Bayern-Sieg gegen Freiburg:Ein echter Neuner im falschen Sommer

Eric Maxim Choupo-Moting

Ein Tor, eine Vorlage, ein gutes Spiel: Eric Maxim Choupo-Moting.

(Foto: Ulrich Gamel/Imago)

Der FC Bayern findet unter seinen Zauberfüßen einen klassischen Mittelstürmer: Eric Maxim Choupo-Moting. Die taktische Variante von Julian Nagelsmann überrascht den SC Freiburg.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Zwei Trainer standen an der Seitenlinie, die Halbzeit war nicht mehr fern, ein erstaunlich warmer Oktoberwind fuhr in ihre leichte Sommerbekleidung, sie blickten sich an - der eine begeistert, der andere entgeistert. Ein Tor war soeben gefallen. Links stand Christian Streich, angestellt beim SC Freiburg seit dem Pleistozän, als die Gletscher dem Schwarzwald ihren letzten Schliff verliehen.

Rechts stand Julian Nagelsmann, in Diensten des FC Bayern erst seit eineinhalb Jahren, und wohl auch deshalb noch immer hier und da von seinen ehemaligen Chefs als "Trainertalent" bezeichnet. Streich und Nagelsmann verfolgten eine taktisch hoch interessante Partie, in die der eine der beiden eine Idee gewoben hatte, mit der der andere wohl nicht gerechnet hatte. Und dieser Trainer war vielleicht doch zu abgebrüht für ein Talent.

Seit Wochen waren bei den Bayern Debatten geführt worden über einen Kader, in dem es zwar nur so wimmelte vor Zauberfüßchen, der aber eine Komponente seit dem Abschied von Robert Lewandowski fehlen würde: ein klassischer Mittelstürmer. Und dann nominierte Nagelsmann ausgerechnet im Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten SC Freiburg anstelle des zuletzt unter Rückenschmerzen leidenden Thomas Müller unversehens Eric Maxim Choupo-Moting - und überraschte so den erfahrenen Trainermeister Streich an diesem falschen Sommertag mit einem echten Neuner. Ein Plan, der, man darf das so sagen, in nur 30 Minuten aufging wie Hefeteig über Nacht.

Das Spiel mündete in eine unnötige Entwürdigung der Freiburger

Als sich die Blicke der Trainer an der Seitenlinie trafen, hatte Choupo-Moting bereits ein Tor entscheidend vorbereitet, und das 2:0 soeben gleich selbst erzielt. Im Stile eines Mittelstürmers hatte er den Ball mit dem Rücken zum Tor erwartet, war dann nach rechts gezogen, hatte sich mit dem linken Arm seines Widersachers Matthias Ginter entledigt, als sei der kein Nationalspieler, sondern eine Schlupfwespe, und dann das Spielgerät mit dem rechten Fuß in einem bizarr spitzen Winkel ins linke Eck gedroschen: Das 2:0 in der 33 Minute bedeutet die Vorentscheidung in einer Partie, die letztlich 5:0 ausging und in eine unnötige Entwürdigung der Freiburger mündete.

Und an deren Ende den Zuschauern zwei Dinge dämmerten: Ein wuchtiger Stoßstürmer kann in einem Team voller Wunderkicker mitunter selbst dann hilfreich sein, wenn er nicht Robert Lewandowski heißt. Und die Meisterschale wird Ende Mai wohl doch mal wieder nicht ins Ländle geschickt.

Und so bot der ideenreiche Münchner Trainer am Tag nach der Jahreshauptversammlung ein Gegenentwurf zu den Klubverantwortlichen. Diese ändern gerne mal nichts (Katar-Sponsoring), verkaufen das aber der Öffentlichkeit geschickt als Wandel; auf dem Platz ändert Nagelsmann stets einiges, verkauft das aber manchmal unter Wert mit schlechten Ergebnissen.

Aber nicht am Sonntag. Nach zuletzt nur einem Sieg in fünf Liga-Partien hatte Nagelsmann mal wieder unter dem kritischen Brennglas der Verantwortlichen an der Säbener Straße gecoacht. Dann schoss sein Team fünf Tore und schob sich in der Tabelle vorbei am Sport-Club, der dem eigenen Verständnis nach immer hinter den Bayern stehen müsste.

Die Freiburger waren mit einer gewissen Vorfreude nach München gereist, die sie am Donnerstagabend mit vier Toren beim französischen Pokalsieger Nantes weiter gefüttert hatten. Jene Partie, mit der sich die Gäste vorzeitig für die K.o.-Phase der Europa League qualifiziert hatten, war tatsächlich die wettbewerbsübergreifend elfte des Sport-Clubs ohne Niederlage gewesen. "Bayern wird natürlich auf uns losgehen am Sonntag", hatte Streich geahnt und angekündigt: "Uns geht es gut, und wir werden uns mit allem wehren, was zur Verfügung steht."

Manches stand dann zwar nicht zur Verfügung, dafür aber zumindest der wandschrankhafte Stürmer Michael Gregoitsch, der gleich zum Auftakt vorstellig wurde bei Manuel Neuers Vertreter Sven Ulreich - allerdings nur, um ihn zu beschatten. Die Ouvertüre war verräterisch: Kurz sah es so aus, als würden sich die Bayern schwertun gegen diszipliniert gestaffelte Freiburger, die immer einen Fuß in die geplanten Ballzirkulationen bekamen und versuchten, in den Rücken der Münchner Abwehr zu flanken.

Alphonso Davies war es, der gerade noch in höchster Not eine Flanke vor Ritsu Doan entschärfte - als unversehens ein wichtiges Detail von Nagelsmanns Plan aufging: Mit Übersicht und einem feinen Fuß machte Choupo-Moting zunächst im Strafraum einen Ball fest, wie es so schön heißt, dann spielte er am linken Flügel Davies frei. Der passte den Ball mit Tempo nach innen, und nachdem Mark Flekken den ersten Schuss von Leroy Sané noch parieren konnte, lauerte Serge Gnabry im Hinterhalt - und köpfte ein (13.).

Die Bayern führten, aber die Freiburger blieben gefährlich. Zunächst. Mit einem simplen Doppelpass rissen etwa Christian Günter und Kevin Schade ein Loch in die Bayern-Ordnung, das von der Mittellinie bis zum Strafraum klaffte. Bei all ihren anfänglich gezeigten Bemühungen fehlte es den Gästen aber stets an der nötigen Präzision im finalen Zuspiel.

Die Münchner zogen ihr Spiel mit Vorliebe über den starken Davies auf der linken Seite auf. Am erstaunlichsten aber war das Bestreben der Offensivreihe um Mané, Sané und Gnabry, Choupo-Moting nicht nur zu suchen und freizuspielen, sondern auch zu integrieren. Exemplarisch dürfen hier die Ereignisse in nur zwei Minuten der zweiten Hälfte herhalten: Erst spielte der Stürmer einen Doppelpass mit Gnabry, den dieser an den Pfosten setzte. Dann legte er zurück auf Sané, der von der Strafraumgrenze das 3:0 hineinzwirbelte (53.).

Dass Choupo-Moting daraufhin am vierten Treffer gar nicht beteiligt war, ging angesichts seines Galaabends fast schon als kleine Pointe durch. Andererseits: Als Sadio Mané mit einem herrlichen Heber Flekken überwand und den armen Freiburgern so den Rest ihres Selbstwertgefühls raubte, da stand Choupo-Moting gar nicht mal so weit entfernt. Einen Nachschuss hätte er sicher gehabt! Und bei Marcel Sabitzers finalem Treffer zehn Minuten vor Schluss war er ernsthaft zu entschuldigen. Den Platz hatte er eine Viertelstunde vorher schon verlassen - unter Ovationen des Münchner Publikums.

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