Arbeitssieg des FC Bayern:Sané beruhigt einen rumorenden Verein

Lesezeit: 5 min

Tor-des-Tages-Schütze und auch sonst erneut mit einer guten Leistung: Leroy Sané. (Foto: Markus Ulmer/Imago)

Nach einer turbulenten Jahreshauptversammlung kündigt der Klub einen Austausch mit dem Kritiker Michael Ott an. Das 1:0 gegen widerstandsfähige Bielefelder entspannt zudem die sportliche Situation vor dem Spitzenspiel in Dortmund.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

71 Minuten Fußball können sich ziehen. Erst recht bei Temperaturen nahe des Gefrierpunktes. Und ganz besonders für den Präsidenten eines erfolgsverliebten Rekordmeisters, der es nicht gewohnt ist, dass so eine Novemberpartie gegen den Tabellenvorletzten Arminia Bielefeld spannender gerät als eine Ausgabe "Bares für Rares" mit Horst Lichter.

Die Erleichterung jedenfalls war Herbert Hainer anzusehen, als er abhob wie eine Rakete von seiner sicher kalten Sitzschale in der Arena, nachdem Leroy Sané mit Wumms und Gefühl den Ball im Tor der 71 Minuten lang tapfer aufbegehrenden Arminia untergebracht hatte. Dieses 1:0 bedeutete, dass Hainers FC Bayern eine Woche vor dem Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund die Tabellenführung würde behalten dürfen. Und es bedeutete, dass Trainer Julian Nagelsmann von einer Begegnung mit dem Vorstandchef Oliver Kahn nach Spielende in den Katakomben berichten konnte. "Zu mir hat er gesagt: Glückwunsch! Ein dreckiger 1:0-Sieg, das ist wichtig."

Was wichtig ist und was nicht beim FC Bayern, darüber konnte man ja zuletzt ins Grübeln geraten. Und so wie Hainer freudig in die Luft stieg, da hätte man schon ganz gerne erfahren, ob ihn auch die zweite für den FC Bayern relevante Nachricht an diesem Tag so erfreut hatte wie das Tor von Sané.

Zwei Stunden vor Anpfiff gab das Vereinsmitglied Michael Ott auf Twitter bekannt, er werde sich demnächst mit Hainer treffen und austauschen. Jener Rechtsreferendar Ott, der mit seinem Antrag zum Katar-Sponsoring des FC Bayern eigentlich nur eine essentielle Debatte lostreten wollte, die allerdings mangels Kooperation des Vereins am Donnerstagabend in ein unerhörtes Donnerwetter auf der Jahresvollversammlung gemündet war. Hainer habe ihn heute angerufen, teilte Ott mit. Das Datum des Treffens stehe noch nicht fest. "Was aber feststeht, ist, dass der Konflikt gelöst werden muss." Herzlichen Glückwunsch! Dieses Treffen mit Ott hätte der Verein schon vor Wochen haben können. In dem Moment, als Ott den Antrag in der Katar-Frage fristgerecht eingereicht hatte. Oder aber spätestens auf der Mitgliedversammlung, als ein Spontan-Antrag Otts nicht zu einer Diskussion führte, sondern vom Verein abgeschmettert wurde.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Müller träumt von Stefan Ortega

Der Münchner Stürmer ist der Hase, Bielefelds Torwart der Igel. Leon Goretzka leidet unter der Abwesenheit von Joshua Kimmich. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider

Es sind erstaunlich unnötige Probleme, mit denen sie sich beim FC Bayern in den vergangenen Wochen rumplagen. Erst gab es allerlei Tamtam um den Impfstatus vermeintlicher Führungsspieler, die sich vor dem Hintergrund einer wissenschaftlich und publizistisch vortrefflich aufbereiteten Pandemie als Nachhutspieler entpuppten. Dann am Donnerstag dieser Woche den verstörenden Auftritt einer noch wenig krisenerprobten Führungsriege auf der Mitgliederversammlung, bei der Präsident Hainer einen Hang zur ruppig-autoritären Auslegung der Vereinssatzung offenbarte. Ott hatte einen Antrag gestellt, darüber abzustimmen, dass der FC Bayern e.V. auf die FC Bayern AG einwirken soll, den Sponsorenvertrag mit Qatar Airways im Jahr 2023 nicht zu verlängern. Nachdem der Verein den Antrag erst lange ignoriert hatte, entschied dann ein Gericht extrem kurzfristig, dass er nicht zulässig sei. Dann beendete Hainer die Versammlung auch noch, bevor es zu einer tieferen Aussprache kam.

Seither rumort es im Unterbau des Vereins. Dass die Ultras nicht gewillt sind, in der Katar-Frage klein beizugeben, das ist zwar gut denkbar, war am Samstagabend in der Arena aber nicht zu erkennen. Bei bitterkalten Temperaturen waren vielleicht schlicht zu wenige erschienen, um ein angemessenes Transparent in die Höhe zu halten. "Es gab wahrscheinlich schon mal einfachere Zeitpunkte, Bayern-München-Trainer zu werden", sagte Nagelsmann vor dem Anpfiff.

Kimmich und Choupo-Moting fehlen nach einem positiven Corona-Test

Der Eklat um Katar hatte die Impfproblematik im Klub nur kurzfristig überlagert, am Samstag auf dem Platz sah man sie wieder. Indem man nämlich zwei Spieler mal wieder nicht sah: Die ungeimpften und mit Corona infizierten Joshua Kimmich und Eric Maxim Choupo-Moting fehlten noch immer und werden auch in einer Woche in Dortmund fehlen. "Die unruhigen Tage betreffen die Mannschaft nur dahingehend, dass Spieler wegen Corona nicht dabei sind", sagte Nagelsmann später. "Das Thema Jahreshauptversammlung hat die Mannschaft nicht belastet. Es sind ja alles Profis."

Nagelsmann bildete eine Mannschaft aus nicht infizierten, nicht verletzten - und wieder aus der Quarantäne zurückgekehrten Spielern. Der Trainer nominierte quasi Klein-Paris, mit den Franzosen Benjamin Pavard, Lucas Hernández und Dayot Upamecano in der Abwehr, davor Kingsley Coman und Corentin Tolisso. Gemeinsam formten sie auf dem Taktikblatt eine Art schiefen Eiffelturm, an dessen Spitze Robert Lewandowski wohl Ausschau halten sollte nach dem Ballon d'Or, dem goldenen Ball für den besten Fußballer der Welt, der am Montag verliehen wird.

Bayern scheitert immer wieder an Ortega

Der von allen Impf- und Verletzungs-Debatten unbelastete Thomas Müller setzte nach vier Minuten den ersten Testschuss und nach fünf Minuten den ersten Testkopfball in Richtung Bielefelder Tor ab, scheiterte aber wie viele seiner Kollegen am formidablen Stefan Ortega. Ansonsten spielten die Gäste nicht so unterwürfig, wie es sich für einen Außenseiter gehört. Vielleicht erinnerten sie sich auch an ihren letzten Besuch in der Münchner Arena. Im Februar waren sie zu einer Art Polarexpedition angetreten und rangen den soeben aus dem warmen Katar von der Klub-WM zurückgekehrten Münchnern im dichten Schneetreiben ein 3:3 ab.

Am Samstag schneite es nicht. Und die Bayern des Trainers Nagelsmann waren nicht mehr jene des Trainers Hansi Flick. Sie spielten mit Dreierkette - und mit einer zunächst blendend aufgelegten linken Seite. Auf der hatte Alphonso Davies viel Platz für kreative Operationen, weil ein in die Mitte eingerückter Leroy Sané in Bestform (den hatte Flick damals noch nicht) immer zwei, drei Bielefelder beschäftigte. 15 Minuten dauerte es, ehe die Bayern ihr gefürchtetes Kurzpassspiel aufgezogen hatten, dem die Bielefelder andächtig zuschauten. Zehn Minuten später glich es bereits einem Wunder, dass weder Davies, noch Coman noch Müller mit einem artistisch interessanten Seitschuss bereits die Führung besorgt hatten. Und als dann auch noch Lewandowski nach schöner Vorlage von Sané hochstieg und einen Kopfball über die Latte drückte, da dämmerte den Zuschauern in der Arena, dass sich die Arminia schon wieder in Richtung Remis vortastete. Zumal ihr überragender Torwart Stefan Ortega offenkundig gewillt war, eine der besten seiner nunmehr 200 Partien für Bielefeld zu zeigen.

Musiala löst die Blockadesituation

Mit viel Schwung, wenngleich mit demselben Personal, stürmten die Bayern nach der Pause aus der Kabine. Sané setzte nach einer herrlichen Spieleröffnung von Upamecano und einem noch schöneren Pass von Tolisso den Ball nur um Zentimeter am Pfosten vorbei. Die Bielefelder nahmen dies als Weckruf, sie vergegenwärtigten sich wieder ihrer brenzligen Situation. Mit zehn Mann verbarrikadierten sie ihren Strafraum. Vorgerückt lauerte einzig Stürmer Fabian Klos, dessen Gefahr Nagelsmann als so hoch einstufte, dass er seinen vorgerückten Torwart Manuel Neuer mit Gesten und Pfiffen dazu animierte, seine angestammte Position einzunehmen.

34 Minuten vor Schluss brachte Nagelsmann den aus der Quarantäne entlassenen Jamal Musiala für Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld. Der 18-Jährige, bekannt dafür, mit extrem wendigen Verrenkungen Blockadesituationen zu lösen, veränderte an der festgefahrenen Statik der Partie zunächst wenig. Dann aber spielte er einen feinen Pass in die Spitze, den Müller mit einer Körperdrehung zu Sané weiterleitete.

Dass in Musiala ein ehemals ungeimpfter und inzwischen geimpfter Spieler die Wende für den FC Bayern einleitete, das war doch eine hübsche Pointe.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: