Süddeutsche Zeitung

Bayern-Basketballer entlassen Dirk Bauermann:"Das hat mich aus heiterem Himmel erwischt"

Dirk Bauermann reagiert überrascht auf seine kurz vor Saisonstart vollzogene Entlassung bei den Basketballern des FC Bayern. Die Entscheidung verdeutlicht jedoch, wie groß die Angst im Klub war, mit diesem Trainer die hohen Ziele nicht zu erreichen.

Ralf Tögel

Diese Personalie ist in der Tat nicht einfach zu moderieren. Also schickte der FC Bayern München Bernd Rauch, den Vizepräsidenten, als solcher auch zuständig für die Basketballer. Die hatten am Donnerstagabend mitgeteilt, dass Cheftrainer Dirk Bauermann mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden ist. Viel ungünstiger hätte der Zeitpunkt kaum sein können, am kommenden Mittwoch starten die Bayern mit dem Heimspiel gegen Oldenburg in die Saison.

Die Nachricht löste ein mittleres Beben in der Basketball-Szene aus, nun saß da Bernd Rauch im Presseraum. Der 69-Jährige kann reden wie ein Politiker, kann seine Antworten so dick in verbale Watte packen, dass von der Frage nicht mehr viel übrig bleibt. Also sagte Rauch Sätze wie diesen: "Es wäre der Sache jetzt gar nicht dienlich, die Gründe detailliert darzulegen, die uns in der Summe zu dieser schweren Entscheidung geführt haben." Oder: "Es gibt eine sportliche und eine menschliche Komponente, aber im Mittelpunkt steht immer nur der Verein."

Natürlich steckt hinter der Demission eine Entwicklung von mehreren Monaten, die wohl schon zum Ende der vergangenen Saison ihren Ursprung genommen hat. Das Erreichen der Playoffs war als Mindestziel ausgegeben, das Aus in der ersten Runde wurde von der Vereinsführung - in Erinnerung an eine Serie von peinlichen Auswärtsniederlagen - wenig amüsiert zur Kenntnis genommen. Bei der Präsentation des neuen Kaders Anfang September hatte Präsident Uli Hoeneß explizit erwähnt, dass die Vereinsführung dem Trainer alle Wünsche erfüllt habe. Nun müssten Mannschaft und Trainer liefern.

Die Ergebnisse in den acht Testspielen, von denen fünf verloren wurden, unter anderem in Tübingen und Ulm, entsprachen nicht den präsidialen Erwartungen des mit internationalen Topspielern gespickten Teams. Vor allem die Pleiten beim eigenen Turnier gegen die europäischen Spitzenteams Moskau (66:87) und Kaunas (58:74), bei denen zudem konditionelle Schwächen zu Tage traten, müssen vom Vorstand als ehrabschneidend empfunden worden sein. Denn genau das ist das erklärte Ziel des Vereins: die europäische Spitze.

Außerdem waren Spieler immer wieder durch Undiszipliniertheiten auffällig geworden, einige dem Münchner Nachtleben sehr zugetan. Im April war Center Jared Homan in eine Schlägerei verwickelt, nach der Testspielniederlage bei Alba Berlin im September gab es erneut Rangeleien mit drei Bayern-Spielern in einer Diskothek. Bauermanns Umgang mit den Vorgängen indes haben das Fass wohl zum Überlaufen gebracht: Der Trainer hatte in einem Interview mit der Abendzeitung gesagt, dass er die Spieler nicht fünf Tage in der Woche an ihre Wohnzimmertische ketten wolle.

Eigentlich ist Bauermann für seinen autoritären Führungsstil bekannt. Neben dem Spielfeld demonstrierte der ehemalige Bundestrainer durchaus Härte, so bei der jüngsten Niederlage gegen Kaunas, als er Zugang Brendon Thomas vor den Augen der Zuschauer zusammenfaltete. Dünnhäutig reagierte der Coach dagegen auf Kritik an seinem systemischen und defensiv geprägten Spielstil. All diese Umstände haben sich zu einem Mosaik zusammengefügt, dessen Resultat der Rausschmiss des erfolgreichsten deutschen Trainers war.

Die Entscheidung verdeutlicht auch, wie groß die Angst war, mit diesem Trainer die hohen Ziele nicht zu erreichen. Rauch formuliert das so: "In vielen Diskussionen haben sich Positionen ergeben, die nicht mehr vereinbar waren." Der Trainer hat offensichtlich seinen Stellenwert im Münchner "Projekt Basketball" überschätzt. Am Telefon klang Bauermann schwer angeschlagen: "Das hat mich aus heiterem Himmel erwischt."

Es habe "unterschiedliche Auffassungen, was Menschenführung angeht" gegeben, aber dass diese "so gravierend sind" habe er völlig unterschätzt. Trotz aller Wucht der Geschehnisse werde er "nicht jammern". "Ich habe einen respektablen Beitrag an dem Projekt geleistet und kann auch ein bisschen stolz sein", sagte Bauermann. Sein Vertrag läuft bis Juni 2014, Rauch kündigte eine Abfindung an: "Wir werden zu gegebenem Zeitpunkt nach einer versöhnlichen Lösung suchen."

In Bauermann verliert das Projekt sein Gesicht, die Nachfolge tritt der weithin unbekannte Assistenzcoach Yannis Christopoulos an. Eine lustige Parallele zum Fußball: Nachdem Louis van Gaal an seiner harten Linie gescheitert war, übernahm der moderate Co-Trainer Andries Jonker. Der führte den FCB in die Champions League. Christopoulos gilt als zugänglich, er soll das Team ins Playoff-Finale führen.

Der neue Chefcoach kann immerhin sechs Stationen als Cheftrainer in Griechenland und Zypern aufweisen, seine größten Erfolge feierte er mit Nikosia: den Gewinn von Meisterschaft und Supercup sowie den Einzug ins Halbfinale des Eurochallenge-Pokals. Denis Wucherer, wie Christopoulos Assistenztrainer, muss dagegen gehen. Weil man dem neuen Cheftrainer die Möglichkeit geben wolle, sich selbst einen Assistenten zu suchen, erklärte Sportdirektor Marko Pesic.

Christopoulos hat einen Vertrag bis Saisonende, darüber hinaus sei alles offen, erklärte Pesic. Was er zu den Spekulationen um seinen Vater Svetislav als Trainer beim FC Bayern meint? "Er ist Bundestrainer, mehr kann ich nicht sagen." In diesem Moment übernimmt wieder Rauch, der Politiker Rauch: "Verabschieden sie sich von dieser Idee. Das war nie ein Thema."

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SZ vom 29.09.2012/ebc
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