Bayern-Gegner Manchester City:Die Logik des Klassenkampfes

Das schwer aufgerüstete Manchester City hat in der englischen Premier League inzwischen auch zähe, kleine Siege im Programm. Doch wenn die Mannschaft morgen gegen Bayern München in der Champions League gewinnen will, muss sie sich erheblich steigern.

Raphael Honigstein, London

Roberto Mancini wurde wegen seiner vorsichtigen Taktik in der Vorsaison regelmäßig als Catenaccio-Trainer verschrien, doch die Zeiten haben sich geändert in dem vor Offensivkraft berstenden Etihad-Stadion. Nun sind es die Gegner, die vor lauter Not längst überkommene Stilmittel aus der Serie A bemühen. "Der FC Everton hat David Silva heute 90 Minuten lang manngedeckt", wunderte sich Mancini, "in Italien haben wir vor 20 Jahren so gespielt."

Bayern-Gegner Manchester City: Tat manchmal weh, gegen den FC Everton zu spielen: Samir Nasri von Manchester City.

Tat manchmal weh, gegen den FC Everton zu spielen: Samir Nasri von Manchester City.

(Foto: AP)

Nicht nur der unablässig belästigte Spanier Silva, sondern die ganze Manchester-City-Mannschaft fand am Samstagmittag über eine Stunde lang weder Raum noch Inspiration. Die Everton-Profis, genannt die Toffees (Karamelbonbons), verklebten ihren Strafraum gekonnt mit bis zu zehn Mann; die teuren Künstler wurden zu banalen Distanzschüssen genötigt.

Die schamlos destruktive Ausrichtung von David Moyes' Elf auf dem Platz folgte der Logik des Klassenkampfes. Manchester City gegen Everton, das ist eines der ungleicheren Duelle in der Premier League: Hier die mit Öl-Millionen aus Abu Dhabi aufgepumpte, globale Großmacht der Zukunft, dort der hoch verschuldete, von einem örtlichen Showbusiness-Impressario (Bill Kenwright) mehr schlecht als recht geführte Spitzenklub von Vorvorgestern.

Mit purer Hingabe und Akkordarbeit in der eigenen Hälfte war es der hemdsärmeligen Truppe irgendwie gelungen, City zuletzt viermal in Serie auswärts zu besiegen, doch Mancinis Elf hatte dieses Mal neben der nötigen Geduld auch jenes Glück, auf das Meisterschaftskandidaten zählen können: Everton-Verteidiger Phil Jagielka fälschte den Schuss des eingewechselten Mario Balotelli ins eigene Tor ab (68.).

Der Italiener sprang darauf vor Freude seinem Trainer Mancini in die Arme, das war eine Sensation. "Balo", wie sie den launischen Stürmer rufen, feiert Tore ja gemeinhin "wie ein Mann, dessen Auto soeben nicht durch den TÜV gekommen ist" (Sunday Telegraph).

In der vorletzten Minute entkam Silva seinem Peiniger Jack Rodwell dann doch noch und bereitete das 2:0 durch den ebenfalls eingewechselten James Milner mit wunderschönem Steilpass vor.

Carlos Tévez missmutig auf der Bank

Die glanzlose Vorstellung reichte für den fünften Erfolg im sechsten Liga-Spiel und den zweiten Platz in der Tabelle hinter dem nur drei Tore besseren Rekordmeister Manchester United. Derart zähe, kleine Siege hatte das seit 2008 alle sechs Monate radikal neu ausgerichtete City in den vergangenen Spielzeiten selten im Programm.

Damit Mancinis vollmundige Ankündigung nach dem 1:1 gegen Neapel zum Champions-League-Auftakt ("Dann gewinnen wir eben in München") wahr wird, müssen sich die Hellblauen jedoch erheblich steigern. Dem englischen Nationalspieler Milner ist nicht entgangen, dass der FC Bayern derzeit "mit enormem Selbstvertrauen" spielt und den schwierigen Test in Villarreal (2:0) "mit fliegenden Fahnen bestanden" hat.

Zumindest von Balotelli, dem von Milner als "verrückt, aber extrem talentiert" eingeschätzten Matchwinner, droht der Elf von Jupp Heynckes am Dienstag keine Gefahr; der 21-Jährige ist wegen einer roten Karte in der Europa League aus der vergangenen Saison gesperrt.

Sein Einsatz gegen Everton hatte abgesehen von der schwachen Leistung des ausgewechselten Edin Dzeko auch kabinenpolitische Beweggründe. "Marios Verhalten ist mittelprächtig, aber er hat im Training hart gearbeitet und die Chance verdient", sagte Mancini. Gleiches gilt offenbar nicht für Carlos Tévez. Der abwanderungswillige Argentinier saß 90 Minuten missmutig auf der Bank.

"Es gibt keine neue Verletzten", berichtete Mancini, der in München fast zwangsläufig an der neuen Angriffsstrategie festhalten wird. Ohne den beinharten Chef-Abräumer Nigel de Jong (Fußprellung) im Mittelfeld fehlen dem italienischen Trainer momentan schlichtweg die Mittel, um alte Fußballklischees zu bedienen.

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