Süddeutsche Zeitung

Bayern gegen Barcelona in der Champions League:Vier Jahre nach Klinsmann

Lesezeit: 3 min

Die Halbfinal-Paarungen in der Champions League stehen fest, und Erinnerungen werden wach - an das 0:4 des FC Bayern 2009 in Barcelona. Doch aus der chancenlosen Klinsmann-Reisegruppe sind ganz andere Bayern geworden. Vielleicht nicht der schlechteste Zeitpunkt, sich mal wieder mit Messi & Co. zu messen.

Von Claudio Catuogno

Butt im Tor! Statt Rensing! Mit dieser Rochade hatte Jürgen Klinsmann alle überrascht im April 2009, als der FC Bayern das letzte Mal beim FC Barcelona antrat. Das 0:4 gegen die Katalanen um den damals 21-jährigen Lionel Messi, das Hans-Jörg Butt so wenig verhindert konnte wie es Michael Rensing verhindert hätte, wurde die höchste Champions-League-Klatsche der Bayern. Und ein Wendepunkt: Weil es der Erkenntnis zum Durchbruch verhalf, dass sie in München einen anderen Trainer brauchen als den Projektleiter Klinsmann. Und frisches Personal.

Wer die Aufstellung von damals noch einmal rauskramt (Butt - Oddo, Demichelis, Breno, Lell - Altintop (46. Ottl), van Bommel, Zé Roberto (77. Sosa) - Schweinsteiger, Ribéry - Toni), dem stellt sich unweigerlich die Frage, ob das wirklich erst vier Jahre her ist. Aus dieser letzten Zuckung des Lell-Ottl-FC-Bayern haben sie jedenfalls ein paar richtige Schlüsse gezogen in München. Aus der chancenlosen Klinsmann-Reisegruppe sind jene Bayern geworden, die für den defensiven Mittelfeldspieler Javier Martínez 40 Millionen Euro ausgaben. Und die, so schließt sich der Kreis, bald von Pep Guardiola betreut werden, dem Barça-Trainer von einst.

Frühjahr 2013, vielleicht nicht der schlechteste Zeitpunkt, sich mal wieder mit dem FC Barcelona zu messen.

Vier Kugeln waren im Topf, als Ruud van Nistelrooy am Freitag in Nyon die Halbfinal-Paarungen der Champions League zog. Bayern, Barcelona, Dortmund, Real. Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte sich explizit die Dortmunder als Gegner gewünscht, denn: "Die sind schlagbar." Nicht nur BVB-Vorstandschef Hans-Joachim Watzke war dann allerdings sehr zufrieden, dass es zum deutsch-deutschen Duell im Halbfinale nicht kommen wird. Stattdessen treffen die Bayern, vier Jahre nach Klinsmann, mal wieder auf Barcelona. Dortmund bekommt es mit Real Madrid zu tun. Zweimal Deutschland gegen Spanien also, beide Male mit dem Vorteil für die Südeuropäer, das Rückspiel zu Hause auszutragen. Erstmals stehen zwei deutsche Klubs im Halbfinale, das war die Fußball-Nachricht dieser Woche gewesen. Nun ist klar, dass auch zwei deutsche Klubs im Endspiel stehen könnten. Oder keiner.

In Dortmund müssen sie keine vier Jahre zurückgehen, um sich an das letzte Kräftemessen mit Real Madrid zu erinnern. Der Klub aus der spanischen Hauptstadt war (neben Manchester City und Ajax Amsterdam) einer der drei Landesmeister, gegen die der BVB seine Vorrundengruppe als Erster abgeschlossen hatte. Von allen möglichen Gegnern sei Real "der einzige, den wir in dieser Saison schon einmal geschlagen haben", freute sich daher BVB-Coach Jürgen Klopp. Nach dem 2:1 zuhause trotzten die Dortmunder dem Team um Cristiano Ronaldo, Mesut Özil und Sami Khedira im Rückspiel im Oktober 2012 ein 2:2 ab, da werde Real nun sicher "keine Angst, aber Respekt haben", glaubt Klopp.

Ohnehin trauen sie sich nach ihrem Nachspielzeit-Krimi (zwei Tore in 100 Sekunden) inzwischen alles zu beim BVB, die Wendung gegen den FC Málaga hänge "noch nach, wir haben alle noch eine Menge Euphorie drin", sagt Kapitän Sebastian Kehl. Und: "Wir sind überzeugt, dass wir Real packen können". Definitiv können die Dortmunder die beiden Spiele ohne die Last allzu großer Erwartungen angehen.

Das ist bei den Bayern ein bisschen anders: Zwei Finalteilnahmen (zwei Niederlagen) in drei Jahren und die schon am 28. Spieltag gesicherte Rekord-Meisterschaf setzen hier den Erwartungsrahmen. Die Dortmunder Saison kann in der Champions League einen sensationellen Ausschlag nach oben nehmen - die der Münchner würde sich wohl schal anfühlen, sollte am Ende zum Meistertitel kein weiterer Pokal dazukommen. Und auch für den Trainer Jupp Heynckes geht es um viel: Er will ja gerade allen beweisen, dass die Bayern ruhig auch mit ihm hätten weitermachen können, trotz seiner bald 68 Jahre. Vielleicht war Heynckes am Freitag auch deshalb so ungehalten, als ihn auf der Pressekonferenz jemand auf Guardiola ansprach.

Den werde er doch sicher anrufen und um ein paar Tipps bitten? "Respektieren Sie mich und meine Arbeit" entgegnete Heynckes, "ich habe noch nie jemanden konsultiert, um mir Rat zu holen. Ich brauche niemanden, um einen anderen Gegner zu studieren." Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge assistierte ("Jupp kennt Barcelona"), auch Sportchef Matthias Sammer sprang dem Trainer zur Seite: Guardiola habe Barcelona "ja auch noch nie geschlagen".

Und weil die Debatte schon mal lief, musste auch Jürgen Klopp noch was dazu sagen, nämlich dass er seinen "Arsch verwetten würde, dass die Herren Sammer und Guardiola sehr wohl sprechen". Muss man fürchten, dass Klopp sich bald einen neuen Allerwertesten transplantieren lassen muss? Spannende Frage.

In welcher Verfassung der FC Barcelona in dieses Halbfinale zieht, ist allerdings eine noch etwas spannendere Frage. Seit Jahren gilt der Klub als stilbildend im Weltfußball, doch seit einigen Wochen wirkt Barça ausgelaugt, das legendäre Kurzpassspiel kreiselt um sich selbst. Im Achtelfinale schoss Barça im Hinspiel beim AC Mailand (0:2) nie aufs Tor, erreichte mit einem Kraftakt (4:0) dennoch das Viertelfinale.

Gegen Paris Saint-Germain (2:2, 1:1) bedurfte es dort am Mittwoch der Einwechslung des angeschlagenen Lionel Messi - weniger seine Kunst als seine Aura bogen das Spiel noch um. Gegen die Bayern werde Messi nach seinen Oberschenkelproblemen wieder von Beginn an spielen können, heißt es. Aber in welcher Form?

Die Bayern gelten diesmal fast schon als Favorit - gegen Barcelona! Das ist die Ausgangslage. Und das ist die Fallhöhe.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2013
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