Süddeutsche Zeitung

Bayern-Basketballer Jan-Hendrik Jagla:"Unser Erfolg ist nicht erkauft"

Lesezeit: 5 min

Jan-Hendrik Jagla galt viele Jahre als derjenige, der am ehesten so gut werden könnte wie Dirk Nowitzki. Der Nationalspieler über Pfiffe gegen das finanzstarke Basketball-Projekt des FC Bayern, Abstimmungsprobleme in der neu formierten Mannschaft und mögliche Probleme im Fall einer Verpflichtung von Nowitzki.

Jonas Beckenkamp

Jan-Hendrik Jagla ist ein freundlicher Lulatsch mit festem Händedruck. 213 Zentimeter misst der Basketball-Nationalspieler, der im Sommer nach München gewechselt ist. In seiner Karriere hat der 30-jährige Blondschopf einiges erlebt: Der gebürtige Berliner spielte in den USA (Penn State College), im basketballverrückten Griechenland (Panellinios Athen), im sonnenverwöhnten Spanien (Drac Inca Mallorca, Joventut Badalona), in der Türkei (Türk Telekom Ankara) und in Polen (Asseco Prokom Gdynia) - so viel ist kaum ein deutscher Basketballer in den vergangenen zehn Jahren herumgekommen.

Zwar ist Jagla nicht ganz so berühmt wie Dirk Nowitzki, doch Vergleiche mit dem ebenfalls 2,13-Meter großen Würzburger hört der Flügel- und Centerspieler immer wieder. Viele Jahre galt der 125-fache DBB-Akteur als derjenige, der am ehesten so gut werden könnte wie der NBA-Champion von den Dallas Mavericks. Und tatsächlich: Jagla hatte Momente, in denen er sein Können bewies. Doch er zeigte auch schwächere Auftritte, wie bei der vergangenen EM in Litauen. Jetzt scheint Jagla wieder besser in Form zu kommen - damit könnte der vielseitige Riese den Bayern-Basketballern noch enorm weiterhelfen.

sueddeutsche.de: Sie baten um einen späten Termin für das Interview, um ausschlafen zu können. Bekommt ein Basketballer beim FC Bayern so wenig Verschnaufpausen?

Jan-Hendrik Jagla: Es gibt unterschiedliche Phasen. Zuletzt haben wir sehr ausgiebig trainiert, damit sich die Mannschaft findet. Dazu kamen eine Menge andere Termine. Deshalb wollte ich heute die Gelegenheit nutzen, um etwas länger zu schlafen. An den Wochenenden gibt es dazu kaum Gelegenheit, weil wir immer unterwegs sind.

sueddeutsche.de: Seit ein paar Monaten leben Sie jetzt in München - wie haben Sie das erste Mal von diesem Basketball-Projekt mitbekommen?

Jagla: Das war im Sommer 2010 bei der Nationalmannschaft. Ich sprach mit meinen DBB-Kollegen Demond Greene, Steffen Hamann und auch mit Trainer Dirk Bauermann darüber. Alle berichteten viel Positives. Ich fand es interessant, dass der FC Bayern sich so engagiert. Mir war schnell klar, dass München auch für mich eine Option für die Zukunft ist - zumal sich dort schon Nationalspieler befanden, die ein gewisses Niveau verprachen.

sueddeutsche.de: Schwärmer reden gerne vom "spannendsten Basketball-Vorhaben Europas" - was macht es für Sie so interessant?

Jagla: Das hängt stark mit diesem Verein zusammen, der im Fußball so viel erreicht hat und für eine enorme Nachhaltigkeit steht. Im Basketball ist man das nicht unbedingt gewohnt, denn viele Klubs investieren eher in den kurzfristigen Erfolg. Was in München entsteht, ist ein spannendes Zukunftsprojekt: Hier trägt ein renommierter Trainer die Verantwortung, den ich gut kenne und dessen Teamstrategie mir sehr gefällt. Außerdem treffe ich mit Hamann und Greene auf alte Kumpels.

sueddeutsche.de: Dass Präsident Uli Hoeneß mit viel Geld den rasanten Aufstieg der Basketballer finanziert, stößt in der BBL auf Kritik - zurecht?

Jagla: Ich denke nicht. Der FC Bayern hat eine über 40-jährige Basketball-Tradition und war schon Deutscher Meister. Es wäre einfach gewesen, vergangene Saison eine Wildcard für die erste Liga anzunehmen, aber der Klub wollte sich sportlich qualifizieren. Mit Hoeneß im Hintergrund eröffnen sich natürlich Möglichkeiten. Trotzdem ist der Erfolg dieses Projekts für mich nicht erkauft. Klar haben wir einen hohen Etat, aber wenn man erfolgreich sein will, ist das normal.

sueddeutsche.de: Was kriegen Sie von der Anti-Stimmung in den Hallen mit?

Jagla: Ich merke schon, dass der FC Bayern polarisiert - vor allem bei Auswärtsspielen herrscht eine spezielle Atmosphäre. Die Leute pfeifen, schreien, zeigen Plakate mit Hoeneß und Bauermann drauf oder buhen Steffen Hamann aus, weil ihn einfach jeder kennt. Das ist ein Riesenspektakel, aber ehrlich gesagt: Dafür spiele ich Basketball, das macht doch Spaß.

sueddeutsche.de: Sechs Spiele, davon vier Siege und zwei Niederlagen - wie beurteilen Sie den Saisonstart der Bayern-Basketballer?

Jagla: Es läuft noch nicht perfekt. Aber wir steigern uns jede Woche. Wir können sicher oben mitspielen, doch wir sind derzeit noch nicht in der Lage, die Stärksten der Liga zu schlagen. Das war auch in der ersten Partie in Bonn zu sehen. Langfristig wollen wir auch diese Teams besiegen. Dass es zu Beginn Probleme gibt, war klar: Wir sind zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht in Bestform. Aber es wird langsam.

sueddeutsche.de: Das Team ist komplett neu zusammengestellt - wie macht sich das auf dem Feld bemerkbar?

Jagla: Es fehlt die Abstimmung. Manchmal kullert ein Ball ins Aus oder jemand nimmt einen Wurf, der nicht zur Spielidee passt. Für viele ist das System völlig neu. Bis alles rund läuft, dauert es seine Zeit. Solange tapst eben noch einer in die falsche Richtung oder spielt einen ungenauen Pass. Diese Dinge müssen wir zusammen lernen - wir sind ein Aufsteiger, das darf man nicht vergessen.

sueddeutsche.de: Titelfavorit ist Bamberg, Alba Berlin scheint dagegen zu schwächeln - wie sehen Sie Ihre Chancen in dieser Saison?

Jagla: Bamberg ist auch für mich die Nummer eins. Sie spielen schon länger zusammen, haben zweimal das Double geholt - und sind als Team viel weiter als der Rest. Alba hat wohl die gleichen Probleme wie wir: Neuer Trainer, neue Spieler, das muss erst wachsen. Aber in Berlin entsteht sicher wieder eine starke Mannschaft, deswegen würde ich die nicht abschreiben. Unser Ziel ist es, in den Playoffs mindestens das Halbfinale zu erreichen, doch das können auch andere Teams wie Bonn oder Oldenburg schaffen.

sueddeutsche.de: Zum Erreichen ihrer Ziele gehört auch das Vereinsmotto "Mia san Mia" - besitzen auch die Basketballer diese fußballtypische Selbsteinschätzung?

Jagla: Der Verein hat tatsächlich eine besondere Aura, ich stelle das selbst gerade fest. Es ist wirklich wie eine Familie, es herrscht ein angenehmer Umgangston und es gibt keine Machtkämpfe. Es geht hier nur darum, was das Beste für den Klub ist, das spürt man überall. Der Verein bringt ein über Jahre gewachsenes Selbstvertrauen mit. Diese Mentalität wollen auch wir Basketballer leben. Aber als Neuling ist es manchmal schwer, das Auftreten der Fußballer zu verkörpern.

sueddeutsche.de: Uli Hoeneß steht für dieses Bild wie kein anderer. Wie war es eigentlich für Sie, ihm zum ersten Mal zu begegnen?

Jagla: Er ist basketballverrückt. Jemand, der so viel um die Ohren hat und trotzdem bei jedem Heimspiel in der ersten Reihe sitzt, muss echt Spaß haben. Er wirkt auf mich sehr positiv und baut einen immer auf - vor allem, wenn es nicht so gut läuft.

sueddeutsche.de: Viele glauben, mit Dirk Nowitzki könnte es noch besser laufen - halten Sie es für möglich, dass er bei weiteren Absagen in der NBA nach München kommt?

Jagla: So wie ich ihn kenne, ja. Er liebt den Sport zu sehr, um nicht im Wettbewerb zu sein. Für ihn wäre es schön, nah an seiner Heimat in Franken zu sein. Die Situation hier ist doch nicht die schlechteste: Er kann sich fit halten, Basketball spielen und trifft alte Freunde.

sueddeutsche.de: Wäre für Sie als Team ein solcher Ausnahmespieler überhaupt integrierbar? Nowitzki würde alles auf den Kopf stellen ...

Jagla: Mit dieser Frage werden sich die Verantwortlichen im Verein sicher beschäftigen. Klar ist es nicht leicht, jemanden wie ihn für ein paar Wochen einfach ins System einzugliedern. Wir wollen in den Playoffs möglichst eingespielt zu sein - selbst wenn da jetzt Kobe Bryant oder Michael Jordan einstiegen, wäre das schwer.

sueddeutsche.de: Ist es dann nicht sogar wünschenswert, Nowitzki käme nicht?

Jagla: Schwer zu sagen. Als Spieler nehme ich es, wie es kommt. Grundsätzlich ist es sicher eine anspruchsvolle Aufgabe, einen offensiv so prägenden Basketballer kurzfristig zu integrieren. Danach ginge es dann vermutlich wieder ohne ihn weiter, das macht es auch nicht einfacher. Aber klar: Wenn der Klub es schafft, Nowitzki zu holen, wer würde da schon nein sagen?

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