FC Bayern:Als wäre es ein gewaltsamer Überfall

FC Bayern: Robert Lewandowski bei seinem Treffer zum 2:0.

Robert Lewandowski bei seinem Treffer zum 2:0.

(Foto: WOLFGANG RATTAY/AFP)

Die Münchner zeigen beim 4:1 in Bielefeld, wie schwer sie aufzuhalten sind. In der zweiten Hälfte verärgern Trainer Flick allerdings zwei Nachlässigkeiten.

Von Philipp Selldorf, Bielefeld

Zwar war es nicht direkt ein roter Teppich, den die Bielefelder ihren hochwohlgeborenen Gästen ausrollten, aber immerhin eine schwarze Gummimatte, die den Münchnern den Weg aus einer benachbarten Schule ins Stadion wies - die Umkleidekabine im Stadion genügte offenbar nicht den Corona-Regeln, wie Trainer Hansi Flick später sagte.

Der Eindruck, dass sich der Besuch aus München auf der ehrwürdigen Alm breitmachte, als wäre er hier zu Hause, war aber nicht falsch. Der deutsche Meister ließ zu keiner Zeit seines Gastspiels beim Aufsteiger Zweifel daran, der Herr im Hause sein zu wollen. In neun von zehn Spielen habe man gegen die Bayern keine Chance, hatte Bielefelds Trainer Uwe Neuhaus zuvor gesagt, und dass dieser Abend nicht den Ausnahmefall bieten würde, das stand schon zur Pause außer Frage. Am Ende mussten sich die Arminen trotz ehrenwerter Gegenwehr 1:4 geschlagen geben, aber sie brauchten sich dafür gewiss nicht zu schämen. "Wir haben ein gutes Gesicht und ein tolles Spiel gezeigt", befand Bayern-Kapitän Manuel Neuer bei Sky - und richtete dem Platzwart ein Kompliment aus für den Zustand des Rasens.

Betrüblich still war's in der handlichen Arena, als sich die Mannschaften zum Anstoß versammelten. Die örtlichen Behörden hatten am Abend zuvor entschieden, dass nicht mal eine kleine Kolonie von Zuschauern zugegen sein durfte. Für ein bisschen Stimmung sorgten die Spieler auf dem Platz, vor allem die Münchner taten sich da hervor, die sich ausgesprochen lebhaft über ihre Laufwege und Zuspielangebote verständigten.

Die Bielefelder lassen sich nicht entmutigen

Von Anfang an hatte ihr Auftreten den Charakter eines gewaltsamen Überfalls. Die Bayern schienen ihren Gegner mit dem erbarmungslosen Offensivpressing und dem Dauerdruck im Angriffsdrittel regelrecht zu strangulieren. "Kommt zurück, Männer", hörte die Handvoll Augenzeugen den Arminen-Torwart Stefan Ortega mehrmals rufen, wenn er wieder Not heraufziehen sah. Dass Joshua Kimmich zuhause geblieben war, um die Geburt seines zweiten Kindes nicht zu verpassen, tat der Geschlossenheit und der Lebendigkeit des Münchner Spiels keinen Abbruch. Bis die Bielefelder das erste Mal mit mehr als lediglich zwei oder drei Spielern in der Münchner Hälfte auftauchten, war bereits die halbe Halbzeit vergangen, und auch dieser Moment der vermeintlichen Befreiung war trügerisch.

Im nächsten Zug setzten die Bayern mit dem 2:0 durch Robert Lewandowski der zarten Erhebung ein schnelles Ende. Die Führung in der neunten Minute hatte Thomas Müller besorgt - ein Tor, das deutlich machte, wie schwer es ist, diese perfekt aufeinander abgestimmten Bayern aufzuhalten: Niklas Süle bekam die Gelegenheit, den öffnenden Pass zu spielen, nachdem sich Lewandowski von seinem Bewacher gelöst hatte, Müller lief in die Lücke und nahm den weitergeleiten Ball entgegen - schon stand er in Position. Ein bisschen Glück kam auch noch dazu, als ihm der zunächst abgewehrte Schuss über zwei Banden wieder vor die Füße fiel. Wobei man beim findigen Müller nicht weiß, ob er das nicht womöglich geplant hatte. Ohnehin schien er nach der erzwungenen Untätigkeit in der Länderspielpause in ausgesprochen aufgedrehter Stimmung zu sein.

Die Bielefelder ließen sich von den Rückschlägen nicht entmutigen, sie wehrten sich einigermaßen geschickt und schafften es gelegentlich sogar, gegen die unverändert hyperehrgeizigen Münchner ein paar spielerische Momente zu kreieren. Dabei sprang außer ein bis zwei ehrenwerten Torschussversuchen durch den schnellen Ritsu Doan auch eine ordentliche Torchance für Mittelstürmer Fabian Klos heraus, die der exzellente Torwart Ortega eingeleitet hatte. Aber von einem offenen Spiel konnte weiterhin keine Rede sein.

Nach dem 4:0 erschöpfte sich die Herrlichkeit allmählich

Dafür sorgte besonders Leon Goretzka, der die Abwesenheit seines eifrigen Mittelfeldpartners Kimmich dazu nutzte, den Einflussbereich auf weite Teile der Spielfläche auszudehnen. Seine Antriebskräfte waren ebenso beeindruckend wie wirkungsvoll. Schließlich wurden die dominanten Münchner auch ihrem Ruf als Spielverderber gerecht, indem sie mit dem Pausenpfiff das 3:0 schossen. Kingsley Coman hatte Nathan de Medina in einen Zweikampf verstrickt, aus dem ein wieder mal wie plötzlich erschienener Goretzka als lachender Dritter hervorging. Pass auf Müller, Müller zu Lewandowski, und der Mittelstürmer brauchte nicht mal selbst das Ziel zu treffen - ein Bielefelder Abwehrbein fälschte seinen eher misslungenen Schuss ins Tor ab. Das konnte man typisch nennen. "Die erste Halbzeit war nah dran an dem, wie wir uns Fußball vorstellen", sagte Trainer Hansi Flick später: "In der zweiten Hälfte hatten wir ein paar Unkonzentriertheiten."

Mit dem 4:0 durch Müller, Vorlage Lewandowski, schienen die Bayern das muntere Deklassieren des Gegners auch in der zweiten Halbzeit fortsetzen zu wollen. Doch die Herrlichkeit erschöpfte sich allmählich. Die immer noch tapfer gegen ihr Schicksal ankämpfenden Bielefelder nutzten die Luft, die sie zum Atmen bekamen und verschönerten den Abend durch Ritsu Doans 1:4 (60.). An der Seitenlinie wendete sich Flick zornig um und bezog demonstrativ Platz auf der Bank. Es sollte nicht der letzte Ärger gewesen sein.

Mitten in eine anhaltende Phase der Ereignislosigkeit, die das nahe Spielende ankündigte, platzte der eingewechselte Javier Martinez mit einem gar nicht bayernliken Fehlpass auf den Bielefelder Klos, der allein davongelaufen wäre, wenn ihn nicht Corentin Tolisso mit einer gar nicht bayernliken Grätsche von den Beinen geholt hätte. Der Schiedsrichter zögerte einen Moment - und tat dann doch das einzig Richtige. Er zeigte Tolisso die verdiente Rote Karte. Und Flick entledigte sich eilig seiner Jacke, nicht, weil es so gemütlich warm war in Ostwestfalen, sondern weil ihn die heiße Wut gepackt hatte. Seine Mannschaft tat ihm den Gefallen und brachte das Ergebnis in Unterzahl solide über die Runden.

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