Im Sommer ging nun auch Emery, zu Spartak Moskau. Man wähnte sich wieder am Abgrund. Ersetzt wurde er durch den Argentinier Mauricio Pellegrino. Der hatte zuvor zwar noch nie eine erste Mannschaft trainiert, war aber bei Valencias jüngsten Triumphen als Spieler dabei, als großgewachsener Innenverteidiger. Er weiß, wie's geht, aus der Erfahrung wenigstens. Zehn Jahre ist es her. Trainer war Rafa Benítez, den sie seitdem in Valencia wie einen Heilsbringer verehren. Man gewann zwei Meisterschaften (2002 und 2004), den Uefa-Cup und den europäischen Supercup (2004). Man war wer, nicht mehr nur die Nummer drei, auch mal die Nummer eins. Es war die Zeit, da man in Valencia glaubte, man müsse ein Stadion bauen.
Pellegrino bekam nun eine Mannschaft, in der zehn Spieler aus acht Nationalteams vertreten sind: aus Süd- und Zentralamerika, aus Afrika, aus Europa. Kein Verein Spaniens hat mehr internationales Personal. Die Sportzeitungen nennen den FC Valencia auch die "Vereinten Nationen des nationalen Fußballs". Ganz große Namen sind nicht dabei. Zu den Prominenteren zählt der Paraguayer Nelson Valdez, früher mal bei Werder Bremen und Borussia Dortmund, der kurz vor Ablauf der Transferfrist vom russischen Verein Rubin Kasan zu Valencia stieß.
Neu ist auch der Argentinier Fernando Gago, ehemals Real Madrid, der wegen einer Verletzung aber gerade pausieren muss. Im offensiven Mittelfeld fällt dafür immer wieder ein robuster, international kaum bekannter Franzose mit algerischen Wurzeln auf, Sofiane Feghouli, der mit schnellen Tempowechseln das Spiel weit aufreißen kann. Im Tor steht der Brasilianer Diego Alves, von dem man glaubt, er habe das Potenzial, seinem Land bei der Heim-WM 2014 dienen zu können.
Der unumstrittene Chef der "Ches", ihr Kapitän auch, ist ein Spanier mit leiser Stimme und schüchternem Gemüt, ein gebürtiger Valenciano: Roberto Soldado, 27, Mittelstürmer. Über ihn sollen sich die Fans mit dem Klub identifizieren. Und es schadet nicht, dass der junge Mann als vorbildlich gilt, als erdiger Zeitgenosse. Die Umkleidekabine verlässt Soldado immer als Letzter, kaum eine gemeinnützige Veranstaltung muss ohne ihn auskommen. Vor allem aber schießt er Tore, viele Tore, im vergangenen Jahr waren es 17. Kein Spanier erzielte mehr Meisterschaftstore als Soldado. In der Nationalmannschaft gelang ihm unlängst der einzige, erlösende Treffer gegen jene Georgier, die den Weltmeistern die Qualifikation zur Titelverteidigung 2014 zumauern wollten.
Soeben wurde Soldados Vertrag bis 2017 verlängert, obwohl es appetitlichere Angebote von finanziell potenteren Klubs gegeben haben soll, von Paris Saint-Germain etwa. Obwohl es Ende 2012 wirtschaftlich wieder eng werden könnte. Obwohl man dann die Millionen für den hauseigenen Helden vielleicht braucht, um Schulden zu tilgen. Und die Zinsen der Schulden. Um zu überleben. Von Soldado erwartet man, dass er das Wunder wieder wahr macht, das trotzige Wunder des Erfolgs. "Nummer drei" in Spanien wäre wieder genehm in diesen schwierigen Zeiten, immerhin Primus unter den Provinziellen, und ein bisschen was in Europa.