FC Bayern in der Champions League:Herzrhythmusstörungen in Amsterdam

Ajax v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Group E

Thiago wurde eingewechselt - und holte prompt einen Elfmeter raus.

(Foto: Getty Images)
  • Der FC Bayern interpretiert das 3:3 in Amsterdam als positiven Abschluss der Champions-League-Gruppenphase.
  • Dass die Münchner in einigen Momenten sehr wackeln, zählt aber auch zur Geschichte dieses verrückten Spiels.

Von Carsten Scheele, Amsterdam

Karl-Heinz Rummenigge machte einen zufriedenen Eindruck bei seiner Bankettrede, das allein war eine Nachricht wert aus dieser Nacht in Amsterdam. "Feiert heute", rief er den Spielern zu, "ein bisschen", schränkte er noch ein, doch er wird beim ein oder anderen Glas, das an diesem späten Abend getrunken wurde, nicht zu streng hingesehen haben. "Das war sicherlich eine extrem emotionale Europapokalnacht, die wir erlebt haben", konstatierte der Vorstandschef des FC Bayern, und bevor er das Bankett eröffnete, vergaß Rummenigge auch den Gegner nicht: Das 3:3 gehe absolut in Ordnung, weil Ajax Amsterdam einfach gut gespielt habe. Es sei "korrekt, dass wir keinen Verlierer gesehen haben".

Zuvor hatten auch die Zuschauer in der Johan-Cruyff-Arena ein feines Gespür bewiesen, was sich an diesem Fußballabend abgespielt hatte. Klar, ihre Mannschaft hatte knapp den Champions-League-Gruppensieg verpasst, Ajax droht nun im Achtelfinale auszuscheiden, wenn es gegen einen der Gruppenersten geht. Doch die Zuschauer sangen und applaudierten bis weit nach Schlusspfiff, feierten ihre Spieler für einen bemerkenswerten Kampf. Für ein Unentschieden, das eigentlich eine Niederlage war, sich aber wie ein kleiner Sieg anfühlte.

Es war ein wildes Spektakel, dieses Dreidrei. Ein zackiges Hin und Her mit zwei Elfmetern, zwei glatt roten Karten, vier späten Toren - das letzte, der finale Ausgleich der Amsterdamer, erst in der fünften von insgesamt sieben Minuten in der Nachspielzeit. Eine "Achterbahnfahrt", beschrieb es David Alaba. Er werde an diesem Abend wohl "mit leichten Herzrhythmusstörungen" ins Bett gehen, klagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. "Puh", sagte er noch, und ja, er habe gelitten auf der Bayern-Bank.

Das Spiel ließ sich in verschiedene Richtungen deuten, bei den Münchnern überwog grundsätzlich die Erleichterung: Sie sind Gruppensieger, dieses erklärte Ziel ist erreicht. Im Achtelfinale, das am Montag ausgelost wird, geht Bayern damit den ganz mächtigen Brocken wie Paris Saint-Germain, Manchester City oder Juventus Turin zunächst aus dem Weg, kann dafür auf leichtere Kaliber wie AS Rom oder Tottenham Hotspur hoffen. 14 von 18 möglichen Punkten sind in der Champions League zudem eine sehr ordentliche Bilanz, vor allem nach einer Halbserie, die alles andere als wunschgemäß für den Verein lief. "Lieber Niko, dir und deiner Mannschaft herzlichen Glückwunsch dazu", wandte sich Rummenigge spätnachts direkt an Trainer Kovac, der ebenfalls schwere Wochen hinter sich hat.

Andererseits haben die Bayern die Gewissheit, dass es mit einer wie der gezeigten Leistung schwer werden dürfte, das Achtelfinale zu überstehen, zumal auch hier Gruppenzweite wie Atlético Madrid oder der FC Liverpool als Gegner drohen. "Ajax war ganz klar die bessere Mannschaft", erklärte Joshua Kimmich in überraschender Deutlichkeit. Salihamidzic bemängelte vor allem den frühen Chancenwucher in der Partie. "Wenn es früh 3:0 steht, dann ist Ruhe", urteilte der Sportchef. In der Tat hatten Serge Gnabry und Robert Lewandowski beste Gelegenheiten gegen anfangs völlig konfuse Niederländer, bestraften diese aber nicht. "Wenn wir richtig abgezockt sind..." bemerkte auch Leon Goretzka, ließ das Endes des Satzes offen. Nein, abgezockt waren die Münchner nicht aufgetreten, und so wurde es am Ende wieder einmal knapp.

Boateng foult erneut überflüssig

Es war Dusan Tadic, der nach einer Stunde erst die frühe Führung von Robert Lewandowski egalisierte, dann sogar auf 2:1 für Amsterdam stellte - per Elfmeter, nach einem überflüssigen Foul von Jérôme Boateng (82.). Der Strafstoß gehe auf seine Kappe, bemerkte dieser hinterher, so etwas dürfe ihm nicht passieren. Man habe die Partie "komplett aus der Hand gegeben", monierte auch Salihamidzic, "das müssen wir cleverer machen".

Beim Thema "wenig clevere Aktionen" muss auch das Foul von Thomas Müller an Nicolas Tagliafico erwähnt werden (75.), den Müller mit ausgestrecktem Bein im Gesicht traf. Eine glatte wie richtige rote Karte, Müllers erste im Profifußball. Er wird im Achtelfinale fehlen, ebenso wie der Österreicher Max Wöber auf Seiten von Ajax, der nach schwerem Foul an Goretzka ebenfalls mit Rot vom Platz geschickt worden war (66.).

Kurzzeitig wähnten sich die Bayern schon im Lostopf der Gruppenzweiten, sie konnten der Fußballschlacht aber eine weitere Wendung verpassen, durch den Doppelpack von Lewandowski (87.) und Kingsley Coman (90.), beide Tore entscheidend vorbereitet vom eingewechselten Thiago. Ehe Tagliafico gemeinsam mit Niklas Süle noch einmal den Ausgleich fabrizierte (90.+5) und für weitere bange Minuten sorgte. "Sehr bitter" sei das letzte Gegentor gewesen, sagte Torwart Manuel Neuer, der nun zum zweiten Mal binnen weniger Wochen drei Gegentreffer in Amsterdam kassiert hat - erst das 0:3 mit der Nationalelf, dann das 3:3 am Mittwochabend. Es sind seltsame Tage im Leben des Nationaltorhüters.

Seltsam fand diese Partie auch Doppeltorschütze Lewandowski, der tatsächlich gerade trifft wie er will und sich spätnachts von Rummenigge dafür noch ein Sonderlob abholte. "Ein gutes Spiel zum Analysieren", bemerkte der Pole und lachte. Er freue sich sogar, weil die Mannschaft 2019 noch stärker auftreten könne, wenn sie es schafft, einige Fehler abzustellen. Das ist der Knackpunkt, denn Lewandowski weiß auch: Wenn es der Mannschaft eben nicht gelingt, souveräner aufzutreten, könnte die Reise durch Europa im Februar sehr schnell beendet sein.

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