FC Bayern in der Bundesliga:Vorhang auf fürs rote Tanztheater

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(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Droht wieder die große Eintönigkeit im Kampf um die Meisterschaft? Mag sein. Aber die Chancen stehen gut, dass das Publikum in dieser Liga auch noch andere Unterhaltungsfaktoren findet.

Kommentar von Martin Schneider

Das mit der Spannung war schon immer so eine Sache. Der britische Schriftsteller Thomas Hardy suchte zum Beispiel 1872 einen Weg, wie die Leser das Interesse an seinen Fortsetzungsromanen nicht verlieren. Also wählte er einen Trick: Am Ende einer Geschichte hielt sich sein Protagonist an einem Steilhang nur an einem Grasbüschel fest. Um zu erfahren, ob er sich retten würde, musste der Leser den nächsten Roman kaufen - oder mit der Ungewissheit leben. Der Begriff "Cliffhanger" war geboren, wobei es das Konzept natürlich schon lange vorher gab, etwa bei den persischen Scheherazade-Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.

Und damit zum großen Fortsetzungsroman namens Fußball-Bundesliga, dessen 60. Band dieses Jahr erscheint, der aber seit geraumer Zeit Probleme mit dem Thriller-Faktor hat. Der Cliffhanger vor jeder Saison ist seit ungefähr zwei Jahrzehnten die immergleiche Frage: "Fallen die Bayern?" Wenn die sich allerdings zehnmal hintereinander locker über die Kante ziehen, dann ahnt man als treuer Leser, wie es beim elften Mal ausgehen wird.

Vor allem, wenn die Spielzeit schon so losgeht. Ja, es war erst der erste Spieltag. Ja, so eine Saison ist lang. Ja, Dortmund hat gegen Leverkusen gewonnen. Aber ein Münchner 5:0 nach 42 Minuten beim Champions-League-Teilnehmer Eintracht Frankfurt hilft nicht wirklich als Argument gegen die Spannungspessimisten, die nun wieder sagen: Es ist doch eh schon alles klar. Zumal dieser Eröffnungsspieltag auch noch bei ein paar anderen offenen Fragen Wiederholungsandeutungen parat hatte. Freiburg? Erneut gut. Union? Erneut gut. Hertha? Erneut nicht so gut.

Es besteht trotzdem noch Hoffnung für Hopfen

Also Buch zuklappen und die Bundesliga wieder ins Regal stellen? Vielleicht besser nicht. Das Spiel der Bayern gegen Frankfurt war schon bald nicht mehr so interessant im Sinne der Frage, wer gewinnt. Aber kaum einer wird bestreiten, dass es unterhaltsam war. Ins Tanztheater geht man ja auch nicht, weil man sich fragt, wie das mit dem Schwan aus dem Schwanensee wohl ausgeht. Und wer den Fußball nicht gleich mit der Hochkultur vergleichen will, der kann auch ein paar Stockwerke tiefer ins feuilletonistische Regal greifen. Kaum etwas schauen Menschen im Kino so zuverlässig wie Superheldenfilme - und das tun sie garantiert nicht, weil sie sich vorher fragen, ob der Held es diesmal schafft, die Welt zu retten. Meistens schafft er das nämlich, je nach produzierendem Studio auch zehn Mal hintereinander.

Es besteht also Hoffnung für Donata Hopfen, die in ihre erste Spielzeit als Liga-Chefin geht und die Bundesliga im Ausland vermarkten muss. Mag sein, dass es ab dem 25. Spieltag wieder schwierig wird, noch von einem Meisterschaftskampf zu reden, aber bis dorthin wird Jamal Musiala noch ein paar schöne Pirouetten gedreht haben, und vielleicht ziehen die Bayern Sadio Mané auch noch so ein Superhelden-Cape an. "Spannung, Stars und internationale Erfolge" hat Hopfen als wichtige Faktoren für die Bundesliga definiert - und wenn zwei von drei Faktoren erfüllt sind, wäre das keine ganz schlechte Quote.

Allerdings: Kaum einer schaut 34 Mal im Jahr Ballett, und in jedem noch so platten Superheldenfilm braucht der Held eine Aufgabe, die ihn zumindest ein wenig fordert. Insofern ist es vielleicht wirklich keine so schlechte Nachricht für die Liga, dass der BVB gewonnen hat.

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