Coutinho beim FC Bayern:Stabil wie eine Sandburg

Coutinho beim FC Bayern: Spielmacher mit gemischter Bilanz in München: Philippe Coutinho.

Spielmacher mit gemischter Bilanz in München: Philippe Coutinho.

(Foto: AFP)
  • Der FC Bayern holte Philippe Coutinho im Sommer als Spieler, der in den großen Spielen den Unterschied ausmachen sollte.
  • Vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Chelsea aber ist er nur Nebendarsteller.
  • Über die Zukunft des ausgeliehenen Coutinho in München haben sie beim FC Bayern noch nicht final entschieden.

Von Benedikt Warmbrunn, London

Die Saison ist noch lange genug, nach den Maßstäben des FC Bayern fängt sie ja überhaupt erst so richtig an. Es ist also noch genug Zeit, um denkwürdige Szenen zu liefern, das gilt für alle, und somit auch für Philippe Coutinho. Für den Mann, der geholt wurde, um mit seiner Kreativität Momente wie Denkmäler zu entwerfen.

Das Problem des Philippe Coutinho ist jedoch, dass die Momente, die er bislang geliefert hat, den Erinnerungswert einer Sandburg in der Brandung hatten. Möglicherweise war es hübsch anzusehen, ganz sicher aber weiß es keiner mehr, der Lauf der Zeiten hat bereits alles weggeschwemmt. Und wer weiß, ob wirklich alles so hübsch anzuschauen war?

Am Freitag zum Beispiel hat Coutinho gegen Paderborn 63 Minuten lang gespielt, aufgefallen ist er zweimal. Einmal schoss er erfolglos aufs Tor, statt den völlig freien Robert Lewandowski anzuspielen; dieser ärgerte sich gestenreich. Ein anderes Mal erreichte Coutinho ein langer Ball im Strafraum, er stoppte ihn mit der Brust, verlor das Gleichgewicht, wollte den Ball mit dem Fuß zu sich zurücktippen. Coutinho trat in die Luft. Dann fiel er um.

An diesem Dienstag (21 Uhr) beginnt für den FC Bayern die Saison so richtig, mit dem Hinspiel im Achtelfinale der Champions League beim FC Chelsea. Und Coutinho, 27, der Leihspieler vom FC Barcelona, der geholt wurde, um in den großen Spielen den Unterschied auszumachen, dieser mit Erwartungen überhäufte Spieler also geht in die heiße Phase der Saison mit der Aura eines Phantoms. Über sein Können sind Schwärmereien zu hören. Zu sehen war davon in München noch nicht viel. Wahrscheinlich wird Trainer Hansi Flick ihn in London nur einwechseln. Coutinho ist zurzeit ein Nebendarsteller.

Sie hatten sich in der Chefetage des FC Bayern im August gefeiert für ihren Coup, nicht zu Unrecht. Wochenlang war den Bayern und Sportdirektor Hasan Salihamidzic Untätigkeit vorgeworfen worden, und dann verletzte sich auch noch Wunschspieler Leroy Sané. Doch ehe die Häme über die Transferpolitik des Klubs laut werden konnte, präsentierten die Bosse Coutinho als Leihspieler. Salihamidzic kannte dessen Berater, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge die Verantwortlichen in Barcelona, und schon war Coutinho da, für 8,5 Millionen Euro Leihgebühr, dazu diese Kaufoption: 120 Millionen Euro, es wäre ein Bundesligarekord. Coutinho war für die Bayern der Beweis, dass sie im verrückten Transfermarkt noch mithalten können, und zwar mit kreativen Lösungen.

Am Montag, vor dem Abflug nach London, sprach Rummenigge über Coutinho, er nannte ihn einen "überragenden Fußballer", und natürlich hoffe er, dass dieser "in diesen entscheidenden Wochen ein wichtiger Faktor" sein werde. Rummenigge sagte aber auch: "Er hat manche Spiele gut gespielt, und in manchen Spielen vermittelt er ein bisschen den Eindruck, als ob er so ein bisschen gehemmt ist."

Wie es mit Coutinho weitergeht, haben sie beim FC Bayern noch nicht final entschieden

Sieben Tore hat Coutinho in 28 Spielen erzielt, acht weitere hat er vorbereitet, keine schlechte Bilanz, eigentlich. Andererseits hat er nur bei Kantersiegen oder gegen kleinere Gegner getroffen. Flick setzt Coutinho zudem in den wichtigen Spielen konsequent erst einmal auf die Bank. Der Trainer fordert eine energische Vorwärtsverteidigung, die wiederum defensives Denken sowie die Bereitschaft zu gemeinschaftlichen Bewegungen voraussetzt; beides nicht unbedingt Coutinhos Stärken.

"Ich habe einen positiven Eindruck von ihm. Er versucht immer alles, und natürlich kann nicht immer alles gelingen", sagte Manuel Neuer nach dem Spiel gegen Paderborn. Der Kapitän lobte den Brasilianer dafür, dass dieser versuche, "spielerische Lösungen zu finden". Er schränkte aber auch ein: "In den Zweikämpfen ist es dann eng, und dann hat man auch mal Ballverluste." Und er sagte: "Wir müssen ihn natürlich stärken, er ist ein Weltklassespieler."

Aus der Mannschaft ist zu hören, dass Coutinho ein angenehmer Mitspieler sei, "er ist ein ganz feiner Mensch, eher introvertiert, nicht extrovertiert", sagt Flick. Coutinho fehlen die Starallüren, wie sie etwa James Rodríguez hatte, der als Kreativspieler Coutinhos Vorgänger war. James hatte den Wirbel um sich gebraucht, um sich seiner Stärke versichern zu können, er wollte besonders sein. Coutinho dagegen wolle dazugehören, er brauche immer wieder warme Worte wie die von Neuer. Und dass er gehemmt sei, dass sei schon auch auf dieses Preisschild zurückzuführen: 120 Millionen Euro! "Ich glaube, er setzt sich da manchmal auch einen Ticken zu sehr unter Druck", sagt Flick. "Er versucht immer wieder, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Und es sind nicht immer - aktuell - alle Entscheidungen richtig."

Wie es mit Coutinho weitergeht, ob sie ihn kaufen werden, möglicherweise zumindest für einige Millionen weniger als die vereinbarten 120, das haben sie beim FC Bayern noch nicht endgültig entschieden, die Saison ist ja noch lang. Er könnte den FC Bayern ja noch ins Viertelfinale der Champions League schießen, ins Halbfinale, vielleicht sogar ins Finale, und wäre dann nicht wirklich alles möglich?

Ja, die Saison ist für Philippe Coutinho noch lang genug, dass es wirklich so kommen könnte.

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