FC Bayern in der Champions League:42 Tore fürs Finale

Gnabrys Gala in London, Rückstand in Piräus und ein Spiel für die Geschichtsbücher: Wie der FC Bayern das Champions-League-Endspiel in Lissabon erreichte.

Von Christopher Gerards und Johannes Kirchmeier

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FC Bayern - Roter Stern Belgrad 3:0

Bayern München - Roter Stern Belgrad

Quelle: Matthias Balk/dpa

Die erste Champions-League-Hymne der Saison ertönte für den FC Bayern München am 18. September 2019 daheim in der - natürlich - randvollen, ausverkauften Fröttmaninger Arena gegen Roter Stern Belgrad. Die teuren Münchner Fußballer spielten jedoch lange nicht so, wie es sich ihr Coach Niko Kovac vorstellte - mit Ausnahme des Hechtsprung-Kopfballs von Kingsley Coman, der damit das 1:0 in der ersten Halbzeit erzielte.

Im Laufe der zweiten Hälfte brüllte Kovac dann ziemlich wütend von der Seitenlinie aus über den Platz. Denn die Gegner um Marko Marin, der unter Bundestrainer Joachim Löw einst 16 Länderspiele für Deutschland absolvierte, waren dem Ausgleich nahe. Kovac' Furor lohnte sich: Kurz vor Schluss folgten Tore von Robert Lewandowski und Thomas Müller. Durch das 3:0 hatte der FCB zum 16. Mal in Serie das erste Königsklassen-Gruppenspiel gewonnen - ein neuer Rekord. Kleine Randnotiz am Rekordtag: An der Seitenlinie stand auch ein neuer Co-Trainer. Hans-Dieter, genannt Hansi, Flick erlebte sein erstes Champions-League-Spiel in dieser Funktion.

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Tottenham Hotspur - FC Bayern 2:7

Champions League - Group B - Tottenham Hotspur v Bayern Munich

Quelle: Paul Childs/Reuters

Freuen konnte Kovac sich dagegen zwei Wochen nach dem Auftakt. Die Spieler des FC Bayern demonstrierten zum ersten Mal in der Saison, was für eine unheimliche Wucht in der Mannschaft steckt. 7:2 siegten die Münchner bei ihrem Konkurrenten um den Gruppensieg Tottenham Hotspur - vor allem durch Blitz-Konter des überragenden Außenstürmers Serge Gnabry: "Das war eine komplette Demütigung", schrieb der Daily Telegraph. "Tottenham wurde von Serge Gnabry zerstört. Seine vernichtenden vier Tore brachten die Fans, die ihren Augen kaum trauen konnten, dazu, ihre Mannschaft auszubuhen." Der Independent sah gar "in Stücke gerissene" Spurs.

"Sete a um", sagen sie in Brasilien mittlerweile, wenn etwas nicht klappt. In Anlehnung an das fürchterliche 1:7 der brasilianischen Mannschaft gegen das DFB-Team im WM-Halbfinale 2014. "Seven-two" sagt im Londoner Stadtteil Tottenham niemand, aber das liegt vielleicht auch daran, dass die Spurs einst noch eine höhere Niederlage im europäischen Klubwettbewerb bezogen: 0:8 verloren sie 1995 im UI-Cup gegen den 1. FC Köln.

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Olympiakos Piräus - FC Bayern 2:3

Olympiakos Piräus - Bayern München

Quelle: Sven Hoppe/dpa

Die wilde Fahrt durch Europa ging natürlich weiter. Wenngleich es dieses Mal wieder etwas vom Kovac'schen Furor brauchte, um zu gewinnen. 3:2 siegte Bayern im sogenannten Hexenkessel Georgios Karaiskakis Stadium zu Piräus vor 31 670 Zuschauern. Die Münchner lagen jedoch erst in Rückstand, dann führten sie 3:1 - und zum Schluss wackelten sie trotzdem bedenklich und retteten sich über die Ziellinie.

Vielleicht lag das mit den Wacklern an der Abwesenheit von Niklas Süle. Der war nicht mehr dabei, weil er sich kurz vor der Partie einen Kreuzbandriss zuzog. "So wie es ausschaut, ist die Saison für ihn beendet, auch die EM kann er ad acta legen", sagte Uli Hoeneß, damals noch Vereinspräsident. Trainer Kovac wertete den Erfolg als "Arbeitssieg, das muss man ganz klar sagen. Wir haben sicherlich nicht das beste Spiel gemacht, aber das war für mich nicht so wichtig. Wir haben jetzt neun Punkte und stehen fast mit einem Bein im Achtelfinale."

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FC Bayern - Olympiakos Piräus 2:0

Hansi Flick

Quelle: Matthias Balk/dpa

Kovac war dann allerdings zwei Wochen später mit keinem Bein mehr Trainer des FC Bayern München. Nach einem 1:5 in Frankfurt trennten sich der Klub und Kovac. An der Seitenlinie gegen Piräus stand ein neuer Chef, erst einmal interimsweise: Hans-Dieter Flick bei seinem ersten Champions-League-Spiel in dieser Funktion. Die Bayern hatten ihn vorsichtshalber zu Saisonbeginn mal verpflichtet, um bei möglichen Problemen mit dem im Klub umstrittenen Kovac reagieren zu können.

Doch bei Flick schaute das Ganze erst einmal auch nicht anders aus als bei Kovac. Erstmals seit September 2014 blieben die Bayern in einem Königsklassen-Gruppenspiel vor heimischem Publikum in der ersten Halbzeit ohne Torerfolg, es fehlte an Schwung und kreativen Ideen. Lewandowski erlöste die Münchner erst in der 69. Minute, Ivan Perisic traf kurz vor dem Ende zum 2:0. So sah es auf dem Papier wenigstens souverän aus.

Am selben Abend geisterte der Name Arsène Wenger als möglicher neuer Trainer durch die Katakomben des Stadions, unter anderem befeuert durch TV-Experte Arsène Wenger. Drei Tage später besiegten die Bayern unter Flick dann Dortmund 4:0. Wenger wurde Direktor für Fußballförderung beim Fußball-Weltverband Fifa, Flick blieb.

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Siege gegen Belgrad und Tottenham

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Quelle: Christof Stache/AFP

Bedeutende Rollenwechsel im Klub gab's trotzdem weiter. Ende November war Hoeneß nicht mehr Vereinspräsident, sondern Ehrenpräsident. Ihm folgte der ehemalige Adidas-Boss Herbert Hainer. Die Bayern gewannen weiter, 6:0 gegen Belgrad und im Anschluss daran 3:1 gegen Tottenham. Als erste deutsche Mannschaft überhaupt schlossen die Münchner die Gruppenphase ohne Punktverlust ab. Mit der Tordifferenz von 24:5 spielten sie zudem die beste Vorrunde überhaupt in der Geschichte der Champions League.

Hansi Flick stieg vom Interimstrainer zum Trainer "bis mindestens bis Saisonende" auf, "ausdrücklich" schloss der Klub auch einen Verbleib darüber hinaus nicht aus in der Pressemitteilung kurz vor Weihnachten. Auch im Achtelfinale sollte also der in der Mannschaft äußerst beliebte Flick an der Seitenlinie stehen. "Egal, wen wir da ziehen - wir gehen als Favorit ins Spiel", sagte Joshua Kimmich. Mit dem Selbstbewusstsein eines Taktgebers im zentralen Mittelfeld, zu dem der einstige Rechtsverteidiger im Saisonverlauf wurde.

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FC Chelsea - FC Bayern 0:3

Champions League - Round of 16 First Leg - Chelsea v Bayern Munich

Quelle: Toby Melville/Reuters

Die Bayern zogen dann das Los FC Chelsea. Und ja, falls das irgendwie untergegangen sein sollte, das war der Gegner aus dem Finale dahoam 2012. Zunächst musste der FC Bayern aber in London antreten. Bei Chelsea, inzwischen trainiert vom Finale-dahoam-Veteranen Frank Lampard, fehlte N'Golo Kanté verletzt. Die Münchner dominierten, und weil das Spiel ja in London stattfand, traf nach der Pause Gnabry doppelt. Lewandowski, zuvor zwei Mal Vorbereiter, erhöhte noch, sodass der FC Bayern sich ziemlich sicher sein konnte, das Viertelfinale zu erreichen.

Hansi Flick erhielt nach dem Spiel dann ein verspätetes Geschenk zum 55. Geburtstag. Beim Bankett überreichte ihm Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge einen Stift. "Und mit Stiften", sagte Rummenigge, "unterschreibt man ja beim FC Bayern manchmal auch Papiere." Anfang April sollte Flick dann ein neues Arbeitspapier unterschreiben: Er verlängerte seinen Vertrag bis 2023. Fußball gespielt hatte seine Elf zu diesem Zeitpunkt übrigens nur noch drei Mal nach dem Abend von London. Die Wettbewerbe ruhten wegen Corona.

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FC Bayern - FC Chelsea 4:1

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Quelle: Tobias Schwarz/AFP

Mehr als fünf Monate waren vergangen, seit der FC Bayern das Hinspiel in London 3:0 gewonnen hatte. Nun, Anfang August, empfing er die Londoner in der Münchner Arena, allerdings ohne Zuschauer. Inzwischen war die Elf von Hansi Flick Meister geworden, sie hatte den DFB-Pokal gewonnen und überdies jedes Spiel seit dem letzten Aufeinandertreffen. Und, ja: Die Münchner machten da weiter, wo sie aufgehört hatten. Lewandowski und Ivan Perisic besorgten die Führung, Chelsea durfte zwischendurch dank Tammy Abraham auch jubeln, am Ende erhöhten Corentin Tolisso und Lewandowski dann aber wieder. Bayern stand im Viertelfinale (Austragungsort nun: Lissabon).

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FC Barcelona - FC Bayern 2:8

Fussball Champions League/ Viertelfinale/ FC Barcelona, Barca - FC Bayern Muenchen JUbel Thomas MUELLER (Müller, M) nac; Thomas Müller

Quelle: Frank Hoermann/Sven Simon/Pool/imago

Dort trafen die Münchner auf den FC Barcelona um Lionel Messi und spielten, joa, relativ phänomenal. Muss man das Spiel noch mal zusammenfassen? Okay, der Form halber: Nach vier Minuten stand's 1:0, dann wackelten die Münchner ein bisschen, und dann führten sie bald 4:1. Erinnerungen an Belo Horizonte erwachten, und irgendwann führten die Bayern 6:2, 7:2, 8:2, und das eben gegen - siehe oben - den FC Barcelona um Lionel Messi. Es war ein kleines bis mittleres Bisschen Fußballgeschichte, das an diesem Abend geschrieben wurde. "Bayern steckt Barça in den Schredder", schrieb die spanische Zeitung As. Und wenn der FC Bayern vor dem Spiel schon Titel-Favorit war, dann war er es jetzt noch sehr viel mehr.

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Olympique Lyon - FC Bayern 0:3

Olympique Lyon - Bayern München

Quelle: Michael Regan/dpa

Erst mal mussten die Münchner aber im Halbfinale gegen Olympique Lyon antreten, ein Name, der weniger groß klang als Barcelona. Wie im Viertelfinale zeigte sich hier aber auch etwas, das den unbesiegten Münchner so richtig nicht gefallen konnte: Sie hatten in der Anfangsphase Glück. Ein Mal schoss Memphis Depay daneben, ein anderes Mal traf Toko Ekambi den Pfosten. Schließlich sorgte Gnabry für die erwartete Münchner Führung, und er tat dies ziemlich spektakulär: wuchtig, mit links, Richtung Winkel. Gnabry gelang dann sogar ein Doppelpack, obwohl der Gegner nicht aus London kam.

Die zweite Halbzeit geriet ebenfalls nicht zum absoluten Münchner Glanzstück dieser Saison, am Ende reichte es aber zum 3:0: Lewandowski durfte sich kurz vor Schluss über seinen 15. Treffer des Wettbewerbs freuen, über den 42. Treffer seines Teams. Ihren Final-Gegner kannten die Münchner da bereits: Paris Saint-Germain hatte am Vorabend RB Leipzig mit 3:0 besiegt.

© SZ.de/jki/chge
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