Bayern besiegt Mainz:Aufgeputscht vom Filigranfuß

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Der Dank seiner Mitspieler war Mario Götze (Nummer 19) sicher.

(Foto: AFP)

Der FC Bayern zeigt gegen Mainz die gewohnte Länderspiel-Trägheit, erst Wiederkehrer Mario Götze bringt die nötigen Impulse und seinem Team den Gala-Fußball zurück. Pep Guardiola beweist einmal mehr, wie spontan er auf Gegner reagieren kann. Vor der Champions-League-Partie gegen Pilsen muss er sich allerdings Sorgen um die Abwehr machen.

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Pep Guardiola versteht es, sein Umfeld zu überraschen. Unter der Woche offenbarte er, dass er neben seiner Sprachbegabung auch ein Faible für Rechenspiele hat, als er bei der Pressekonferenz vor der Partie gegen den FSV Mainz 05 den Trainingsrückstand von Mario Götze sezierte, minutengenau. Von 105 Trainingseinheiten habe er wegen seiner Verletzungspause nur 41 absolvieren können, von 2000 Minuten nur 271 gespielt. "Ich kann ihm Minuten, Minuten, Minuten geben", sagte er dann, "aber er braucht auch ein bisschen Ruhe".

Aus den Minuten, Minuten, Minuten wurde gegen Mainz dann eine Halbzeit, die Götze ganz für sich sprechen ließ. 0:1 lag der FC Bayern gegen das Team von Thomas Tuchel ohne ihn zurück, 4:1 stand es nach 45 Minuten Mario Götze. Drei Treffer leitete er selbst maßgeblich ein, in feinster Filigranfußballer-Manier. Es zeigte sich: Bayern kann noch Gala-Fußball. Zumindest eine Halbzeit lang. Und mit Götze.

Gäbe es keine Hinterausgänge, würde sich der 21-Jährige wohl höchstpersönlich an der Forschung zur Teleportation beteiligen, er mochte wie so oft nicht reden und verschwand ungesehen aus dem Stadion. Ruhe eben.

Dafür sprachen andere. "Mario ist eine unglaubliche Person", sagte Guardiola nach der Partie und lobte ihn als intelligenten Spieler. "Dass er ein exzellenter Fußballer ist, wissen wir alle", ergänzte Philipp Lahm, "und auch, dass er Spiele allein entscheiden kann". Und Thomas Müller präzisierte: "Wir haben, vor allem durch Mario, noch mehr Spielwitz vorne drin gehabt. In den Lücken waren wir besser besetzt. Wir haben auf einmal die Räume gefunden, wurden gefährlich und haben gleich die Chancen genutzt."

Götze machte durch seinen Auftritt beinahe die Länderspiel-Trägheit vergessen, die den FC Bayern regelmäßig überkommt. Die hatte sich auch gegen Mainz bemerkbar gemacht, "das müssen wir schnellstmöglich in den Griff bekommen", sagte Lahm. Die Fünfer-Abwehrreihe der Gäste ließ Arjen Robben und seine Kollegen zwar nicht verzweifeln, ermutigte sie aber auch nicht gerade zu kreativen Höchstleistungen, welche ohne den verletzten Franck Ribéry ohnehin schwerer fielen. Wann immer ein Ball in den Strafraum gelangte, waren mindestens zwei Mainzer zur Stelle. "Wir haben es gut gemacht", resümierte Tuchel, "es hat Spaß gemacht, das heute zu coachen".

Den größten Spaß hatte der Mainzer Trainer wohl, als seine Mannschaft nach 44 Minuten plötzlich in Führung lag, weil Jérôme Boateng das Bein nicht hoch genug bekam, so ungelenk wie ein Anfänger beim Bodenturnen, und einen Pass auf Shawn Parker als letzter Mann nicht abfangen konnte. "Den nehme ich auf meine Kappe. Es war ein klarer Fehler von mir", sagte Boateng später.

Auch ohne den Patzer war offensichtlich, dass es nicht lief bei den Bayern. "In der ersten Halbzeit haben wir hier immer Probleme", sagte Guardiola und erwähnte noch, dass er das System dann "ein bisschen geändert" habe. Tatsächlich war das eine ziemliche Untertreibung, ungefähr so, als würde jemand den Kader der Bayern als "ganz okay" bezeichnen. Guardiola stellte nämlich ordentlich um, gleich auf fünf Positionen. Lahm rückte von der Sechs in die Abwehr, Kroos und Schweinsteiger - beide zunächst in der Viererkette - positionierten sich vor der Defensive, Müller und Robben tauschten die Seiten auf den Flügeln. Dazwischen: Mario Götze, der nach der Pause für Rafinha aufs Feld stürmte.

Dicke Luft beim Elfmeter

Dass alles kam wie es kam, war somit auch ein großer Verdienst der Flexibilität des Trainers. Die hatte Tuchel zuvor bereits als wichtige Eigenschaft Guardiolas erkannt und benannt, was dann in Halbzeit zwei passierte, war für den Mainzer "wie wenn du einen Straßenwagen in der Formel 1 fährst: Mit Glück fährst du mal eine Runde mit, aber das war's dann auch."

Wie schon im Länderspiel gegen Schweden zeigte Götze seine Qualitäten, die sich je nach Ausgangslage in der Wirkung zwischen sanftem Aufputschmittel und Wiederbelebungsmaßnahme bewegen. Nach fünf Minuten Sondierung schickte er Robben mit klugem Pass durch die Mainzer Abwehr hindurch in den Strafraum und leitete somit das 1:1 ein. Das 2:1 machte Müller nach feinstem Kurzpassspiel über die Stationen Lahm - Götze - Robben und beim 3:1 spitzelte Götze dann noch von der rechten Strafraumseite direkt auf den in der Mitte wartenden Mandzukic. Alle Angriffsbemühungen, die ohne ihn zuvor verkümmert waren, führten nun zum Erfolg.

Ein bisschen dicke Luft gab es trotzdem noch. Als sich Arjen Robben in der 82. Minute den Ball schnappte und damit höchste Ambitionen zeigte, den fälligen Strafstoß verwandeln zu wollen, wurde er von Guardiola zurückbeordert. Er musste den Ball an Müller weitergeben und er tat dies eher trotzig als gehorsam, pfefferte Müller den Ball entgegen. Wäre die Szene Teil eines Brettspiels gewesen, hätte Robben vermutlich alle Spielsteine umgeworfen. "Jeder will schießen und jeder kann schießen", sagte Robben später und strich sich mit der Hand über den Hinterkopf.

Warum Müller anstelle von Robben schießen sollte, erklärte Guardiola mit dem Satz: "Weil ich der Trainer bin." Seine forschere Seite hatte der Katalane unter der Woche bereits präsentiert ("Ich bin ein großer Freund meiner Spieler, wenn sie akzeptieren, was ich sage"). Eine andere Lesart seiner Entscheidung führt zu Müllers Kontakten mit dem FC Barcelona. Ja, er sei in Barcelona gewesen, erklärte Müller nach der Partie, allerdings nur zum Abendessen, Verhandlungen habe es entgegen spanischer Berichte keine gegeben. "In Spanien kann man zwar hervorragend essen", schrieb Müller noch am Abend auf seiner Facebook-Seite, "aber meine Leibspeise bleibt weiterhin ein Schweinebraten aus Bayern." Der schmeckt mit verwandeltem Elfmeter sicher noch eine Nuance besser.

Mehr Sorgen als um Müller muss sich Guardiola derzeit um seine Abwehr machen: Dante erlitt gegen Mainz eine Risswunde am Fuß und verließ das Stadion auf Krücken, er wird in der Champions-League-Partie am Mittwoch gegen Pilsen ausfallen. Boateng ist wegen seiner roten Karte aus der Partie gegen Manchester City gesperrt. Perfekte Gelegenheit für neue Überraschungen.

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