Bayern-Profi Holger Badstuber:Die Zukunft macht Pause

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Meisterfeier in Berlin - mit einem bedröppelten Holger Badstuber (Foto: imago sportfotodienst)

Holger Badstuber steckt mitten in einer komplexen Krankengeschichte. Seine schwere Verletzung bringt nicht nur den FC Bayern ins Grübeln. Noch mehr belastet sie Bundestrainer Löw, der die WM 2014 wohl ohne seinen Lieblingsverteidiger bestreiten muss.

Von Christof Kneer

Im Moment muss sich vor dem FC Bayern ausnahmsweise kein Gegner fürchten. Der FC Bayern erholt sich gerade von den ganzen Siegen, er ist zurzeit verreist. Der einzige, der in München die Stellung hält, ist Holger Badstuber.

Die Elf der Bayern ist so prominent besetzt, dass es gar nicht auffällt, wenn mal einer der Prominenten fehlt. Die meisten Menschen sind der festen Überzeugung, dass die Münchner ihr Triple in Bestbesetzung gewonnen haben, die Leute haben den Lahm gesehen, den Schweinsteiger, den Müller und die Verrückten vom Flügel. Waren also alle dabei, oder? Nicht ganz: Toni Kroos hat gefehlt, das zum einen. Aber vor allem fehlte Holger Badstuber.

Kurz vor dem Champions-League-Finale, als das Land hektisch zwischen München und Dortmund hin und her schaltete, ist diese Meldung etwas untergegangen: Holger Badstuber muss zum vierten Mal operiert werden. Stimmt, den Badstuber gibt's auch noch - dieses Gefühl blitzte immer wieder auf in diesen Tagen, mal zeigte er sich humpelnd auf dem Rathausbalkon, mal erwischte man seine Mitspieler, wie sie beim Feiern eines ihrer 17 Titel ein Badstuber-Trikot in die Kamera hielten. Das Gute ist, sie haben Badstuber nicht vergessen. Aber das ist fast schon das Beste, was dem Abwehrspieler zurzeit widerfährt.

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Wer hat sich nicht schon alles zum möglichen Transfer von Robert Lewandowski geäußert. Natürlich die Berater des Stürmers, auch BVB-Boss Watzke und Bayern-Trainer Heynckes. Und Lewandowski selbst. Einen besonderen Rüffel holte sich Lothar Matthäus ab.

Holger Badstuber steckt mitten in einer komplexen Krankengeschichte. Er hat auf die Sommerpause gewartet, um sie kurz zu offenbaren, jetzt will er wieder schweigen und schuften. Der Sport-Bild hat er erzählt, was seit jenem 1. Dezember 2012 passierte, als ihm das Kreuzband riss. Im März musste das rechte Knie noch mal geöffnet werden, im Mai riss das Kreuzband erneut, aus bis heute unerfindlichen Gründen. Er hat den Arzt gewechselt, ist in die USA zum berühmten Dr. Steadman geflogen, wurde noch mal operiert, und irgendwann im Herbst wird er wieder rüberfliegen, damit sie ihm einen Teil der Patellasehne aus dem linken Knie ins rechte Knie einsetzen. In den USA werden in solchen Fällen oft Kreuzbänder von Toten verwendet, aber das wollte Badstuber nicht.

Nach der Operation wird er dann wohl ein weiteres halbes Jahr ausfallen, wie ein normaler Kreuzbandpatient. Wenn er Glück hat, ist es dann Februar. Wenn er Pech hat, ist es mindestens Mai. Im Juni 2014 beginnt die WM in Brasilien.

Er solle bloß nicht an die WM denken, er solle sich bloß nicht unter Druck setzen, das raten sie ihm jetzt alle, Freunde, Ärzte, Trainer. Selbst im günstigsten Fall wird Badstuber fast anderthalb Jahre nicht Fußball gespielt haben, alle wissen, was das bedeutet. Niemand sagt das öffentlich, warum auch, aber Bundestrainer Löw muss davon ausgehen, dass er diese WM ohne seinen Lieblingsverteidiger bestreitet.

Joachim Löw hat einen luxuriösen Job, aber diesmal hat er es schwerer als ein Klubtrainer. Münchens neuer Coach Pep Guardiola kann in Ruhe prüfen, ob ihm in Badstubers Abwesenheit die Innenverteidiger Dante, Boateng, van Buyten und Zugang Jan Kirchhoff genügen, zumal er ja auch Martínez oder Gustavo ins Abwehrzentrum schicken könnte - oder ob er den Bossen empfiehlt, sicherheitshalber ein paar Millionen vom Festgeldkonto in einen neuen Abwehrspieler zu investieren.

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Mario Gomez will nicht mehr beim FC Bayern spielen, Robert Lewandowski will unbedingt - und darf nicht. Doch nicht nur in der Bundesliga hat das Wetteifern um die stärksten Angreifer begonnen. In allen europäischen Topklubs herrscht Aufregung. Ganz vorne dabei: Real Madrid und Manchester City.

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Löw kann das nicht. Er hatte gerade sein Duo für die Zukunft gefunden, Holger Badstuber, 24, und Mats Hummels, 24; jetzt muss er damit umgehen, dass die Zukunft erstmal Pause macht.

Löws Assistent Hansi Flick hat gerade mit Badstuber telefoniert, er hat einen sehr gefassten Patienten angetroffen. Er hat ihm gesagt, wie sehr sie ihn vermissen, so viele Optionen haben sie hinten ja nicht. Favorit für den Stammplatz neben Hummels ist nun jener Spieler, der auch bei Bayern die Ungunst der Stunde genutzt hat: Jérôme Boateng. "Wer Jérôme zuletzt gesehen hat, weiß, was für einen unglaublichen Sprung er gemacht hat", sagt Flick. Boateng ist keine unnötige Monstergrätsche mehr rausgerutscht, man hat ihn bei keinerlei Schusseligkeiten mehr ertappt, er hat endlich seinem Talent Auslauf gegeben, ohne es selbst wieder einzufangen.

Hummels und Boateng, dazu Per Mertesacker und Benedikt Höwedes, das sind jene vier Spieler, die Löw und Flick fest einplanen, und sie finden, dass dieses Quartett viel besser ist, als es klingt. "Es fällt in Deutschland vielleicht nicht so auf, aber Per hat sich unter Arsène Wenger in Passspiel und Koordination extrem weiterentwickelt", sagt Flick, "und Benny darf man eh' nie unterschätzen." Diese Vier, dazu, je nach Kadersymmetrie, ein Zusatzkandidat aus dem Trio Philipp Wollscheid, 24, Heiko Westermann, 30, und Matthias Ginter, 19 - wäre heute WM, würde der DFB mit dieser Abwehrbesetzung anreisen.

Allerdings sollten all die Kandidaten damit rechnen, dass sich irgendwann ein Profi namens Badstuber aufdrängt. Er brauche Geduld, sagen die Ärzte, aber er könne auf jeden Fall wieder Profifußball spielen.

© SZ vom 13.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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