Süddeutsche Zeitung

3:2 in Paderborn:"Die Bayern haben die Bälle hinten rausgeschlagen"

  • Der FC Bayern schlägt den SC Paderborn mit 3:2. Robert Lewandowski stellt mit zehn Toren nach sechs Spieltagen einen Rekord auf.
  • Trotz eines überlegen geführten Spiels müssen die Münchner lange zittern.
  • Sportdirektor Salihamidzic und Kapitän Neuer äußern sich selbstkritisch.

Von Maik Rosner, Paderborn

Als sich der Mannschaftbus des FC Bayern an der Paderborner Arena gerade in Bewegung setzte, sahen die Spieler des Meisters durch ihre Fenster, dass die unterlegenen Gegner wie Sieger gefeiert wurden. Im Vorbeifahren konnten sie erblicken, wie ein Paderborner nach dem anderen aus dem Stadionausgang heraustrat und viele Schulterklopfer entgegen nahm. Ein "super Spiel" attestierten die Fans den Kickern des Aufsteigers, während diese bereitwillig für Erinnerungsfotos posierten. "Ich bin froh, dass wir so einen guten Fight gegen die Bayern abgeliefert haben", sagte Innenverteidiger Luca Kilian, 20, nach seinem Bundesligadebüt und stellte seinen Eindruck heraus, wonach die Münchner mit einigem Unbehagen die Schlussphase überstanden hatten. "Die hatten nicht so viel Bock, die letzten Minuten gegen uns zu spielen", befand Kilian. Er lächelte ein bisschen stolz.

Gereicht hatte es allerdings auch diesmal nicht zu einem weiteren Punkt für den Tabellenletzten, trotz eines "Riesenspiels", wie Trainer Steffen Baumgart lobte. Nah, aber eben "nicht nah genug" seien seine Spieler der mittleren Sensation gekommen, den deutschen Branchenführer ohne den vollen Ertrag aus Ostwestfalen zu verabschieden. Doch auch so trug der 3:2 (1:0)-Sieg der Münchner Züge einer Überraschung, allein schon wegen jener Feststellung, die sonst eher auf deren Gegner zutrifft. "Die Bayern haben die Bälle hinten rausgeschlagen", sagte Innenverteidiger Uwe Hünemeier über die letzten Minuten einigermaßen verwundert.

Es fügte sich ins Bild, dass sich der neue Tabellenführer umfangreich in Selbstkritik übte. "Wir haben es nie geschafft, die Kontrolle im Mittelfeld zu haben", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic und mahnte für das zweite Gruppenspiel in der Champions League bei Tottenham Hotspur am Dienstag mehrfach eine Steigerung an. Auch Trainer Niko Kovac monierte den Auftritt seiner Belegschaft, vor allem die mangelnde Konsequenz, sowohl bei den eigenen als auch bei den gegnerischen Torchancen.

"Wir haben zum Schluss ein bisschen bibbern müssen", sagte er und hob Robert Lewandowskis ausgelassene Gelegenheit zu Beginn hervor, bei der der sonst so treffsichere Angreifer den Ball auf fast schon groteske Weise am leeren Tor vorbeischob. "Das ist ein Tausender", befand Kovac, also zumindest gefühlt weit mehr als eine hundertprozentige Chance. Torwart und Kapitän Manuel Neuer erinnerte die wundersame Szene an Slapstick-Videos bei Youtube, von denen man bisher dachte, dass Lewandowski zu diesen nie einen Beitrag leisten würde. Schon gar nicht in seiner aktuellen Form, die er später mit seinem zehnten Tor im sechsten Ligaspiel und damit einem weiteren Rekord untermauerte, als er Paderborns Torwart Jannik Huth gekonnt überlupfte (79.). Doch weil die Gastgeber durch Jamilu Collins' wuchtigen Distanzschuss auf 2:3 verkürzten (84.), verstärkte sich noch jener Eindruck, dass die Bayern zwischen Kunst und Kuriositäten geschwankt waren und neben hochwertigem Angriffsfußball auch erstaunliche Nachlässigkeiten zur Aufführung gebracht hatten.

Für die besonders kunstvollen Einlagen und Spielbeschleunigungen war Philippe Coutinho zuständig gewesen. Erfolgreiche Übersteiger, Hackentricks und Schnittstellenpässe zeigte er in so beachtlicher Frequenz, dass Neuer seine Ballbehandlung als "nahezu perfekt" einstufte. Mit einem solch kunstvollen Pass legte der Brasilianer Serge Gnabry das 1:0 auf (15.). Später traf Coutinho nach einem ebenfalls hochklassigen Angriffszug über Joshua Kimmich und Gnabry selbst zum 2:0 (55.), sein erstes Tor für die Bayern aus dem Spiel heraus.

Eigentlich hätte es zu diesem Zeitpunkt auch schon ungefähr 5:0 stehen können, doch neben Lewandowski ließen auch seine Kollegen viele Gelegenheiten aus. Und als Kai Pröger auf 1:2 aus Paderborner Sicht verkürzte (68.), stürzten die Bayern in der Defensive immer wieder in Verlegenheiten. Zu diesen hatte Thiago Alcántara schon in der ersten Halbzeit einen Beitrag geleistet, als er mit einem Rückpass aus rund 35 Metern beinahe ins eigene Tor getroffen hätte. Später passten Neuer und Niklas Süle unbedrängt ins Seitenaus, was ebenso zu den Merkwürdigkeiten zählte wie der mangelnde Zugriff im Mittelfeld bei Paderborns vielen Angriffen, die das bemerkenswerte Eckballverhältnis von 11:4 für den Aufsteiger hervorbrachten. "Wir haben gewonnen, aber nicht in der Art und Weise, wie wir das wollen", sagte Salihamidzic. Kurz darauf reisten die Bayern ab. Aus ihrem Busfenster sahen sie, wie die unterlegenen Paderborner beklatscht wurden.

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