Bayern gegen Porto:Guardiolas Kunst, ein großes Spiel kleinzureden

  • Pep Guardiola versucht, dem Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Porto die riesige Bedeutung nehmen. Das Hinspiel hatte sein FC Bayern mit 1:3 verloren.
  • Guardiola schwärmt angesichts der Verletzungsmisere: "Diese Spieler werden immer meine Helden sein. Für den Rest meines Lebens."
  • Zur Taktik sagt Thomas Müller: "Wir dürfen nicht Kamikaze nach vorne rennen."

Von Thomas Hummel

Pep Guardiola wählte für seinen öffentlichen Auftritt vor dem Rückspiel gegen Porto ein schwarzes T-Shirt, darauf stand ein Hashtag: #JusticiaParaTopo - Gerechtigkeit für Topo. Der argentinische Journalist Jorge "Topo" López war während der Weltmeisterschaft in Brasilien bei einer Autokollision ums Leben gekommen. Eine Gruppe Krimineller war in einem gestohlenen Wagen vor der Polizei geflüchtet und hatte den Zusammenstoß verursacht. Die Familie von López kämpft darum, dass sein Tod nicht wie bislang als Unfall, sondern als Mord behandelt wird.

Da die meisten Anwesenden nicht gleich etwas mit dem Hashtag anfangen konnten, ging es weiter um Fußball. Aber die Botschaft Guardiolas war klar: Es gibt Wichtigeres als ein Champions-League-Viertelfinale. Selbst wenn man das Hinspiel 1:3 verloren hat. Sogar beim FC Bayern.

Der Klub steht vor einem Spiel, dass darüber entscheiden könnte, ob diese Saison eine gute oder schlechte war. Meisterschaft? Klar. DFB-Pokal? Schön und gut. Aber ein Aus in der Champions-League gegen den kleinen FC Porto? Im Viertelfinale?

"Jeder weiß, was das Spiel auf die nächsten Wochen für Auswirkungen hat, auf die Stimmung. Die wäre natürlich bei einem Halbfinal-Einzug wesentlich besser", erklärte Angreifer Thomas Müller. Und Thomas Müller kennt seinen Verein.

Guardiola wählt den Weg, dieses Spiel nur nicht zu groß werden zu lassen. Und er ist gut darin, ein großes Spiel kleinzureden. Am Ende soll das Umfeld eher an die große Tat denken als an das große Versagen. Seine Spieler sollen am Dienstagabend nicht mit einer großen Last auf den Schultern das Spielfeld betreten. Sondern möglichst frei und optimistisch den Portugiesen mindestens drei Tore einschenken.

Dabei war das T-Shirt nur eine Geste, eine humane zudem. Nach dem Sieg in Hoffenheim hielt er in der Kabine eine Ansprache an seine Profis. "Ich habe gesagt, wie stolz ich auf sie bin. Egal, was morgen passiert", berichtete Guardiola. Angesichts der vielen Verletzten (Robben, Ribéry, Alaba, Schweinsteiger, Martínez, Benatia) werde er die vergangenen Wochen nie vergessen. "Diese Spieler werden immer meine Helden sein. Für den Rest meines Lebens."

Er betonte, dass die Mannschaft bereits am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC Deutscher Meister werden kann (sofern Wolfsburg am Sonntag in Gladbach nicht gewinnt) und dass nur noch ein Heimsieg gegen Borussia Dortmund fehlt, um wieder das DFB-Pokal-Finale zu erreichen. Aber er wisse auch, in welchem Verein er sei. Das alles sei nicht genug, "nur das Triple ist genug". Er zuckte dabei mit den Schultern und blickte fast fröhlich in die Runde. Nach dem Motto: Er könne daran auch nichts ändern.

Ob dies Guardiolas schwierigste Woche in München sei? "Nein."

Ob wegen des Rücktrittes von Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt zu viel Unruhe im Verein sei? "Nein." Ob dies seine schwierigste Woche in München sei? "Nein." Guardiola wirkte aufgeweckt, gut gelaunt. Natürlich seien die Fehler in Porto schade gewesen, aber man müsse sie akzeptieren. "Die Leute denken: Wir können doch nicht diese Fehler machen! Warum nicht?" Seine Spieler hätten Druck von Porto bekommen, den Ball nicht richtig kontrolliert - das sei alles gewesen.

Zwischen all den Ist-doch-nicht-so-wichtig-Argumenten streute Guardiola das Versprechen ein, mit seiner Mannschaft alles zu versuchen, das Ergebnis noch zu drehen. Dem Rumpfkader sprach er sein Vertrauen aus, trotz des 1:3 im Hinspiel noch das Halbfinale zu erreichen.

Dabei hat sein Klub keine guten Erfahrungen mit Zwei-Tore-Rückständen, noch nie schaffte es der FC Bayern, nach einer solchen Niederlage zu Hause noch weiterzukommen. Nach Thomas Müller werden es die Münchner nicht mit Hurra-Fußball versuchen. "Was uns nicht passieren darf, ist, dass wir überdreht ins Spiel gehen und dann ein paar Konter kriegen. Wir dürfen nicht Kamikaze nach vorne rennen."

Ob einer der Verletzten dabei doch zurückkehren kann für dieses große, kleine Spiel? Bastian Schweinsteiger zum Beispiel, der sich am Sonntag noch auf Fußballtennis beschränken musste, aber am Montag wohl erstmals ins Mannschaftstraining einsteigt? Oder Franck Ribéry, der seit Wochen mit einer mysteriösen Knöchelverletzung verschwunden ist, und wegen dessen Genesung es auch Ärger mit Müller-Wohlfahrt gegeben hat?

Guardiola rechnet nicht damit. Aber "heute werde ich mit dem Arzt sprechen", sagte er. Mit Müller-Wohlfahrt, zu dem offenbar einige Spieler an diesem Wochenende zur Behandlung gefahren sind? "Ich spreche mit unserem Arzt, der an der Säbener Straße ist." Mit Nachfolger Volker Braun also. Ob der sich die Expertise aus der Innenstadt einholt?

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