufig durchgewechselt, blieb dran, 20:20 nach dem ersten Viertel. Es war angerichtet. In den vergangenen Jahren prägten andere Duelle die BBL, Berlin gegen Bamberg war so eines, bei dem man sich auch abseits des Platzes emotional begegnete. Aber München gegen Berlin, das könnte langfristig der neue Hit werden, wie München gegen Dortmund im Fußball, auch dank mancher beteiligter Hitzköpfe.

Für Svetislav Pesic etwa, den Bayern-Trainer, ist diese Serie etwas Persönliches. Vor allem wegen "Baldi und seinen Satelliten", wie er ihn umschrieb, wobei kaum noch zu durchschauen ist, wer wen wann beleidigt hat. Klar ist, zig Sticheleien haben die Berliner wegen der Transferpolitik der Münchner fabriziert (die mit Sticheleien an anderer Stelle erwidert wurden), zuletzt hat Baldi Delaney (26 Punkte) als "Breakdancer" bezeichnet, weil der angeblich so schnell spektakulär falle. Pesic litt umso mehr, wie Berlin davonzog, auf 26:20 (wieder Logan per Dreier), Auszeit.

Dreieinhalb Minuten dauerte es, bis John Bryant (16) die ersten Punkte im zweiten Viertel für die Gastgeber erzielte (22:29). Bayern schlug zurück (33:32), dann antwortete Alba mit acht Punkten in Serie (40:32), die Münchner hechelten hinterher bis zur Halbzeit (39:48). Die Luft in der früheren Rudi-Sedlmayer-Halle war so frisch wie in einer U-Bahn zur Oktoberfestzeit, auch das macht Playoffs aus. Alle Sinne sind gefordert. Ein 8:0-Lauf (47:48) von Bryant brachte Bayern heran, endlich trafen auch andere Akteure außer Delaney, aber erst mit dem Ende des dritten Viertels schafften die Bayern den Ausgleich (66:66).

Schlussspurt im Schlussviertel

Die letzten zehn Minuten versprachen ein Kraftakt für alle zu werden, auch für die Fans, die nun permanent standen. Die Lebensversicherung Delaney hievte die Bayern erstmals seit dem 33:32 nach vorne (68:66/zwei Freiwürfe), es ging hin und her. Ein Rätsel blieb, wie die Krawatte von Obradovic (an dem, auch ein schönes Gerücht, Spaniens Topklub Laboral Kutxa interessiert ist) keinen Zentimeter zu verrutschen schien bei den Anweisungen.

Bayern bot jetzt jene Energie, die nötig ist im Schlussspurt, der zweite 8:0-Lauf (76:68) schaffte einen Abstand, die Führung gaben sie nicht mehr ab. Die Münchner dominierten bei den Rebounds (43:29) und Freiwürfen (34:20 Punkte).

Eindeutig, es war feines Basketballkino, nun also Spiel vier, vielleicht die Entscheidung in Berlin, "es ist eine gute Serie", sagte Obradovic. Pesic indes hatte andere Gedanken, er rundete den Sonntag auf seine Weise ab. Er kritisierte die Rolle von Baldi, der im BBL-Präsidium säße, einerseits so über Schiedsrichterbesetzungen mitbestimmen könne, andererseits aber es sich erlaube, eine "Kampagne" gegen die Bayern zu führen.

"Er soll aufhören damit", sagte Pesic und meinte indirekt auch Baldis Tätigkeit im Liga-Gremium. Zum Sport, zur Chance, den ersten Meistertitel für die Bayern seit 1955 zu holen, fiel dem 64-Jährigen noch ein Satz zum Schluss ein: "Auswärts zu gewinnen, das wäre eine Belohnung für die ganze Saison." Und eine Genugtuung, wie man ihn verstanden hat.

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SZ vom 16.06.2014/schma
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