Süddeutsche Zeitung

Deutscher Fußball:Die Liga lebt

In Deutschland entbrennt neue Fußball-Konkurrenz: Die Bayern müssen sich wappnen, denn Leipzig oder Dortmund werden besser - gegen die Superliga ist das ein klares Statement.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Ein 3:0 kann eine Täuschung sein. Das Resultat signalisiert eine Eindeutigkeit, die im Berliner Pokalfinale nicht zu erkennen war. Im Gegenteil, das wilde Duell bot beste Unterhaltung, garniert mit vielen Höhepunkten aus der Kategorie "Weltklasse". Hätte Manuel Neuer nicht mit zwei Paraden daran erinnert, dass er der Weltmeistertorwart von 2014 ist, so hätte dieses Finale, wie es dann meist heißt: auch ganz anders ausgehen können. Mit einem Sieg von RB Leipzig gegen den FC Bayern, von neuem Geld gegen das alte, von Innovation gegen Tradition. Diese Herausforderung hat der Rekordmeister noch einmal abgewehrt.

Das kompakteste Unterhaltungsangebot, das dieses Land zu bieten hat, beendet seine Spielzeit mit einer versöhnlichen Show - Spektakelfußball, der in krassem Gegensatz zum Katastrophenstart steht. In Russland scheiterte unter Bundestrainer Joachim Löw im Sommer 2018 erstmals eine deutsche Nationalmannschaft in der Vorrunde einer WM. Drei Viertel der Saison waren fortan von Krisengeheul überlagert, besonders laut, als Borussia Dortmund (gegen Tottenham) und der FC Bayern (gegen Liverpool) bereits im Achtelfinale der Champions League rausflogen. Die Bundesliga, hieß es da, sei nur noch zweitklassig, ihr fehle es generell an Qualität. Dagegen lieferte das Pokalfinale ein positives Signal.

Abgegeben wurde auch ein sportpolitisches Statement. Ein Veto gegen die aktuelle Ambition diverser Interessengruppen, die Macht der nationalen Ligen weiter zu reduzieren, zugunsten einer aufgeblasenen Champions League. Einer kontinentalen Superliga, die finanzielle Sicherheiten für die prominentesten Klubs anstrebt, indem sie ihnen quasi das ewige Startrecht garantiert. Argumentiert wird dazu auch mit angeblicher Langeweile in den Monokulturen der fünf Top-Ligen: In England (Manchester City), Frankreich (Paris St. Germain), Italien (Juventus Turin), Spanien (FC Barcelona) und Deutschland (FC Bayern) gab es 2019 dieselben Meister wie im Vorjahr.

Traditionsstandorte wie Berlin, Köln, Schalke oder Hamburg fehlen in der Ligaspitze

Zwar heimste der FC Bayern den Meistertitel zum siebten Mal in Serie ein, aber die Konkurrenz kommt langsam näher. In der Liga entwickelte sich endlich wieder ein Zweikampf, in dem sich Dortmund erst am letzten Spieltag geschlagen gab. Und Leipzig unterstrich trotz des Berliner 0:3 den Anspruch, zur dritten Kraft im Land zu werden. Das Konstrukt dieses Klubs, den es vor zehn Jahren noch nicht gab, bleibt unter Traditionalisten nicht nur deshalb umstritten, weil es dem Sportimperium des Salzburger Red-Bull-Konzerns zugerechnet wird. Tatsache ist aber auch, dass der ehrgeizige Gestalter Ralf Rangnick nach der TSG Hoffenheim mit RB Leipzig bereits das zweite Start-up-Konstrukt der Bundesliga implantieren konnte. Und jetzt übergibt Rangnick den Stab an Julian Nagelsmann, 31, den hippsten Nachwuchscoach der Szene.

Vor einem Jahr hat die Bundesliga zu Recht eine Qualitätsdebatte geführt. Das Problem dieser Liga war allerdings weniger die Dominanz des FC Bayern. Das Problem waren die, die hofften, die Münchner würden schlechter werden, anstatt die eigenen Chancen auszureizen. Traditionsstandorte wie Berlin, Köln, Schalke oder der Hamburger SV fehlen inzwischen auch wegen ihrer Larmoyanz in der Ligaspitze. Hamburg, Deutschlands zweitgrößte Stadt, wird in der ersten Liga weiter nicht vertreten sein. Statt des HSV ist soeben der SC Paderborn 07 aufgestiegen.

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SZ vom 27.05.2019/jbe
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