Thomas Müller beim FC Bayern:Verdribbelt im Debatten-Paradoxon

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Bayern-Profi Thomas Müller.

(Foto: imago images/Sven Simon)

Statt sich auf die achte Meisterschaft in Serie vorzubereiten, führt der FC Bayern öffentlich eine interne Diskussion - oder auch nicht: Es geht um Geld, Transfers und darum, wer wann was sagen darf.

Von Benedikt Warmbrunn

Bevor man nun, wie Thomas Müller sich das wünscht, "locker-flockig in die Zukunft schauen" kann: kurz ein Blick zurück. Es ist ja schon ein bisschen was passiert beim FC Bayern, der sich nach dem 2:1 vom Samstag gegen Mönchengladbach auf die anstehende Meisterschaft vorbereiten könnte. Aber um die Meisterschaft geht es beim FC Bayern gerade kaum, was vielleicht nicht überraschend ist, es wird ja die achte in Serie. Es geht stattdessen um Dinge, die, wie alle Beteiligten betonen, besser intern besprochen werden sollten, was allerdings alle erst betonen, nachdem sie sich öffentlich dazu geäußert haben.

Der FC Bayern bemüht sich also so sehr darum, keine Debatte zu führen, dass er erst recht eine spannende Debatte führt. Es geht um Transfers, es geht um Geld, und es geht ein bisschen darum, wer was in diesem Verein sagen darf. Den Anfang und vielleicht das Ende in dieser vor einer breiten Öffentlichkeit geführten internen Diskussion hat Thomas Müller geliefert.

Am Mittwoch, nach dem Einzug ins Pokalfinale, war Müller auf einen möglichen Transfer des Leverkuseners Kai Havertz nach München angesprochen worden. Müller lobte Havertz als eines der größten Talente Europas, dann aber schob er einen Satz hinterher, über den seitdem auch der Verein diskutiert und nicht nur, wie das Müller am Sonntag in einer nachgereichten Videobotschaft formuliert, die "sonntäglichen deutschen Fußball-Medien".

Am Mittwoch also sagte Müller noch, es sei "ein bisschen paradox, wenn man immer über Neuzugänge spricht und gleichzeitig Gehälter eingespart werden". Und schon ging die Diskussion los. Sportdirektor Hasan Salihamidzic sagte am Samstag ins Sky-Mikrofon: "Der Thomas hat sich mit seiner Aussage ein bisschen verdribbelt. Wir haben uns hingesetzt, und ich habe ihm auch gesagt, dass das nicht korrekt war." Müller habe "das verstanden": "Er ist ja ein sehr intelligenter Junge und sehr intelligenter Spieler." Kapitän und Chefdiplomat Manuel Neuer sagte, es gebe "zwei Perspektiven". Trainer Hansi Flick sagte: "Das ist die Aussage von Thomas. Ich werde keinem Spieler verbieten, etwas zu sagen."

Müller dürfte es kaum um das Geld an sich gegangen sein; wie seine Mitspieler verzichtet er in der Corona-Krise auf 20 Prozent seines Gehalts, "für unsere Mitarbeiter", wie er am Sonntag sagt. Zu verstehen war sein Nachsatz eher als Erinnerung daran, dass beim Geldausgeben nicht nur an zukünftige Spieler gedacht werden sollte, sondern auch an die, die den Verein dahin geführt haben, wo er gerade steht, kurz vor der achten Meisterschaft in Serie also.

Dass die Spieler, die aktuell auf Gehalt verzichten, einen zu kleinen Kader für die langfristigen Münchner Ziele bilden, das ist in diesen Wochen allerdings auch zu erkennen; deswegen arbeitet Salihamidzic ja daran, den Kader zu verstärken. Und dazu muss er Geld ausgeben, zum Beispiel, wie das die Bayern vorhaben, einen mittleren achtstelligen Betrag für Leroy Sané. Oder gar einen hohen achtstelligen bis neunstelligen Betrag für Havertz, wobei die Bayern selbst noch nicht wissen, ob sie das vorhaben. Salihamidzic fordert allerdings, "dass wir uns erst zu Transfers äußern, wenn sie gemacht sind. Das gilt für uns Verantwortliche, aber besonders auch für die Spieler".

Flick sagte noch: "Es wird auch in diesem Jahr beim FC Bayern Transfers geben, und das sind auch Dinge, die man so stehen lassen kann." Er sagte das in dem Wissen, dass er den Sieg gegen Gladbach gesichert hatte, indem er nach einer Stunde die zunächst geschonten Stammkräfte Alphonso Davies und Kingsley Coman für Lucas Hernández und Mickaël Cuisance einwechselte hatte. Denn ohne die gesperrten Müller und Robert Lewandowski, ohne den verletzten Thiago, ohne Davies und Coman fehlte zunächst der gewohnte offensive Schwung.

Müller sieht es selbst nicht so

Dass Müller sich verdribbelt haben könnte, das sieht er selbst natürlich nicht so. Aber zur Sicherheit hat er seinen verbalen Laufweg in seiner sonntäglichen Grußbotschaft interpretiert, versehen mit dem Hashtag #AllesIstGut. Er versichert, dass es bei den Bayern keinen Streit um den Gehaltsverzicht gebe in Bezug auf Transfers im Sommer. Seine Aussage in dem Interview sei vielmehr darauf bezogen gewesen, dass es ihn "genervt" habe, zu so einem Thema nach einem Pokalhalbfinale befragt zu werden. (Müller ist allerdings Interviewprofi genug, um bei einem locker-flockigen Blick zurück auf das Interview zu erkennen, dass es da anders klingt.)

Bevor Müller im Sinne seines Sportdirektors fordert, zu Transfers nichts mehr zu sagen, sagt er noch schnell, dass er sich "den bestmöglichen Kader" wünsche - denn wer glaubt, dass Müller die Havertzsche Konkurrenz fürchten könnte, hat dessen verbalen Laufweg falsch verstanden. Müller sagt: "Ich habe große Ziele, ich will die Champions League gewinnen, ich will, dass wir richtig angreifen und diesen Lauf, den wir aktuell haben, fortführen."

Ihn störe aber, dass so getan werde, "als ob diese Top-Transfers, die wir absolut brauchen, mal so mit einem Fingerschnippen zu bewältigen wären. Als ob 100 Millionen oder 50 Millionen keine Summen sind." Und das war vielleicht das Ende einer Debatte, wie sie nur der FC Bayern führen kann: Die aktuellen Spieler werden bald wieder ihr komplettes Gehalt bekommen, genauso wie die dann neu verpflichteten Spieler, zwischendurch werden sie ein paar Titel gewinnen und vielleicht auch ein paar öffentliche Diskussionen führen, die an der Sache selbst nichts ändern werden.

Seine Botschaft beendet Müller mit den Worten: "Bleibt sauber und vor allem entspannt." Und womöglich hat er damit nicht nur die sonntäglichen deutschen Fußball-Medien gemeint.

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