Süddeutsche Zeitung

Bayern-Niederlage in Freiburg:Böser Vorwurf kurz vor dem Urlaub

  • Der FC Bayern verliert 1:2 in Freiburg und greift damit in den Abstiegskampf ein. Ist das Wettbewerbsverzerrung?
  • Die Spieler gehen auf die Vorwürfe nicht ein. Sie sind sauer auf sich selbst.
  • Hier geht es zur Tabelle der Fußball-Bundesliga.

Von Filippo Cataldo

Es war ein recht gebrauchter Nachmittag für Robert Lewandowski gewesen in Freiburg. Nach engagiertem Beginn hatte sich Bayerns Stürmer Nummer 1 zunehmend aufgerieben gegen kompakt stehende und ebenso leidenschaftlich wie konzentriert verteidigende Freiburger. Im Verlauf des Spiels war Lewandowski mehr und mehr zu einem meist querpassenden und auch sonst eher unglücklich wirkenden Spielmacher am Rand des Strafraums geworden, um dann in der Schlussphase fast völlig abzutauchen.

Doch als die dritte Niederlage der Bayern im dritten Spiel seit der rechnerisch feststehenden Meisterschaft besiegelt war, als der Meister mit 1:2 gegen Freiburg verloren hatte, da zeigte Lewandowski klare Kante. Er sprach Klartext: "Das war zu wenig heute. Wir wollen, wir müssen jetzt gegen Mainz gewinnen. Diese Serie in der Bundesliga ist nicht gut. Wir müssen jetzt wirklich Gas geben und gewinnen. Wir sind deutscher Meister und müssen das zeigen."

In Freiburg haben die Bayern das tatsächlich nicht so wirklich gezeigt. Klar, sie waren überlegen, hatten einen Ballbesitzanteil von 78 Prozent, auch die Passgenauigkeit war mit 91 Prozent mehr als ordentlich. Und nach Bastian Schweinsteigers Treffer in der 13. Minute hatten die Münchner noch genug Chancen, um das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Aber sie sind auch nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen, waren streckenweise unkonzentriert und sind viel weniger gelaufen als die Freiburger. Und sie haben eben verloren — unglücklich, aber dennoch: schon wieder. Und dann auch noch gegen einen Abstiegskandidaten - dem durch den Sieg nun ein Pünktchen gegen Hannover reicht, um die Klasse zu halten.

Vor dem Spiel war viel darüber gesprochen worden, ob es die Bayern vielleicht etwas lockerer angehen lassen würden in Freiburg. Trainer Pep Guardiola hatte ja letzten Samstag nach dem 0:1 gegen Augsburg sein Bundesliga-ist-vorbei-Mantra noch um den Zusatz erweitert, die kommenden Spiele gegen Freiburg und Mainz seien "egal. Wir haben kein Ziel mehr, wir sind schon deutscher Meister."

Damit die Bayern nicht allzu sorglos dem Ende der Saison entgegentrudeln, hatte Paderborns Trainer André Breitenreiter via Sport-Bild eine besorgte Note gen München geschickt. "In so einer entscheidenden Phase sollten sie dafür sorgen, dass alle Chancen gleich bleiben. Man darf nie die Mannschaften aus den Augen verlieren, die um ihre Existenzen kämpfen", hatte er gesagt. Bitte, strengt euch an, sollte das heißen. Die Münchner hätten gegen Paderborn schließlich auch zweimal "volle Kapelle" gespielt, also sollten sie nun keine Regionalligamannschaft nach Freiburg schicken. Bitte keine Wettbewerbsverzerrung!

Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer hatte auf diese Aufrufe mit "Verständnis" reagiert und in Freiburg vor dem Anpfiff gesagt: "Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Wir versuchen immer, es so optimal wie möglich zu machen. Aber wir haben auch nie gesagt, dass wir immer perfekt sind."

Guardiola hatte sich am Freitag ähnlich geäußert — und in Freiburg dann auch keine Regionalligaspieler aufgestellt, sondern durchaus seriöse und seriös spielende Spieler auf den Platz geschickt. Thomas Müller musste zwar diesmal nicht mit einer zu frühen Auswechslung hadern, er saß zu Beginn draußen. Auch Thiago, Kapitän Philipp Lahm, der zuletzt oft schon bei Spielbeginn müde wirkte, und Javi Martínez standen um 15.30 Uhr nicht auf dem Rasen. In der Startelf des Meisters standen dagegen unter anderem Mitchell Weiser, Sebastian Rode, Bastian Schweinsteiger — und Mario Götze.

Über den derzeit meistdiskutierten Akteur des Meisters hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge am Samstag im SZ-Interview gesagt. "Der Bursche ist noch wahnsinnig jung, er muss noch lernen, mit dem Erwartungshorizont beim FC Bayern zurechtzukommen. Wir sind alle hilfsbereit, aber am Ende des Tages ist es auch der Spieler, der die Verantwortung für sich selbst übernehmen muss." Bis auf eine Balleroberung in der ersten Minute, einem Check gegen Günter an der Mittellinie (!) und einem gefährlichen Kopfball gegen Roman Bürkis Bein kam dann auch von Götze in Freiburg nicht viel mehr. Auch Verteidiger Medhi Benatia überzeugte nicht wirklich.

Hashtag #wettbewerbsverzerrung

Aber Wettbewerbsverzerrung, oder besser: #wettbewerbsverzerrung - wie den Bayern auf Twitter direkt nach dem Abpfiff vorgeworfen wurde? Dieser Hashtag wurde schnell zum trending topic — vorschnell? Fakt ist: Bayern hat zehn der zwölf Spiele gegen Abstiegskandidaten gewonnen und nun eines verloren, der HSV hat sich in der Hinrunde zudem einen Punkt erkämpft. Fakt ist aber auch: Paderborn wäre auch bei einer Niederlage Freiburgs an diesem Spieltag auf den letzten Platz gerutscht — und den HSV hat sowieso niemand gezwungen, in Stuttgart zu verlieren.

Die Münchner gingen auf die Vorwürfe nicht ein, wirkten nach der Pleite eher sauer auf sich selbst. "Wenn du führst, dann darfst du so ein Spiel nicht verlieren. Das ist nicht in Ordnung", sagte Jérôme Boateng. Nicht in Ordnung, weil den eigenen Ansprüchen nicht genügend. "Die sind einfach kaputt. Es wäre Schwachsinn, da was reinzuinterpretieren", sagte Freiburgs Angreifer Felix Klaus. Da könnte was dran sein. Müde - urlaubsreif wirken die Münchner gegen Ende dieser Nach-WM-Saison tatsächlich sehr. Frag' nach bei Guardiola: "Wir haben jetzt noch ein Spiel - dann geht es in den Urlaub und in die Zukunft", sagte er.

Die Gegenwart ist weit weniger rosig. In der Tabelle der letzten drei Spieltage belegt der FC Bayern Platz 18.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2015/ebc
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