Bayern gegen 1860:Trinker, Klopper, Fußballgötter

Als Brunnenmeier mit dem Porsche ausbüxte und Rummenigge durchdrehte - eine Reminiszenz an denkwürdige Derby-Momente

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Am Mittwoch findet das 204. Duell zwischen dem FC Bayern München und dem TSV 1860 München statt: Ab 20.30 Uhr geht es in der Arena um den Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale. Die Geschichte des Münchner Derbys begann Anfang des vergangenen Jahrhunderts. In den zwanziger Jahren entwickelten sich die Derbys zu großen Zuschauermagneten. Mal waren die Roten die Nummer eins in München, mal die Blauen. Ein Rückblick auf denkwürdige Derby-Momente.

Rot für Danzberg, Brunnenmeiers Flucht, Merkels Rache

Schon vor dem ersten Bundesliga-Derby am 14. August 1965 ereignete sich Kurioses, wie der Kult-Löwe Rudi Brunnenmeier später verriet: "Als der Pitter (Bayern-Stopper Danzberg; d.Red.) am Montag vor dem Spiel auf einmal in unserer Stammkneipe, der Zwickmühle auftauchte, haben wir ihn furchtbar in die Mangel genommen. Dass der Konietzka mit ihm machen würde, was er wollte, haben wir gesagt, dass er 90 Minuten lang keinen Ball sehen würde. Wir haben den Danzberg gereizt bis zur Weißglut, und im Derby hat sich ja rausgestellt, dass es gewirkt hat.'' Allerdings...

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Bereits in der ersten Minute schoss Timo Konietzka (im Bild rechts, noch im Dortmunder Trikot) den Siegtreffer, ihm war das schnellste Derbytor geglückt, bis heute hat der Rekord Gültigkeit. Im Spiel bekam Danzberg einen Schuss ins Gesicht, aber das war noch nicht das Schlimmste. Wegen eines angeblichen Tritts in das Gesicht von Konietzka flog Danzberg, der arme Kerl, mit Rot vom Platz. Die Nachgeschichte war auch nicht übel. Anstatt das 1:0 zu feiern, ...

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... mussten die Sechziger auf Geheiß ihres Trainers Max Merkel (Bild) ins Mannschaftshotel nach Pöcking zurück. Um 22 Uhr sollte jeder aufs Zimmer, "wir waren stocksauer'', erzählte Brunnenmeier, der die Kasernierung nicht mitmachte. Mit seinem Spezi Hennes Küppers leerte er zwei Pullen Sekt, dann seilten sie sich mit einem Laken aus dem Fenster ab und büxten aus. Um keinen Lärm zu machen, schoben die beiden Brunnenmeiers Porsche weit genug weg, dann düsten sie in die Disko Charly in Herrsching, zwecks Sause. Merkel bekam das spitz und rächte sich auf seine Weise. Er lud die zwei abends zu sich ein, zusammen leerte man sechs Liter Wein. Tags darauf ließ Merkel zum Konditionstraining bitten. Als Brunnenmeier und Küppers schlappmachten, maulte Merkel vor der ganzen Mannschaft: "Saufa kennan's wia di Ochs'n, aber net g'scheit trainier'n.'' Eine gelungene Rache.

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Bründl entzaubert Beckenbauer

Es ist wahr: Franz Beckenbauer hat auch mal schlecht gespielt. Selten aber hat er so schlecht ausgesehen wie im Derby am 30. März 1968. Die Löwen siegten, obwohl als 13. der Tabelle als Außenseiter gegen die Zweitplatzierten Bayern gehandelt, mit 3:2. ,,Wir haben heute wie Amateure gespielt'', schimpfte FCB-Trainer Tschik Cajkovski (Foto). Allen voran Beckenbauer. Der ließ sich von Ludwig Bründl schwindlig spielen, wie es kaum einem anderen Angreifer je gelingen sollte. Zur Krönung gelang Bründl gar das 3:0.

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Rummenigges Watschn und ein 3:1

Den 12. November 1977 muss jeder Löwen-Fan kennen. Nach acht Jahren Pause trafen 1860, nach turbulenten Jahren wieder erstklassig, und Bayern in der Bundesliga aufeinander. Sechzig war so grottenschlecht, dass das Team nach 14 Spieltagen Letzter war - ohne einen einzigen Sieg. Bayern war auch nicht viel besser als 14., aber Favorit, klar. Karl-Heinz Rummenigge (im Bild bei einem Nostalgie-Derby 30 Jahre später), heute Bayern-Vorsitzender, schoss das 1:0 (33.), später erlebte er seinen bekannten Blackout. Zunächst aber hielt TSV-Trainer Heinz Lucas in der Pause eine Brüllrede, die wirkte. Herbert Scheller traf sofort nach dem Wiederanpfiff aus 20 Metern, Alfred Kohlhäufl legte nach, aus 35 Metern (85.). In der Schlussminute folgte schließlich jene Szene, mit der man immer noch Rummenigge ärgern kann. Nachdem Rummenigge Beppo Hofeditz umgestoßen hatte, gab es Elfmeter für 1860. Als Hofeditz aufstand, tickte Rummenigge aus und verpasste ihm eine filmreife Ohrfeige. Rot! Unvergessen, wie Rummenigge ungläubig ins Leere starrte und die Hände in die Hüften stemmte. In der Kabine soll Rummenigge gar geweint und gesagt haben: "Ich habe durchgedreht." Seine Frau Martina rechtfertigte die legendäre Watschn so: "Hofeditz hatte meinen Mann ein rotes Schwein genannt." Damals wirkten solche Provokationen eben noch. Das Rückspiel endete unspektakulär 1:1, 1860 stieg letztlich ab, Bayern wurde Zwölfter.

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Trapattonis Entschuldigung

Über ein Jahrzehnt hatte 1860 gebraucht, um - nach Irrwegen bis hinab in die Bayernliga - wieder in der Bundesliga vertreten zu sein. In der Saison 1994/95 gehörten sie endlich dazu, die beiden Derbys boten trotz des am Ende geschafften Klassenerhalts aber keine Erfolgserlebnisse. Beim Hinspiel am 21. September 1994 siegte Bayern verdient 3:1 in einem knochenharten Spiel. Sechzig büßte zwei Profis mit Platzverweisen ein, Manni Schwabl wegen Foulspiels, Bernhard Winkler hatte den Linienrichter "einen Blinden" genannt, so die offizielle Version. Bei Bayern flog Christian Nerlinger vom Platz. Das Rückspiel gewann der FCB mit 1:0, war aber spielerisch klar die unterlegene Mannschaft. "Ich bitte 1860 um Entschuldigung, aber so ist halt Fußball", sagte Giovanni Trapattoni. Sogar dem Bayern-Trainer war der glückliche Erfolg peinlich.

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Überhebliche Löwen, erhabener Jancker

Der 4. Mai 1997 war der Tag, an dem sich der glatzköpfige Stürmer Carsten Jancker, mittlerweile beim SV Mattersburg in Österreich tätig, in die Münchner Derbygeschichte eintrug. Das, was man rückblickend ein Wunder nannte, ereignete sich in der 88. Minute. Jörg Böhme hatte zuvor für 1860 von links mit dem linken Außenrist ins Tor getroffen, "sowas habe ich überhaupt noch nie gesehen", sagte Bayern-Torwart Oliver Kahn, "das geht normal gar nicht." Elf Löwen führten also 3:2 gegen neun Bayern, Lothar Matthäus und Christian Ziege hatten gelb-rote Karten erhalten. Dann kam Jancker. Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni hatte ihn eingewechselt und Jürgen Klinsmann zum Duschen geschickt, ohne Rücksicht darauf, dass der sich wieder einmal gedemütigt fühlte. Jancker kam, setzte sich gegen drei Sechziger durch und traf. 3:3. Nach dem Schlusspfiff baute er sich am Mittelkreis auf und ging in Pose für einen Fan, der diesen Moment für die Fotosammlung bewahren wollte: die Hände in die Seite gepresst, Kinn gen Himmel, Blick erhaben ins Irgendwo. "Ich glaube nicht, dass das nur Dummheit war, dass wir nicht gewonnen haben", zeterte währenddessen Sechzig-Präsident Karl-Heinz Wildmoser mit rotem Kopf, "da war Überheblichkeit dabei." Überheblichkeit - bei 1860 gegen Bayern? Lang ist's her.

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Stoiber ist geschockt, Beckenbauer hat keine Ahnung

Am 1. November 1997 war wieder einmal großes Theater im Olympiastadion angesetzt, und die Liebhaber einer gepfefferten Aufführung konnten nicht klagen: je zwei Tore für beide Teams, Handgreiflichkeiten und Schuldzuweisungen mit nahezu komischem Inhalt. Ministerpräsident Edmund Stoiber zeigte sich "geschockt über die Emotionen". Erst Mario Basler (im Bild, links) auf dem Platz, was fast in einer Schlägerei geendet hätte, und später Bayern-Manager Uli Hoeneß warfen Löwen-Trainer Werner Lorant vor, die Rote Karte für Sammy Kuffour provoziert zu haben. Lorant hingegen wollte nur aus Sorge um seinen am Boden liegenden Spieler aufgesprungen sein und überließ seinem Assistenten Peter Pacult (Hoeneß: "der alte Stichler") die Fortsetzung des Scharmützels. "Es seids ja so arrogant", rief der Wiener fröhlich durch die offene Tür der Bayern-Kabine. Nur gut, dass Hoeneß den Raum da schon verlassen hatte. Jedenfalls hatte der verbale Nachschlag das Wesentliche in den Hintergrund gedrängt. Denn über das eigene Spiel sprach bei den Bayern kaum einer. Außer Franz Beckenbauer. "Das war kein Lokalderby, das war Obergiesing gegen Untergiesing", lästerte der Präsident. Abteilungsleiter Schilcher vom damaligen Giesinger A-Klassen-Klub SC 1906, Beckenbauers erstem Verein, erklärte daraufhin: "Der Franz hat keine Ahnung vom Giesinger Fußball."

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Franz Nostradamus

Gelegentlich kommt es im Profifußball vor, dass das Rahmenprogramm spannender ist als das Spiel selbst. So auch beim Derby am 7. November 1998. 1:1 ging es aus, abgehakt und vergessen. Aber der Auftritt Franz Beckenbauers in der Pause ist ein Monument der Derby-Zeitrechnung: Beckenbauer wurde das 20.000. Mitglied bei 1860. Später, vor dem nächsten Derby, ließ er wieder einen dieser Beckenbauerschen Sätze raus, die wie Naturgesetze klingen: "Wenn 1860 diesmal nicht gewinnt, dann gewinnen sie in den nächsten hundert Jahren nicht." Eine prophetische Weissagung?

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Ein Fußballgott wird geboren

Nein. Es war keine Weissagung, sondern kaiserlicher Schmarrn. So ähnlich wie nach der Wende, als er sprach, zusammen mit den Ost-Profis sei die deutsche Nationalelf auf Jahre hinaus unbesiegbar. Bereits am 27. November 1999 wurde Beckenbauers Vision ad absurdum geführt. Thomas Riedl, Sohn des ehemaligen Profis Hannes Riedl, gerade mal 1,74 Meter groß und bis dato mehr Talent denn gestandener Profi, hämmerte im Olympiastadion den Ball stangengerade in der 85. Minute an Oliver Kahn vorbei ins Tor. In diesem Moment wurde Thomas Riedl Fußballgott geboren. So nennen ihn heute noch die Löwen-Fans, die ihn sofort auf den Schultern über den Marienplatz tragen würden, wenn er mal wieder in München vorbeischauen würde. Dieser Kult ist verständlich: 1977 war das davor letzte Mal, als 1860 gegen Bayern gewonnen hatte, Helmut Schmidt war da noch Kanzler. Uli Hoeneß brachte Bayerns Befindlichkeit so auf den Punkt: "Heute waren wir schwach - fertig, aus, amen - basta!'' 1860-Trainer Werner Lorant saß übrigens mal wieder eine Strafe ab und verfolgte den Sieg auf der Tribüne, Peter Pacult sprang für den Heißsporn ein. Für Paul Breitner wartete Tage später dagegen eine andere Pein. Er hatte mit einem Bekannten gewettet und auf Bayern gesetzt. Nun musste er als Verlierer zum TSV marschieren, sich ein Trikot für fast 130 Mark kaufen und von Spielern wie Trainern unterschreiben lassen.

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Trikottausch wegen Jeremies

Am 5. April 2000 befand sich Löwen-Libero Ned Zelic auf dem Weg in die Kabine, als ihn ein Balljunge bremste. Der Junge trug einen FC Bayern-Anorak, wie er damals üblich war, mit Opel-Aufdruck hinten drauf. Aber ein anderes Kleidungsstück war ihm lieber: Neds Trikot, das blaue Trikot. Zelic zog das Dress aus und gab es dem Jungen. Der schnappte zu und steckte es rasend schnell unter seinen Anorak. Der beulte sich zwar, als hätte der Junge plötzlich den Bauch von Ottfried Fischer, aber zeigen wollte er die Beute nicht. Schließlich standen viele Bayern-Balljungen um ihn herum. Es war Zeit für einen Kleidungswechsel: Schon zum zweiten Mal in dieser Saison nach dem 0:1 im Hinspiel hatte der FC Bayern das Derby verloren. Jens Jeremies war diesmal schuld, mit einem Eigentor. So ist es überliefert - aber auch Torwart Kahn musste sich das 1:2 ankreiden lassen, schließlich hatte er unnötigerweise so lange mit dem Herauslaufen gezögert, bis Jeremies dem Ball per Kopf den Tick ins eigene Netz gab. ",Ich will niemanden an die Wand stellen'', sagte Kahn, "aber ich werde mit Jerry in aller Ruhe darüber reden.'' Der arme Jeremies freilich konnte für die peinliche Szene weniger als sein Schlussmann. "Darf einer Spitzenmannschaft nicht passieren'', klagte Trainer Ottmar Hitzfeld. Am Ende der Saison wurden die Bayern trotzdem Meister, der TSV 1860 qualifizierte sich als Vierter für den Uefa-Pokal.

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Fünf Sensationstore und Lorants Ende

Würde man Lorant (im Bild schon als Fallschirmspringer) auf die Ereignisse des 13. Oktober 2001 ansprechen, fiele seine Antwort wohl so aus: "Interessiert mich nicht.'' Lorant hat Negativerlebnisse stets verdrängt, und der 13.10.01 war ein ultimatives Negativerlebnis für Lorant. Bierofka hatte zwar früh für Sechzig getroffen, doch die Chronik danach liest sich ungünstig für die Löwen. 1:1 Santa Cruz (29.), 1:2 Fink (44.), 1:3 Salihamidzic (57.), 1:4 Elber (80.), 1:5 Pizarro (86.). Rummenigge sprach von Sensationstoren, Lorant distanzierte sich von seiner Elf und sagte: "Das ist Fußball, den ich nicht kenne.'' In der Woche danach schmiss ihn Präsident Karl-Heinz Wildmoser raus, die Ära des grauhaarigen Unikats war bei Sechzig vorbei.

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Abgestandener Sekt

Nach dem Abstieg der Löwen 2004 folgten nur noch Freundschaftsderbys, in denen Bayern enttäuschte. Das 200. Derby, das Ablösespiel für Andreas Görlitz, gewann Sechzig durch ein Elfmetertor von Karlheinz Pflipsen. Das 201. Derby fand im Rahmen der Eröffnung der Arena am 2. Juni 2005 statt. Paul Agostino entschied die Partie in der 85. Minute. Eine Demütigung erlebten die Bayern im zweiten Derby in der Arena, vom FCB als Abschiedsspiel für Giovane Elber deklariert. Am 8. August 2006 triumphierte der TSV mit 3:0, Antonio Di Salvo (27.) und Nicky Adler (62.und 82.) trafen. Zuletzt im Januar folgte ein 1:1. Es war so prickelnd wie abgestandener Sekt. Höchste Zeit, dass endlich wieder ein Derby für die Geschichtsbücher folgt.

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Texte: Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

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