Bayern-Gegner Raja Casablanca:Herrscher über Botola und Ronaldinhos Schuhe

Klub-WM Raja Casablanca

Erst mal beten: Die Spieler von Raja Casablanca nach einem ihrer drei Tore gegen Mineiro.

(Foto: REUTERS)

Raja Club Athletic de Casablanca heißt der Gegner des FC Bayern im Finale der Klub-WM. Der Verein hat alles gewonnen, was es in Afrika zu gewinnen gibt - und sorgte dafür, dass Marokko für einen Moment seine Fassung verlor.

Von Claudio Catuogno, Marrakesch

Es war der Moment, in dem in der Medina von Marrakesch die Männer aus den verqualmten Teestuben mit den flimmernden Fernsehern stürzten und sich draußen in die Arme fielen. In dem die Frauen ihre Kinder aus den Betten holten, um mit ihnen durch die Gassen zu tanzen. In dem die Schlachter und Gemüsehändler an die Haken, an denen sonst halbe Lämmer oder Bananenstauden hängen, grün-weiße Fahnen befestigten.

In dem ein hupender Auto- und Vespa-Korso seinen Anfang nahm, der sogar die Spieler des FC Bayern bis in den Schlaf verfolgte, in ihrem um eine Wasserlandschaft drapierten Hotelkomplex vor den Toren der alten Handelsstadt. Es war der Moment, in dem ein Land seine Fassung verlor, von Guelmim bis Tétouan, von Casablanca bis Fès. In diesem Moment verlor Ronaldo de Assis Moreira, genannt Ronaldinho: seine Schuhe.

Ronaldinho, 34, stand auf dem Rasen des Stade de Marrakech, umringt von Spielern des Raja Club Athletic de Casablanca, die ihn streichelten, küssten, ihm gefühlsberauschte Dinge ins Ohr sagten. Vivien Mabide, ein Mittelfeldspieler aus der Zentralafrikanischen Republik, schien sich regelrecht an Ronaldinhos Wange festgesaugt zu haben.

Und dann gingen sie plötzlich alle vor ihm auf die Knie, Mabide, Deo Kanda, Badr Kachani. Sie schnürten Ronaldinhos Schuhe auf und brachten sie an sich, wie sie zuvor schon dieses Spiel an sich gebracht hatten, das Halbfinale zwischen Raja Casablanca und Atlético Mineiro, Überraschungsergebnis: 3:1. Dann ließen sie ihr Idol in weißen Strümpfen auf dem Rasen zurück.

Ronaldinho, der Weltfußballer, Weltmeister, Champions-League-Sieger von einst, ließ es über sich ergehen. "Völlig schockiert", wie er hinterher stotterte, wobei es noch am wenigsten wehtat, dass sich seine Schuhe verabschiedet hatten. Der Trainer, Alexi Stival, genannt Cuca, war am nächsten Tag auch schon nicht mehr da, dabei muss Mineiro, der Gewinner der Copa Libertadores, also der südamerikanischen Champions League, noch mal spielen bei dieser Klub-WM. Am Samstagnachmittag. Um Platz drei. Aber "Cuca ist weg", bestätigte Alexandre Kalil am Tag danach, der Präsident. Cucas Abschiedsworte: "Es war heute nicht, wie ich es erwartet hatte."

Schuhe weg, Trainer weg, und auch der alte Ronaldinho sah jetzt aus wie einer, der gerade seinen Abschied gibt. Nur die Zehntausend brasilianischen Fans, die aus Belo Horizonte in Brasiliens Südosten extra nach Nordafrika geflogen waren, die sind alle noch da. Am Samstagabend können sie sich Raja gegen den FC Bayern live im Stadion anschauen. Das Finale.

Guardiola: "Die bessere Mannschaft hat gewonnen"

Was ist da in Marrakesch am Mittwochabend passiert? "Der Meister Amerikas, Herr einer Gruppe mit großen Spielern auf dem Niveau der Seleção, geht gegen den größten Außenseiter in der Geschichte des Turniers unter" - so sah es die in Belo Horizonte erscheinende Tageszeitung O Tempo. Und zumindest, was die Kicker aus dem Bundesstaat Minas Gerais angeht, stimmte die Analyse: 54 Spiele war Atlético im Jahr 2013 ungeschlagen geblieben, brasilianischer Rekord. Im Kader finden sich neben dem alternden Künstler Ronaldinho ein paar Schwergewichte, etwa Torwart Victor, Stürmer Jô oder Kapitän Réver.

Aber dass Casablanca bloß der Streichkandidat sein würde - "haben Sie das wirklich geglaubt?", fragte hinterher Faouzi Benzarti, der neue Cheftrainer. "Raja ist nicht irgendein Team. Wir haben Fähigkeiten." Ja, sie mussten den mühsamsten Weg gehen durch diese Klub-WM, mussten in einem Playoff-Spiel gegen den Ozeanien-Vertreter Auckland City bestehen (2:1) und dann den Nord- und Mittelamerika-Champion CF Monterrey aus Mexiko schlagen (2:1 n.V.). Ja, sie waren als Meister der heimischen Liga "Botola" der einzige Teilnehmer ohne aktuellen Champions-League- Titel.

Und ja, bisher erst ein Mal stand eine Mannschaft aus Afrika im Finale dieses Turniers: Für Tout Puissant Mazembe aus Kongo gab es im Jahr 2010 ein 0:3 gegen Inter Mailand. Aber in Afrika hat Raja schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: Champions League, CAF Cup, African Super Cup, Afro-Asian Cup, Arab Cup, elfmal die marokkanische Meisterschaft. Im Fifa-Ranking ist der Klub das drittbeste afrikanische Team des 21. Jahrhunderts.

Und wer Raja am Mittwoch spielen gesehen hat - präzise Pass-Stafetten, blitzschnelles Umschalten, "ruhig, aber voller Enthusiasmus", wie Benzarti hinterher lobte -, der fand diesen Finaleinzug geradezu zwangsläufig. Mouhssine Iajour brachte die Marokkaner in Führung (51.), das Stadion tobte, den Ausgleich durch einen Ronaldinho-Freistoß (64.) steckten die Marokkaner ungerührt weg. Mohsine Moutaouali (84./Elfmeter) und Schudieb Mabide (90.+4) stellten den Coup am Ende sicher.

"Die bessere Mannschaft hat gewonnen", berichtete Pep Guardiola aus dem Stadion. Aber das hatten seine Spieler auch gesehen: in einem Saal des Teamhotels, gemeinsam mit euphorisierten Angestellten. Für Marokko hat die bis dahin zwiespältig aufgenommene Klub-WM am Mittwoch noch einmal neu begonnen. Und die Bayern durften es durchaus als Bedrohung verstehen, als Raja-Coach Benzarti in der Nacht der entwendeten Schuhe ankündigte: "Wir wollen für die Menschen in Marokko die Quelle der Fröhlichkeit sein!"

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