1:1 gegen Freiburg:Wie ein Ersatzstürmer den FC Bayern düpiert

Bayern München - SC Freiburg

Freiburgs Lucas Höler jubelt nach seinem 1:1 Treffer gegen den FC Bayern München.

(Foto: dpa)
  • Der FC Bayern kassiert gegen den SC Freiburg in der 89. Minute den Ausgleich und verliert in der Tabelle den Anschluss an Borussia Dortmund.
  • Lucas Höler, Freiburgs Torschütze, erklärt danach, wie ihm das Tor gelungen ist.
  • Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic vermisst vor allem Tempo im Spiel seines Teams.

Von Maik Rosner, München

Selbst für all jene, die das Spiel und die vorherigen Arbeitssiege des FC Bayern nicht gesehen hatten, reichten die Aussagen der Protagonisten, um einen Einblick in die Probleme des Meisters zu bekommen. Es genügte sogar, den Freiburgern zu lauschen, um zu verstehen, was die Mannschaft des vergleichsweise kleinen Sport-Clubs vom Starensemble der Münchner unterscheidet. Also mal reinhorchen bei Freiburgs Lucas Höler, der mit seinem Ausgleich in der 89. Minute das leistungsgerechte 1:1 (0:0) beim FC Bayern nach Serge Gnabrys 1:0 (80.) herbeigeführt hatte.

"Mein Platz ist zwischen den beiden Innenverteidigern", hob Höler zu seinem Kurzreferat über seinen klar umrissenen Arbeitsauftrag an. Er habe dann von seiner Position zwischen Jérôme Boateng und Niklas Süle gesehen, dass sein Kollege Christian Günter auf der linken Seite an den Ball gekommen war. "Und dann", erzählte Höler weiter, "ist klar, dass der Ball hinter die Kette kommt." Höler lief ein, weil er ja schon vorher wusste, dass Günter den Ball hinter die Abwehrreihe spielen würde. Und als der Ball dort wie einstudiert ankam, musste Höler nur noch in die Hereingabe rutschen, um den Ball an Nationaltorwart Manuel Neuer vorbei ins Tor zu drücken.

Es war ein Automatismus, ein planvolles und wiederkehrendes Handlungsmuster, das Freiburg den ersten Punkt in München seit 1997 beschert hatte. Boateng gestikulierte nach dem 1:1 in Richtung Süle, und Höler sprach später noch zwei Sätze aus, die die Gemengelage bei den düpierten Münchnern sehr präzise zusammenfassten. Der Ersatzstürmer für den verletzten Nils Petersen sagte: "Die Bayern sind natürlich nicht so, wie man sie kennt. Aber sie haben immer noch sehr gute Einzelspieler." Hinzudenken ließ sich: Aber keine Mannschaft, die Automatismen sowie planvolle und wiederkehrende Handlungsmuster ihr Eigen nennt. Ins Bild fügte sich Gnabrys erstes Tor im Bayern-Trikot, das er mit einem Dribbling von der rechten Seite in die Mitte eingeleitet und mit einem präzisen Abschluss ins kurze Eck, also mit einer Einzelaktion, herbeigeführt hatte. Oder anders: Solist Gnabry 1, Freiburgs Mannschaft 1.

Bei den Bayern mangelt es nicht nur an "Spritzigkeit und Freude"

Vor 21 Jahren, beim damaligen 0:0 der Freiburger in München, hatte der Bayern-Stürmer Jürgen Klinsmann vor Wut ein Loch in eine Werbetonne getreten, die im Museum des Meisters ihren Platz gefunden hat. Diesmal blieben derartige Kollateralschäden zwar aus, aber die Sätze, die danach geäußert wurden, vermittelten durchaus den Eindruck, dass die Bayern auch jetzt ziemlich aufgewühlt nach Lösungen für ihre sportlichen Probleme fahnden. "Wir haben wieder langsam gespielt, uns nicht viele Chancen erarbeiten können. Es hat träge ausgesehen", sagte beispielsweise Sportdirektor Hasan Salihamidzic und stellte weiter fest: "Wir schaffen es nicht, alles in höchstem Tempo zu machen." Es mangele an "Spritzigkeit und Freude", man spiele zwar "30 Meter vor dem gegnerischen Tor, eine Stunde oder 80 Minute lang. Aber wir kriegen keinen richtigen Druck erzeugt."

So deutlich diese Bestandaufnahme ausfiel, so schwer tat sich Salihamidzic, die Gründe für die Mängel zu benennen. Das galt auch für Trainer Niko Kovac. Er räumte zwar die Versäumnisse seiner hochbegabten Einzelkönner ein, Lösungswege zeigte er öffentlich jedoch nicht auf, eine Woche vor dem Topspiel bei Tabellenführer Borussia Dortmund, der nun wieder vier Punkte Vorsprung auf die Bayern aufweist. "Das war spielerisch nicht das, was man erwartet", sagte Kovac, "wir sind nicht so kreativ." Zudem sei seiner Mannschaft zum wiederholten Male ein Gegentor nach einer Flanke unterlaufen. "In der Mitte dürfen wir nicht so stehen, dass der zwischen uns durchläuft", sagte Kovac über den zwischen Boateng und Süle entwischten Höler. Nahezu deckungsgleich, nur seitenverkehrt, war am Dienstag im Pokal der Viertligist SV Rödinghausen zu seinem Anschlusstor gekommen. Auch in diesem Spiel war die Hereingabe zuvor nicht unterbunden worden, ehe in der Mitte die Zuordnung nicht stimmte.

Zumindest dieses wiederkehrende Muster lässt sich bei den Bayern derzeit feststellen, wenngleich sie darauf gut verzichten könnten. Und auch in der Offensive, wo es von Vorteil wäre, dass jeder Mitspieler schon vorher weiß, was von dem Kollegen zu erwarten ist, war ein kollektives, übergeordnetes Handeln kaum erkennbar. "Wir haben uns gequält, ein Tor zu erzielen", sagte der eingewechselte Thomas Müller.

Es hatte auch nicht geholfen, dass Kovac erstmals Rechtsverteidiger Joshua Kimmich ins defensive Mittelfeld verschoben hatte, um die Absenz des verletzten Kreativspielers Thiago Alcántara aufzufangen. Kimmich unterliefen viele Ballverluste, was wohl auch daran lag, dass um ihn herum fest vereinbarte Lauf- und Passwege sowie die Positionstreue seiner Kollegen fehlten. Die Freiburger Mannschaft dagegen agierte mit Gemeinsinn in klar erkennbaren Abläufen wie ein Gegenentwurf zu den individuell deutlich besser besetzten, aber unstrukturierten Münchner Solisten. Das meinte wohl auch Freiburgs Torwart Alexander Schwolow, als er an den Unterschied zu den zuvor häufig hohen Niederlagen in München erinnerte. Klar benennen wollte er den Unterschied aber nicht, allein schon aus Pietät. Er sagte zurückhaltend: "Ich bin nicht der Analytiker der Bayern." Dann lächelte er wissend.

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