Meisterschaft des FC Bayern:Die stille Nacht von Bremen

SV Werder Bremen v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Meisterfreude vor leeren Rängen: der FC Bayern in Bremen.

(Foto: Getty Images)

"Natürlich ein bisschen kompliziert": Seinen achten Titel in Serie muss der FC Bayern ohne Zuschauer begehen. Der Abend ist mehr Selbstgespräch als Party.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Es war kurz vor Mitternacht - oder muss man jetzt Mittern8 schreiben nach der achten Meisterschaft der Bayern in Serie -, als sich die Türen der roten Busse vor dem Weserstadion schlossen. Als Letzter war wie immer Thomas Müller hineingeschlüpft. Es standen einige Dutzend Menschen auf der anderen Straßenseite, sie schwiegen, Polizisten mit Mundschutz observierten die Szene, Eskalationen gab es keine. Applaus, Bravo-Rufe, solche verrückten Sachen passierten nicht.

Die Meister-Krönung in Bremen wirkte wie eine gespielte Aufführung von "Stille Nacht", in der niemand schläft und einsam wacht: in diesem Fall die 8. Die mit breitem Pinsel schwungvoll hingewuschte Ziffer wurde mit Schlusspfiff im Bremer Weserstadion, wo die Bayern gerade 1:0 gewonnen hatten, enthüllt wie ein neues Denkmal bayerischer Unbesiegbarkeit. Die 8 kroch aus dem Karton mit den spontan vorbereiteten Meistertrikots, sie zierte neben der Meisterschale als Avatar sofort auch die Social-Media-Accounts des Klubs ("Mei8ter"), und als Twitter-Perle hatten die PR-Profis die Spielerköpfe um die 8 herum drapiert, vor rotem Hintergrund, durch den sanft die Schale schimmert - 11 400 Likes schon zweieinhalb Stunden nach Abpfiff.

Die Bayern sind eben nicht nur Fußball-Meister, sondern auch Smartphone-Meister und Fanshop-Meister - dort waren die T-Shirts mit der 8 am Mittwochmorgen in den gängigen Größen schon nur noch "in Kürze lieferbar". Die Weißbierbauchvariante 3XL hingegen ist "sofort lieferbar", und auch ansonsten gab es nach dem Spiel sofort alles, worauf man eine 8 drucken kann. Wie lange die Bayern wohl schon nicht mehr daran zweifelten, auch diesen Titel wieder zu gewinnen?

So eine Meisterfeier ohne Fans - von "Sause" berichtete die Homepage der Bayern sogar - ähnelt in einem leeren Stadion ja eher einem Selbstgespräch als einer Party. Der Klangtepppich fehlt, der sonst das schüchterne "Juhu" der Spieler verschluckt, von denen nun jeder einzelne beobachtet und abgehört werden kann auf den Grad seiner freudigen Erregtheit. Freuen die sich wirklich? Oder alles nur Routine? "Jetzt lach doch mal", hat Tante Inge früher hinterm Fotoapparat hervorgerufen, wer würde es je vergessen.

Keine Feier im Stadion, keine auf dem Marienplatz

Auch Hansi Flick dürfte so eine Tante Inge gehabt haben. Als der Bayern-Trainer, verkleidet mit den aktuellen Meisterschaftsdevotionalien, von "Freude pur" sprach, nahm ihn eine Kamera auf, die das Bild auf die Notebooks der Journalisten übertrug, aber "jetzt lach doch mal, Hansi" rief niemand. Für Flick ist es der erste Titel als Cheftrainer der Bayern, die obligatorische Weißbierdusche "hätte ich gerne in Kauf genommen", sagte Flick in seinem ganz eigenen Ton purer Freude. In Aussicht stand jedoch nur ein Bourbon Cola mit Co-Trainer Hermann Gerland an der Hotelbar, "den nimmt der Hermann abends gerne". Ehe Flick ergänzte, für ihn selbst werde es "Bourbon Cola light".

Die Abwesenheit von Publikum bei gleichzeitiger Erwartbarkeit des sportlichen Ausgangs ist halt eine toxische Mischung. "Es ist natürlich ein bisschen kompliziert, ohne Zuschauer zu feiern", sagte Robert Lewandowski, der in der 43. Minute das Tor zum 1:0-Sieg in Bremen geschossen hatte. Selbst für die Bayern, die so perfekt sind, dass das Umgebungslicht des Außenspiegels am Mannschaftsbus bei Dunkelheit das Vereinslogo auf den Asphalt projiziert wie Batmans Batmobil die Fledermaus, ist dieses Nichts kaum planbar. Keine Feier im Stadion, keine auf dem Marienplatz, Tausende und Abertausende Mei8ter-Leibchen werden wohl als Schlafshirts enden. "Eine komische Meisterschaft", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.

Die stille Nacht von Bremen endete für die Bayern in den Betten ihres Luxushotels in City-Lage. Dort parkte nach der Ankunft aus dem Stadion der Team-Bus akkurat eingekästelt von Absperrgittern vor der Tür, Schaulustige hier: null. Kein Spieler kam raus, um mal eine zu rauchen, was seit Mario Basler aus der Mode gekommen ist, niemand grölte schmutzige Lieder aus dem Fenster, was seit Mario Basler aus der Mode gekommen ist, und niemand schlich sich vor die Tür auf der Suche nach einer konspirativen Bar, was seit Mario Basler aus der Mode gekommen ist.

Die Mannschaft dürfte sich zunächst ins hauseigene Restaurant verfügt haben, das immerhin "Hofgarten" heißt und so wenigstens ein kleines bisschen Heimatgefühl vermittelt, 750 Kilometer weg von zu Hause. Dann lockte die Hotelbar auf dem Dach mit Bourbon Cola light, und kommendes Jahr dann die nächste Meisterschaft. Oh ne9n!

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