Lucas Hernández beim FC Bayern:Kämpfer unter Spielern

Lucas Hernández beim FC Bayern: Den Kopf im Pokal: Lucas Hernández feiert den Gewinn der Champions League in Lissabon wie einst Michel aus Lönneberga mit der Suppenschüssel.

Den Kopf im Pokal: Lucas Hernández feiert den Gewinn der Champions League in Lissabon wie einst Michel aus Lönneberga mit der Suppenschüssel.

(Foto: Matthew Childs/AFP)

Lucas Hernández kam im Sommer 2019 als teuerster Zugang in der Klubgeschichte. Obwohl er sich als Innenverteidiger sieht, ist er vorerst als Linksverteidiger gesetzt - doch das muss nicht so bleiben.

Von Sebastian Fischer

Karl-Heinz Rummenigge konnte damals natürlich noch nicht ahnen, dass er nicht vollkommen richtiglag. Es war ein historischer Tag für den FC Bayern im Sommer 2019, der Klub stellte den teuersten Transfer seiner Geschichte vor, 80 Millionen Euro Ablöse mussten die Münchner für Lucas Hernández an Atlético Madrid bezahlen. Und Rummenigge wählte eine dem Anlass angemessene Beschreibung für den Franzosen, der rechts von ihm damals noch ohne Sicherheitsabstand Platz genommen hatte. Neben ihm, sagte der Vorstandschef, sitze der beste Innenverteidiger in Deutschland.

An diesem Mittwoch startet der FC Bayern als Titelverteidiger gegen Atlético Madrid in die Champions-League-Saison. Und Hernández, 24, trifft auf seinen früheren Klub als ein Spieler, der - mit einem Jahr und einem Sommer Verspätung - seine Rolle vorerst gefunden zu haben scheint. Es ist zwar gerade kein Platz als Innenverteidiger frei, sondern einer auf der linken Seite. Aber das ist schon mal ein besserer als der des edelsten Reservisten.

"Lucas Hernández hat sehr stabile Leistungen gebracht und ist auf einem sehr guten Level. Er tut uns mit seiner Aggressivität gut", sagte Hansi Flick nach dem 4:1 in Bielefeld am Samstag, Hernández' fünftem Pflichtspiel in der Startelf in dieser Saison. Allerdings begründete der Trainer diese Einsätze nicht allein mit den guten Leistungen des Franzosen: "Für einen jungen Spieler wie Alphonso Davies ist es durch die vielen Spiele in der letzten Saison und die kurze Pause nicht einfach. Es ist wichtig, dass er wieder ins Rollen kommt", sagte Flick, doch dafür müsse er "eine gewisse Fitness und mentale Frische haben". Hernández spielt also auch deshalb, weil Flick sich eine doppelte Besetzung für jede Position wünschte, und weil Davies, 19, noch nicht wieder ins Rollen gekommen ist.

Es zählt zu Flicks wichtigsten Entscheidungen, dass er in der Mannschaft eine unumstrittene Achse formte. Der in dieser Achse wichtige Chef der Viererkette, die halblinks-zentral eigentlich nur für einen linksfüßigen Innenverteidiger Platz bietet, ist David Alaba. Als Flick im November diese Entscheidung traf, fehlte der ebenfalls linksfüßige Hernández mit einem Innenbandriss im Sprunggelenk; in der Pressekonferenz am Dienstag erinnerte er sich: "Es war ein sehr kompliziertes Jahr."

Schon vor Beginn seines Fünfjahresvertrages in München war Hernández nach einer Verletzung des Innenbands im Knie auch auf Wunsch des FC Bayern operiert worden. Als er im Frühjahr 2020 nach seiner nächsten Verletzungspause samt OP wieder einsatzbereit war, hatte sich innen der frühere Linksverteidiger Alaba bewährt. Außerdem waren die Sprints und Dribblings des zum Linksverteidiger umgeschulten Davies dabei, weltberühmt zu werden. Hernández kämpfte derweil mit seiner Fitness. Mit einem sprintenden Dribbler zu konkurrieren, hatte er wohl auch nicht erwartet. Er spielte in allen Wettbewerben nur zwölfmal von Beginn an.

Die Rolle des Fußballers Hernández, Sohn eines Abwehrspielers aus Tours, war bereits als Jugendlicher eher die des Innenverteidigers, auch aus familiären Gründen: Links hinten spielte in den Jugendmannschaften von Atlético oft sein eineinhalb Jahre jüngerer Bruder Theo. Manchmal, etwa in der Uefa Youth League, spielten sie gemeinsam, direkt nebeneinander. Inzwischen steht Theo beim AC Mailand unter Vertrag. Lucas spielte als Profi in Madrid von 110 Partien zwar auch nur etwa die Hälfte in der Mitte, und auf der linken Seite wurde er Weltmeister mit Frankreich im Sommer 2018. Doch viele sahen in ihm danach weiterhin mit Präferenz einen Innenverteidiger - unter anderem wohl er selbst.

Lucas Hernández beim FC Bayern: "Er tut uns mit seiner Aggressivität gut": Trainer Hansi Flick lobt Lucas Hernández, Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus dagegen sanktioniert im Supercup gegen Dortmund seinen Einsatz mit einer gelben Karte.

"Er tut uns mit seiner Aggressivität gut": Trainer Hansi Flick lobt Lucas Hernández, Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus dagegen sanktioniert im Supercup gegen Dortmund seinen Einsatz mit einer gelben Karte.

(Foto: Andreas Gebert/AFP)

"Mir ist es eigentlich egal, auf welcher Position ich zum Einsatz komme", sagte er am Dienstag. Aber noch sind seine Grätschen berühmter als seine Flanken, seine Tacklings gefürchteter als sein sicheres Passspiel. Hernández sehe sich selbst eher als Innenverteidiger, sagte Flick, als er in der Pressekonferenz am Dienstag danach dran war. Einen "absoluten Fighter" hat er den Franzosen neulich genannt.

Hernández wirkt noch immer wie ein Profi der Prägung des Atlético-Trainers Simeone

Auch mehr als ein Jahr nach seinem Abschied von Atlético wirkt Hernández immer noch wie ein Profi der Prägung des Atlético-Trainers Diego Simeone, den er am Dienstag "den besten Trainer der Welt" nannte. Jener Coach also, der ihn zum Profi machte und der dafür bekannt ist, die unangenehmsten Gegenspieler des Kontinents zu formen, Meister im sogenannten Spiel gegen den Ball. Im Münchner Kader wirkt Hernández mit diesen Qualitäten unter vielen feinen Technikern besonders, was natürlich auch ein vorteilhaftes Alleinstellungsmerkmal sein kann. In Bielefeld zeigte er auch seine Qualität mit dem Ball: Er spielte die meisten Pässe in der gegnerischen Hälfte und schlug die meisten Flanken. Er sei nun fit, könne beweisen, was er draufhabe und das in ihn gesetzte Vertrauen zurückzahlen, sagte er.

Noch im September hatte Hernández im französischen Fernsehen einmal vorsichtig über die Möglichkeit eines Vereinswechsels gesprochen. "Wenn es weiter so kompliziert für mich ist, werden wir sehen", sagte er. Doch schon damals wirkte dies wie ein Kontrast zu seinem Auftreten, etwa beim Finalturnier der Champions League. In Lissabon stand er zwar nur sechs Minuten auf dem Platz, feierte im Konfettiregen nach dem Finalsieg gegen Paris Saint-Germain aber mit am überschwänglichsten. Kurzzeitig war er nicht mehr zu sehen. Er hatte sich den Pokal auf den Kopf gesetzt wie Astrid Lindgrens Michel aus Lönneberga die Suppenschüssel.

Lucas Hernández wirkt gerade nicht wie ein Spieler, den die hohe Summe belastet, die der FC Bayern für ihn ausgeben musste, auch wenn es weiterhin eine hohe Summe für einen Linksverteidiger ist, der gerade nur ein Stammspieler auf Probe ist. Andererseits ist ja längst nicht sicher, ob es nicht eines Tages doch eine Summe gewesen sein könnte, die der Klub für seinen neuen Abwehrchef ausgegeben hat. Noch hat David Alaba seinen 2021 auslaufenden Vertrag jedenfalls nicht verlängert.

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