Bayern-Fans zu Hoeneß-Prozess:"Es schmerzt"

Uli Hoeneß FC Bayern FC Arsenal

Ein euphorischer Torjubel? In diesem Fall war es das Abseitstor von Javi Martínez gegen den FC Arsenal.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Die Anhänger des FC Bayern wissen nicht, wie sie mit dem Prozess um Uli Hoeneß umgehen sollen. Einige finden, dass selbst ein zu einer Gefängnisstrafe verurteilter Hoeneß Präsident bleiben könne.

Von Benedikt Warmbrunn

"Hören Sie mal genau zu, junger Mann", sagt der Fan, Rentner, roter Kopf, rot-weißer Schal um den Hals gewickelt, "das eine ist der FC Bayern. Und das andere ist Uli Hoeneß. Das hat nichts miteinander zu tun. Verstanden?"

Hoeneß-Prozess, dritter Tag. An der Säbener Straße heißt das: aufgewühltes FC-Bayern-Fan-Dasein, dritter Tag. Die Profis laufen, passen, schießen auf dem Rasen. Alles gemütlich. Die Fans drängen sich an das Geländer, sie diskutieren. Leidenschaftlich, aufgebracht. Auch über das Champions-League-Achtelfinale am Abend zuvor. Vor allem aber über den Prozess gegen ihren Präsidenten. Und nicht allen fällt es so leicht, sich eine so klare Meinung zu bilden, wie dem Fan mit dem roten Kopf. Unverstanden stapft er davon.

Die meisten anderen Anhänger wissen nicht, wie sehr sie den Verein und die Person trennen können. Weil sie noch nicht verstehen, welche Folgen das Urteil für den FC Bayern haben könnte. Immerhin wärmt die Vormittagssonne.

Am Geländer steht auch Sven Birkholz, Bäckermeister aus Berlin. Er ist mit seiner Tochter zum Rückspiel gegen den FC Arsenal angereist, an diesem Vormittag schaut er sich erstmals ein Training der Mannschaft an. Um den Hals baumelt eine schwere Kamera. Fotos von den Spielern. Fotos von den Trainern. Fotos vom Vereinsgelände. "Ich will mir überhaupt nicht vorstellen, wie dieser Verein ohne Uli Hoeneß funktionieren soll", sagt Birkholz.

Birkholz ist seit 1974 Fan des FC Bayern, und den Uli Hoeneß, den fand er auch schon immer gut. "Er war für mich kein Vorbild", sagt Birkholz, "aber das meiste von dem, was er gesagt hat, das war wichtig." Den Prozess gegen Hoeneß verfolgt Birkholz zumeist auf den Nachrichtensendern, weil da nichts kommentiert wird, "die Neuigkeiten sind ja so schon ziemlich erschütternd". Der Präsident und Aufsichtsratvorsitzende seines Vereins ein Zocker, einer, der mit Geldsummen spielt, die für den Bäckermeister und viele andere nicht vorstellbar sind - für Birkholz ist das kaum auszuhalten. "Es schmerzt."

Wie schwer es den Anhängern fällt, den richtigen Umgang mit ihrem Präsidenten zu finden, war besonders deutlich am Dienstagabend. Als die Vorwürfe gegen Hoeneß im vergangenen Frühling bekannt wurden, hatten die Zuschauer Gesänge für ihn angestimmt, sich mit Plakaten mit ihm solidarisiert; und wenn die gegnerischen Fans spotteten, dann sangen sie einfach lauter. Auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen Herbst applaudierten die Mitglieder minutenlang, Hoeneß weinte. Vor, während und nach der Partie gegen den FC Arsenal dagegen: keine Plakate, kein Applaus, keine Gesänge.

Wer soll es sonst machen?

Und so erlebte Uli Hoeneß einen ruhigen Abend in der Arena. Schon früh war er angekommen, er setzte sich neben den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge, in der Halbzeit unterhielt er sich mit seinem Vertrauten Edmund Stoiber. Beim 1:0 streckte er beide Arme aus, ein euphorischer Torjubel, ein Torjubel wie viele andere euphorische Torjubel zuvor.

Als die Spieler später zu den Journalisten kamen, beantworten sie ein, zwei Fragen zum 1:1, dann ging es um Hoeneß. Natürlich sei der Prozess ein Thema in der Kabine gewesen, sagte Thomas Müller. "Wir wollten für ihn gewinnen und weiterkommen", sagte Toni Kroos. "Der Verein braucht Uli Hoeneß an jedem Tag", sagte Franck Ribéry, einer der vielen Spieler, für die Hoeneß mehr ist als nur der Präsident. Für Ribéry ist er einer, dem er vertraut, an den er sich immer mit Problemen wenden konnte. Ribery sagt: "Wir sind mit ihm."

Am nächsten Vormittag sind auch die Anhänger an der Säbener Straße mit Hoeneß, sie verfolgen den Prozess auf ihren Smartphones. Sie sind sich aber nicht einig, ob der Verein den Präsidenten tatsächlich weiter braucht. Natürlich stehe nicht der FC Bayern vor Gericht, sagt der Bäckermeister Birkholz, es gehe allein um den Menschen Uli Hoeneß; diesem wünsche er auch, dass das Verfahren für ihn gut endet. Und doch sei auch der FC Bayern nicht unberührt von dem Prozess, findet Birkholz. "Sollte Hoeneß verurteilt werden, ist er als Präsident nicht mehr tragbar."

Nicht alle am Geländer des Trainingsplatzes sehen das so entschieden. Manche finden, dass auch ein zu einer Gefängnisstrafe verurteilter Hoeneß weiter Präsident bleiben könnte. Das Problem sei jedoch vor allem: Wer sonst? "Es gibt niemanden, der ihn wirklich ersetzen könnte", sagt der Bäckermeister Birkholz.

Ein paar Meter neben ihm am Geländer stehen fünf junge Reisende aus Korea, sie machen nur kurz Station in München. "Hoennss?", fragt einer von ihnen, "nie gehört." Sie interessieren sich nicht sehr für den FC Bayern, auch nicht für Fußball. Sie wollten für Freunde in der Heimat ein paar Geschenke kaufen. Auf dem Boden stehen fünf volle Papptüten mit einem FC-Bayern-Logo darauf.

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