Sportpolitik:Zwei Abtrünnige namens Bayern und Real

FC Bayern München: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß

Karl-Heinz Rummenigge (l.), Vorstandsvorsitzender des Bayern, und Präsident Uli Hoeneß.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)
  • Der FC Bayern und Real Madrid hießen zuletzt die umstrittene Klub-WM gut - anders als 232 europäische Klubs, die in der ECA versammelt sind.
  • Im Oktober sprachen die beiden Klubs aus München und Madrid auch über eine neue Super League.

Von Claudio Catuogno und Thomas Kistner

Am Tag nach dem großen Knatsch twitterte der Rekordmeister mal wieder auf Englisch. Ein Bild mit den Logos des FC Bayern und der europäischen Klubvereinigung ECA, dazu ein Spruch, der wohl wie ein Bekenntnis klingen sollte: "#FCBayern is proud to be a member of @ECAEurope! Let's shape the future of football - together!" Der FC Bayern ist stolz, Mitglied der ECA zu sein! Lasst uns die Zukunft des Fußballs gestalten - gemeinsam!

Die Bayern haben hier also, schön international, ihre Eintracht mit dem europäischen Klubfußball beschworen. Aber ist das auch die ganze Wahrheit? Erst am Tag zuvor, am Dienstag, hatten sich die ECA-Vorstände in Nyon, in der Zentrale der Europäischen Fußball-Union Uefa, ziemlich empört zwei Vereine vorgeknöpft, die gerade die gemeinsame europäische Linie verlassen hatten: Real Madrid - und Bayern München.

Die beiden Klubs sind, im Gegensatz zum Rest der 232 ECA-Mitglieder, plötzlich hellauf begeistert von einem Projekt, welches der Fifa-Präsident Gianni Infantino gerade auf gewohnt zwielichtige Weise durchgesetzt hat: eine neue Klub-WM für 24 Mannschaften, die schon 2021 erstmals stattfinden soll. "Finde ich super", "wunderbar", "her damit", hatte Bayern-Präsident Uli Hoeneß am Sonntag in der Münchner Arena erklärt. "Sie werden sehen: Die Klub-WM wird kommen, und der FC Bayern wird mitspielen." Das war gerade mal zwei Tage, nachdem Infantino das umstrittene Format im Fifa-Vorstand durchgeboxt hatte. Gegen den harten Widerstand von Uefa und ECA.

Europa kämpft erst vereint dagegen - und die Bayern finden's dann toll? Das sorgt für Verstimmung in den Fußballkreisen des Kontinents. Zumal man hier besonders auf Zusammenhalt und Solidarität bedacht ist, seit der Fifa-Boss mit immer neuen Volten versucht, einzelne Europäer auf seine Seite zu ziehen, um Mehrheiten für diverse undurchsichtige Geschäftsprojekte zu schaffen. Es ist jene Art von Verstimmung, die man auch als FC Bayern nicht mit einem Tweet aus der Welt schafft.

Bayern und Real gegen den Rest Europas: Was wie ein Reflex zweier geldgieriger Klubs wirkt, gewinnt nun allerdings zusätzliche Brisanz. Auf SZ-Anfrage räumt der FC Bayern jetzt ein, dass er sich auch mit einem anderen, höchst umstrittenen Geld- und Spaltungsprojekt zumindest befasst hat. Nämlich mit der Errichtung einer neuen Super League für Großklubs - und auch dies im Kontext mit Real Madrid.

Das ist schon deshalb pikant, weil das Thema Anfang November 2018 europaweit in den Schlagzeilen war. Da hatten der Spiegel und andere Medien auf Basis von Dokumenten der Plattform Football Leaks über einen Geheimplan berichtet, nach dem elf Großklubs die Loslösung vom organisierten Fußballbetrieb anstrebten. Präsentiert wurde ein detailliertes Dossier zum diskreten Projekt, das am 22. Oktober bei einem Klub gelandet war: bei Real Madrid. Genauer: in den Mailaccounts von Real-Präsident Florentino Pérez, seinem Vize Pedro López und Geschäftsführer Juan Ángel Sánchez. Konkrete Hintergründe blieben damals unklar, überall wurden derartige Pläne strikt dementiert. Doch nun kommt heraus: Das Trio Pérez/López/ Sánchez hatte just zwei Wochen zuvor Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Chefjustiziar Michael Gerlinger zu einem Gespräch in Madrid empfangen.

Als das Papier, der Entwurf einer "bindenden Absichtserklärung", am 2. November veröffentlicht worden war, beteuerten die Münchner via Vereins-Webseite, sie seien völlig ahnungslos: "Neuerliche Pläne für eine so genannte Super League (...) sind dem FC Bayern weder bekannt, noch hat der FC Bayern an Verhandlungen hierzu teilgenommen." Man verstehe gar nicht, warum der Verein in so einem Papier aufgeführt werde. Das von der Madrider Beratungsagentur Key Capital Partners erstellte Dossier hatte den FC Bayern als einen der "Gründer" und den viertgrößten Aktionär des Vorhabens benannt. Die neue "European Super League" solle, als von der Uefa unabhängiger Elitebetrieb, ab 2021 mit 16 Teams gespielt werden, hieß es.

Was also war nur Wochen zuvor, beim Besuch der Bayern bei den Real-Spitzen, besprochen worden? War die neue Super League ein Thema?

Dazu teilt die Bayern-Pressestelle nun mit: "Es gab ein Treffen mit Offiziellen von Real Madrid im vergangenen Oktober, bei dem über verschiedene Themen gesprochen wurde. Unter anderem fragten die Leute von Real Madrid nach unserer Meinung zu einer Super-League. Wir sagten, das sei in Deutschland nicht möglich."

Wieso standen die Bayern dann kurz darauf im Madrider Geheimpapier? Und warum versichern Bayern-Funktionäre, die im Oktober in Madrid zu einer neuen europäischen Elite-Liga befragt wurden, drei Wochen später, ihnen seien partout keine neuen Superliga-Pläne bekannt?

Präzise Nachfragen ließ der Rekordmeister am Mittwoch seinen Medienanwalt beantworten. Der fegte, ratzfatz, alle Widersprüche vom Tisch. "Die Erklärung vom 2. November 2018 ist uneingeschränkt richtig", teilt er mit zur Frage, wie man in Madrid über eine neue Super League reden könne, dann aber drei Wochen später nichts von neuen Super-League-Plänen wisse, die in Madrid aufgetaucht sind. Die Bayern, so der Medienanwalt, seien auch "nicht explizit zu einer neuen Super-League befragt" worden. Vielmehr seien sie "gelegentlich eines Treffens zu verschiedenen Themen auch gefragt" worden, "was man von einer Super-League halte". Antwort: siehe oben. Sicherheitshalber legt der Bayern-Medienanwalt in seiner Antwort auch gleich die Grenzen der journalistischen Wissbegierde fest: "Im übrigen bitten wir, von weiteren Anfragen (...) abzusehen." Auffallend dünnhäutig wirken sie gerade, die Bayern.

Aber die Frage bleibt natürlich: Wurde das Milliarden-Euro-Thema Super League in Madrid wirklich nur mal kurz erwähnt, zwischen Dessert und Espresso?

Dass die Super League jenseits von Madrid und München Ende 2018 noch ein Gesprächsthema war, ist tatsächlich weitgehend ausgeschlossen. Anders als 2016, als die Großklubs mit solchen Plänen eine Drohkulisse aufgebaut und der Uefa auf diese Weise Vorteile im Champions-League-Betrieb abgepresst hatten. Das hatten sie damals sogar zugegeben. Doch 2018? Abgesehen vom mysteriösen Dossier gab es keinen Hinweis auf eine neuerliche Offensive der Superklubs von Paris über Turin bis Manchester, keine Meetings, nicht mal eine Flüsterdebatte wie zwei Jahre zuvor. Bloß Real Madrid zählte wie immer zu jenen, die im Grunde permanent von der eigenen Gier übermannt werden. Und die Bayern? Die haben ihre wacklige Version der Dinge. Klubs wie Manchester United erklären auf Anfrage, ob auch sie von Real damals zu Super-League-Gesprächen eingeladen worden, aber nicht erschienen seien, ausweichend: "Wir werden das nicht kommentieren."

Hinzu kommt: Zwei Wochen nach Ruchbarwerden des in Madrid aufgetauchten Papiers verlängerten Uefa-Präsident Aleksander Ceferin und ECA-Chef Andrea Agnelli das Format der Champions League bis 2024. Bei diesem langfristig terminierten Treffen verhehlten sie nicht ihre Irritation. "Was ich interessant finde ist, dass 2018 fast niemand über eine neue Super League diskutiert hat", erklärte Ceferin. "Und dass es dennoch ein Dokument gab, das sagt, es werde da was passieren. Wir haben mit allen großen Klubs geredet, und es gab keine ernsthafte Diskussion darüber. 99 Prozent wussten gar nichts davon."

Europas Fußball droht in Sachen Klub-WM eine Zerreißprobe

99 Prozent - also fast alle. Außer zwei? Ziemlich dieselbe Marge jedenfalls kennzeichnet nun auch die Alleingänge von Real und Bayern in Sachen Klub-WM.

Auch hier steht das Duo gegen ein überwältigendes Votum der 232 ECA-Mitglieder - und, besonders kurios, sogar gegen ihr eigenes. Denn den Brandbrief, den die ECA drei Tage vor der Fifa-Ratssitzung in Miami an Infantino gerichtet hatte, haben auch die Vertreter Bayerns und Reals unterzeichnet, Gerlinger und López. Das Schreiben warf dem Fifa-Boss intransparente Amtsführung vor, das Verschleiern wichtiger Geschäftsinformationen - sein ganzer Geschäftsstil sei "beunruhigend". Auch deshalb schmetterten sie Infantinos 24er-Klub-WM unmissverständlich ab: Kein ECA-Mitglied werde "an so einem Turnier teilnehmen". Man sei erst nach Ablauf des aktuellen Match-Kalenders ab 2024 bereit, neue Formate zu diskutieren.

Dass der Fifa-Patron in Miami trotzdem seinen Willen bekommen würde, war klar. Das Fifa-Council boxte die Klub-WM durch, wie üblich mit den Stimmen der Zwergverbände von Vanuatu bis zu den Turks&Caicos-Inseln - und gegen die Voten aller Uefa-Vertreter. Weil aber im Fußballbusiness nicht einige Funktionäre aus Karibik- und Südsee-Atollen einfach den Kurs der milliardenschweren Klubs von London bis Barcelona bestimmen können, flogen die Europäer recht gelassen nach Hause. Gleich nach der Sitzung teilte die ECA mit, dass ihre Ablehnung unverändert bestehe. Und, klar: ohne Europa-Vertreter keine Weltmeisterschaft.

Doch dann vergingen keine 48 Stunden, und schon sprangen die Abweichler aus dem Gebüsch.

Real Madrid erklärte, man sei "stolz darauf", an Infantinos neuem Turnier mitzuwirken. Rummenigge warb für die Klub-WM in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, welches er schon Tage vor dem Miami-Beschluss gegeben hatte. Und Hoeneß schließlich konnte es gar "kaum erwarten", dass Infantinos Vision endlich umgesetzt wird. Klub-WM? "Her damit!"

Entsprechend verärgert trafen sich die ECA-Vorstände am Dienstag in Nyon. Und stellten sich dort klar gegen die beiden Abtrünnigen: "Die Position der ECA in Bezug auf die Klub-WM ist dieselbe, die zuvor in dem Brief ausgedrückt wurde, den der ECA-Vorstand unterzeichnet hat", teilte ein Sprecher der SZ mit. Am kommenden Dienstag folgt nun die ECA-Vollversammlung in Amsterdam. Unter Punkt 9 der Agenda sind "Fifa-Angelegenheiten" angekündigt. Diesmal könnte es ein Votum aller 232 Mitglieder der ECA geben, die ja nicht nur Branchengrößen vom Kaliber Bayern/Real repräsentiert, sondern auch Klubs wie AEK Larnaka und AS Trenčín, FK Viking oder Wisla Krakau. Ob die alle an einer Zukunft basteln wollen, in der ein paar Klubs für dreistellige Millionenprämien Teams aus Asien, Afrika und der Karibik wegfegen, die Namen wie Pakhtakor oder Buriram tragen, Lobi Stars, Al Ahly oder Santos Lugana? Das wird bezweifelt.

Europas Fußball droht also eine Zerreißprobe. Es ist von vielen Telefonaten die Rede, die Infantinos wenige Freunde im europäischen Klubfußball angeblich führen. Lassen sie die Drähte glühen, weil sie wissen, dass der Fifa-Patron mit seinen mysteriösen Geschäftsfreunden aus so einem neuen Turnier hohe Erlöse destillieren wird? Sehen sie bloß die Geldscheine?

In jedem Fall übersehen sie so einiges. Seit gut einem Jahr versucht Infantino, der Branche neue Turnierformate aufzuzwängen. Was er nicht tut, ist die Investoren zu benennen, die dafür angeblich Milliarden lockerzumachen bereit sind. Diese wurden erst bekannt, als ein geheimes Arbeitspapier aufflog, das der Fifa-Boss mit ihnen ausgearbeitet hatte (SZ vom 17.11.2018): Es handelt sich um den japanischen Tech-Konzern Softbank, dessen Investoren wiederum vor allem im arabischen Raum sitzen. Ihnen wurde in dem Arbeitspapier der Erwerb fast sämtlicher Fifa-Rechte in Aussicht gestellt, neue Turnierformate wie die Klub-WM erschienen nur als Vorwand für den Mega-Ausverkauf. Vor allem aus derlei Geheimcoups speist sich der Argwohn, den die Uefa und die ECA gegenüber Infantinos Geschäftsgebaren hegen. Außer halt offenbar: Real und Bayern.

Was also, wenn die ECA am Dienstag - oder auch später - gegen die neue Klub-WM votiert? Dann müsste man in München und Madrid wohl klein beigeben. Oder aus der ECA austreten? Bei Twitter wird man es bestimmt erfahren.

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