Niko Kovac:Der Trainer schießt zurück

Bundesliga - Bayern Munich v Borussia Dortmund

Niko Kovac im Spiel gegen Borussia Dortmund.

(Foto: REUTERS)
  • Nach dem 5:0-Sieg gegen Borussia Dortmund kritisiert Bayern-Trainer Niko Kovac die Berichterstattung der vergangenen Wochen.
  • Er fühlt sich unfair behandelt und wirkt trotz des Erfolges gegen den größten Konkurrenten mitgenommen.
  • Auch die Mannschaft traut sich nach dem Kantersieg gegen den BVB selbst nicht so recht über den Weg.

Von Martin Schneider

Kurz nach seinem größten Sieg als Bayern-Trainer sagte Niko Kovac mit lauter Stimme, dass alle mal wieder klarkommen müssten mit ihrem Leben. "Das ist nicht in Ordnung, was hier abgeht", rief er über das Mikrofon in die Welt hinaus. Es war spät am Samstagabend, er saß auf dem Pressepodium nach dem 5:0 gegen Borussia Dortmund, laut Sportdirektor Hasan Salihamidzic "das beste Spiel der Saison". Aber Kovac sah nicht aus wie ein Trainer nach dem besten Spiel der Saison. Neben ihm saß BVB-Trainer Lucien Favre der so aussah, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen, aber bei Favre hatte das ja seine Gründe. Kovac hingegen hätte sehr zufrieden sein können, er hätte erleichtert sein können, aber er wollte einfach nicht. Stattdessen war er sauer.

Es begann damit, dass Kovac gefragt wurde, ob dieser Sieg für ihn persönlich ein Befreiungsschlag sei, weil es ja einige Kritikpunkte gegeben habe. Kovac lachte kurz sarkastisch auf, dann legte er los: "Ja, gut. Wenn du gewinnst, hast du nichts richtig gemacht. Wenn du verlierst, hast du alles falsch gemacht", antwortete er und wurde grundsätzlich. "Das ist bei Trainern so. Wir sind diejenigen, die immer alles abbekommen. Ob das so sein muss, in der Form, nicht nur bei mir, auch bei anderen Trainern, stell ich mal in Frage", sagte er. "Anscheinend ist das in der heutigen Zeit so, viele geben sich damit zufrieden. Ich nicht! Weil ich glaube: Wir sind alle Menschen, und jeder muss an sich den Anspruch haben, was ich nicht möchte, dass mir einer antut, das tu ich auch niemandem anderen an. Das ist das Wort zum Sonntag", sagte er kurz vor Mitternacht.

Kovac zitierte die goldene Regel ("Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu"), in der Bibel findet man sie in der Bergpredigt von Jesus Christus, später machte Immanuel Kant daraus den kategorischen Imperativ. Nun hat der FC Bayern auch in dieser Saison schlechte Erfahrungen damit gemacht, sich auf höhere Moralgrundsätze zu berufen (Stichwort: Artikel 1, Grundgesetz) aber bei Niko Kovac liegen die Dinge ein bisschen anders.

Kovac, das merkte man bei diesem Spitzenspiel, ist mitgenommen von den letzten Wochen. Erst schied er mit dem FC Bayern gegen den FC Liverpool in der Champions League so früh und so mutlos aus wie kein Bayern-Trainer seit sieben Jahren. Dann lieferte seine Mannschaft ein unbefriedigendes Spiel gegen Freiburg (1:1) und kassierte vier Gegentore zu Hause gegen einen Zweitligisten (5:4 im Pokal gegen Heidenheim). Das reicht ja in München für ein bisschen Unruhe, aber der größere Punkt ist: Der FC Bayern kauft sich gerade für eine Rekordmillionensumme eine neue Mannschaft zusammen, und ob man diese Mannschaft dem Trainer Kovac anvertrauen sollte - diese Frage wird in München je nach aktuellem Bayern-Ergebnis mal lauter und mal leiser gestellt. Neben den reinen Ergebnissen geht es in dieser Debatte vor allem um Kovacs Vorliebe für die Defensive und darum, dass ihm Sätze rausrutschen wie dass man eben nur so gut sein könne, wie der Gegner es zulasse. Bei einem Klub mit dem Klubmotto "Mia san Mia", in dem der Gegner mit keinem Wort vorkommt, sind das ungewöhnliche Töne.

Kovac bekommt dieses Geraune mit. Und er reagiert zunehmend aggressiv darauf. Vor dem Spiel, als er noch keinen 5:0-Sieg im Rücken hatte, wurde er beim Sender Sky auf die Ansage von Präsident Uli Hoeneß angesprochen, es müsse jetzt geliefert werden und es dürfe keine Ausreden geben. Kovac sagte, dass er extra nochmal bei Hoeneß nachgefragt habe und der ihm versichert hätte, er hätte es auf die Mannschaft bezogen. Nicht auf den Trainer.

Vor dem Spiel sagte er auch noch den schönen Satz "Nach der Schlacht kann jeder General sein", und so elegant hat noch selten ein Trainer seinen Kritikern Besserwisserei vorgeworfen. Kovac fühlt sich unfair behandelt - und das entlädt sich. Als Javi Martinez das zwischenzeitliche 3:0 schoss, da sprang er nicht nur in die Luft, nein, er hob regelrecht ab. Es war Wut, Erleichterung und Genugtuung übersetzt in Sprungkraft. "Man sieht, dass ich noch hoch springen kann", sagte er lächelnd bei ZDF-Reporter Boris Büchler, als sie ihm die Szene vorspielten. Als der nachfragte: "Tut gut nach den letzten Wochen, oder?", meinte Kovac wieder sarkastisch: "Was heißt letzte Wochen? Eigentlich muss man sagen: letzte Monate."

Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sagte dazu passend in der Talkshow Wontorra am Sonntag. "Es gibt keine Jobgarantie für niemanden bei Bayern München - und das ist auch gut so. Mit diesem Druck muss jeder umgehen können. Wer das nicht kann, ist im falschen Klub." Nach einem Kantersieg gegen den BVB könnte man auch andere Worte finden. Rummenigge aber sagte, es werde "nach der Saison analysiert, was gut und weniger gut gelaufen ist". Später versicherte Rummenigge, die Vereinsführung werde Kovac "im positiven Sinne begleiten".

Der FC Bayern weiß immer noch nicht, was er von sich zu halten hat

Dazu passte, dass nicht nur Kovac nach dem Spiel ungewöhnlich reagierte. Wenn der FC Bayern den größten nationalen Konkurrenten aus der Arena schießt, dann schwappt das Selbstbewusstsein normalerweise fast greifbar durch die Katakomben - aber diesmal kamen nur Spieler aus der Kabine, die sich selbst nicht so richtig trauten. Egal ob Robert Lewandowski, Thomas Müller, Manuel Neuer oder Joshua Kimmich: Alle verwiesen mit Nachdruck darauf, dass alles ganz schnell gehen könne, man es gegen Freiburg nicht gut gemacht habe, kommende Woche ein Spiel in Düsseldorf anstehe und man diese Spiele in dieser Saison zu oft verdaddelt habe. Der FC Bayern weiß trotz dieser Machtdemonstration immer noch nicht, was er von sich zu halten hat. Es war ja unbestritten ein deutlicher Sieg, aber es war auch der erste Sieg in dieser Saison gegen ein sogenanntes großes Team. Vorher gewann die Mannschaft weder gegen Amsterdam, noch gegen Liverpool, noch das Hinspiel in Dortmund, worauf Neuer auch nochmal hinwies.

Als Kovac zum Abschluss gefragt wurde, ob die Mannschaft nach diesem Auftritt zu der vieldiskutierten und von diversen Bayern-Verantwortlichen kritisierten Party von Jérôme Boateng dürfe, sagte er: "Das ist auch wieder so eine Geschichte. Lasst doch die Leute das machen, was sie gerne möchten. Es geht nur noch um Nebensächlichkeiten, nur noch um Sensation. Wir müssen mal wieder zum Fußball zurückkommen. Es geht nur noch um die Frage: Hast du gewonnen oder hast du verloren. Jetzt stell ich mich hier hin, weil ich gewonnen habe. Aber das ärgert mich, und da gibt es noch andere Kollegen, die das genauso ärgert. Das muss mal gesagt werden. Ich bin kein Moralapostel, aber wir müssen mal wieder klarkommen mit unserem Leben. Das ist nicht in Ordnung, was hier abgeht."

Sprachs, ging und nahm die Frage mit, welcher Niko Kovac sich beim FC Bayern durchsetzen wird. Der Niko Kovac, der Dortmund besiegt und Jubelsprünge in beeindruckender Höhe zelebriert. Oder der Niko Kovac, der das Gefühl hat, sich gegen die ganze Fußballwelt wehren zu müssen.

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