Süddeutsche Zeitung

Unentschieden gegen Augsburg:FC Bayern hat Nerven wie Spinnenfäden

Lesezeit: 3 min

Von Maik Rosner, Augsburg

Die Frage war gar nicht an Niko Kovac gerichtet, aber der Trainer des FC Bayern fühlte sich aufgefordert, sich zu dieser zu äußern. Die Frage lautete, ob vielleicht die mutigere Mannschaft belohnt worden sei, zumal Herr Kovac gerade gesagt habe, dass es den Münchnern darum gegangen sei, das zweite Tor des FC Augsburg zu verhindern statt das eigene dritte zu erzielen. "Entschuldigung, Sie müssen schon bei der Wahrheit bleiben. Martin, entschuldige bitte, aber das muss ich jetzt mal klären", sagte Kovac, obwohl die Frage an den Augsburger Trainer Schmidt gerichtet war. Kovac rief in Erinnerung, was er zuvor gesagt und gemeint hatte, sein Gesichtsausdruck verlieh seiner Wut dabei Nachdruck. "Es ging um die 93. Minute. Haben Sie nicht gesehen, dass wir die ganze Zeit versucht haben, das dritte Tor zu schießen?", fragte Kovac ungehalten. "Doch", antwortete der Fragesteller. "Also, dann erzählen Sie bitte nicht irgendwas anderes", sagte Kovac.

Es war nur einer von mehreren Momenten auf der Pressekonferenz nach dem 2:2 (1:1) beim FC Augsburg, in denen der Münchner Trainer Mühe hatte, die Contenance einigermaßen zu wahren. Ein anderer Moment war, als er um seine Bewertung von Thomas Müllers Leistung gebeten worden war, der allerdings zum sechsten Mal in Serie die meiste Zeit auf der Bank gesessen hatte und erst in der Schlussphase von Kovac aufs Feld geschickt worden war.

Bayern-Trainer Kovac lobt die Leistung seiner Mannschaft: "Außerordentlich gut"

Auch hierbei reagierte Kovac ziemlich dünnhäutig, was einerseits verständlich war nach einem Spiel, das die Bayern deutlich hätten gewinnen müssen, in dem aber auch ihre Defizite zum wiederholten Male wie unter einem Brennglas zu besichtigen waren. Andererseits wirkte Kovac auch nicht gerade souverän, was sich durchaus mit dem Auftritt seiner Mannschaft deckte, jedenfalls phasenweise. Das galt vor allem zu Beginn und ganz am Ende, als Marco Richter (1.) und der eingewechselte Alfred Finnbogason (90.+1) die Augsburger Tore erzielten. Dazwischen hatten die dominanten Bayern durch Robert Lewandowski (14.) und Serge Gnabry (49.) das Spiel gedreht, ehe die Münchner mehrere Großchancen vergaben und am Ende zwei Punkte verloren.

"Du hast so viele Chancen, du lässt so viel liegen", stöhnte Kovac, ehe er die Leistung seiner Mannschaft vom Podium aus als "außerordentlich gut" einstufte. Allerdings habe man in der Defensive "zwei Mal geschlafen". Er sagte: "Was mich maßlos ärgert, ist die Tatsache, dass wir in den entscheidenden Situationen nicht so verteidigen, wie es sein muss. Wir bringen uns um den Lohn. Wir sind tieftraurig, doppelt."

Letzteres bezog sich auf Innenverteidiger Niklas Süle, der bereits in der zwölften Minute ausgewechselt worden war und noch während des Spiels mit einem bandagierten linken Knie auf Krücken in den Mannschaftsbus humpelte. Das Kreuzband sei wohl beschädigt, berichtete Kovac von der ersten Diagnose, "jetzt müssen wir schauen, inwieweit noch andere Bereiche im Knie in Mitleidenschaft gezogen worden sind". Süles mutmaßlich schwere Blessur, die im schlechtesten Fall sogar sein Saison- und EM-Aus nach sich ziehen könnte, sei das "Schlimmste" und gebe diesem sportlich enttäuschenden Tag eine "besondere Note", befand Kovac.

Doch auch die sonstigen Ereignisse auf dem Platz und der nächste Rückschlag nach der jüngsten 1:2-Heimniederlage gegen die TSG Hoffenheim trugen wohl maßgeblich dazu bei, dass Kovac sehr aufgewühlt war. Zehn Gegentore nach acht Spielen standen zuletzt vor elf Jahren unter Jürgen Klinsmann in der Bilanz. Nur drei Mal blieben die Münchner in dieser Saison ohne Gegentor, in den zurückliegenden vier Pflichtspielen fingen sie sich immer deren zwei.

Auch das weitgehend überlegen geführte Spiel in Augsburg unterfütterte den Gesamteindruck, dass die Bayern konstant inkonstant agieren und sich durch wenig souveräne Phasen häufig selbst in Schwierigkeiten bringen. "Ballverluste gehören dazu", sagte Torwart und Kapitän Manuel Neuer, sie seien aber "viel zu häufig der Fall". Seine Diagnose, dass den wiederkehrenden Makeln "natürlich auch ein Kopfproblem" zugrunde liege, unterlegte er mit dem Hinweis auf die Zeitpunkte der Gegentore in Augsburg. Und dass man sich die Punkte klauen lässt, "das ist nicht Bayern-like", sagte Neuer.

Wenn es denn stimmt, dass eine Mannschaft stets ihren Trainer spiegelt, dann ließe sich für die gesamte Münchner Belegschaft festhalten, was ihr Wankelmut im Laufe der Saison ebenso wie in der zurückliegenden nahelegt: Aus den sprichwörtlichen Stahlseilen sind ihre Nerven nicht, es sind wohl eher welche aus Spinnenfäden. Bei Kovac war der Geduldsfaden auf der Pressekonferenz jedenfalls mehrfach gerissen.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2019
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