Champions League:Bayerns Wagenburg hält stand

Ajax v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Group E

Doppeltorschütze Robert Lewandowski (r.) feiert mit Leon Goretzka.

(Foto: Getty Images)

Von Benedikt Warmbrunn

Manchmal ist Stillstand ein Vorteil. Robert Lewandowski stand ein paar Schritte vom Elfmeterpunkt entfernt, er lief an, verzögerte, lief weiter, verzögerte, er hatte nun so lange gepokert, dass sein Gegenüber nicht mehr wusste, wie ihm gerade geschah. Lewandowski schoss den Ball präzise und flach ins linke Eck, André Onana, der Mann im Tor von Ajax Amsterdam, war chancenlos. Und der FC Bayern war von dieser 87. Spielminute an der Sieger der Champions-League-Gruppe E.

Es war ein unterhaltsamer, turbulenter, niemals langweiliger Fußballabend am Mittwoch in Amsterdam. Gastgeber Ajax spielte flott nach vorne, der FC Bayern setzte ganz auf die eigene Coolness - das reichte für ein abwechslungsreiches 3:3 (0:1), das den Gästen aus München zum Gruppensieg genügte.

"Wir haben ein sensationell gutes Spiel gesehen, das war Werbung für den Fußball", sagte Niko Kovac, der Trainer des FC Bayern.

Nach zuletzt drei Siegen war die Partie in Amsterdam, in der es sportlich nur noch um den ersten Platz ging, für den FC Bayern vor allem ein Test für die Nachhaltigkeit des jüngsten Aufschwungs. Kovac, der in den vergangenen Wochen die schwerste Krise seiner noch jungen Karriere als Trainer überwunden zu haben scheint, sah die Sinnhaftigkeit dieses Tests ebenfalls, er vertraute zum dritten Mal in Serie auf die identische Startelf. Es galt ja, etwas gutzumachen.

Die Bayern konzentrieren sich auf eine stabile Defensive

Das 1:1 im Hinspiel war für die Konkurrenz der Abend, an dem zu erkennen gewesen war, wie der FC Bayern in seinem Umbruch zu erwischen ist: mit Geschwindigkeit. Das korrigierte System, auf das Kovac inzwischen vertraut, soll genau dieses Defizit ausgleichen, doch in den Spielen zuletzt gegen Lissabon, Bremen und Nürnberg verzichteten die Gegner freundlicherweise auf Schnelligkeit.

Ajax dagegen setzte auch im letzten Spiel der Gruppenphase ganz auf den Faktor Tempo, das eröffnete beiden Teams Möglichkeiten. Den Gästen aus München, weil Ajax in der Defensive erschreckend viele Räume offen ließ; nach gerade einmal 60 Sekunden schlüpfte Serge Gnabry durch diese hindurch, sein Distanzschuss verfehlte das Tor. Den Gastgebern eröffnete es Möglichkeiten, weil sie verdammt schnell kombinieren können; in der zweiten Minute prüfte nach einer solchen Passfolge in Hochgeschwindigkeit Donny van de Beek FCB-Torwart Manuel Neuer. Der Kapitän bestand den Test.

Die Bayern agierten für sie untypisch, sie konzentrierten sich auf eine stabile Defensive, in ihren eigenen Angriffen vertrauten sie auf Konter. Ajax, das vom früheren FCB-II-Trainer Erik ten Hag angeleitet wird, setzte die Gäste früh in deren Spielfeldhälfte unter Druck, versuchte so, deren Verteidigung zu erwischen, wenn diese nicht komplett sortiert war. Beide Taktiken waren zunächst aussichtsreich, beide Teams hatten in der Anfangsphase weitere kleine Gelegenheiten.

Den Unterschied machte, zumindest in diesen ersten Minuten, die Abgezocktheit aus. Und die lag nicht bei den jungen, leidenschaftlichen Gastgebern. Sondern beim Favoriten aus München. In der 13. Minute passte Gnabry zwischen zwei Verteidigern hindurch, in einer erstaunlich offenen Ajax-Abwehr stand Lewandowski ganz frei, der Angreifer traf kühl ins kurze Eck, es war sein siebter Treffer im sechsten Spiel der Gruppenphase.

Die Münchner Überzahl hält nicht lange

An der Grundausrichtung der Mannschaften änderte sich anschließend wenig, Ajax blieb forscher, der FC Bayern abgezockter. In der 27. Minute hatte Lewandowski die Gelegenheit, die Führung auszubauen; er traf Onana. Den Nachschuss von Joshua Kimmich blockte Matthijs de Ligt, durchaus rustikal. Anschließend reduzierte Ajax das Tempo. Aber nur, um es nach der Pause sofort wieder zu erhöhen.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatten sich die Bayern verschanzt wie hinter einen Wagenburg. "Wir wollten nicht wieder in die Konter reinlaufen", erklärte Kovac. Ajax belagerte mit seinen flinken Pässen nun den Strafraum der Gäste. In der 58. Minute verfehlte David Neres nach einer flinken Kombination das Tor, drei Minuten später spielte Ajax direkten Fußball, nach fünf Pässen und fünf Ballberührungen stand Dusan Tadic vor dem leeren Tor, der Ausgleich.

"Es war sehr interessant am Ende", urteilt Manuel Neuer

Erst danach zeigte der FC Bayern wieder gesteigertes Interesse am Ballbesitz; die neuerliche Führung durch Lewandowski verhinderte Onana mit einem starken Reflex (66.). "Wir hatten die klareren Chancen, hätten das Spiel viel früher zumachen müssen. Leider haben wir die Räume nicht so ausgenutzt", sagte Kovac. Eine Minute später ergaben sich weitere Räume, dann sah Ajax-Verteidiger Maximilian Wöber nach einem Foul an Leon Goretzka die rote Karte ("mit der Axt voll draufgehauen", klagte Kovac).

Die Münchner Überzahl hielt jedoch nicht lange, neun Minuten später sprang Müller mit gestrecktem Bein auf den Kopf von Nicolas Tagliafico, auch er wurde des Feldes verwiesen. Dann wurde es noch richtig turbulent. In der 82. Minute traf Tadic zur Führung für Ajax, per Elfmeter. Fünf Minuten später glich Lewandowski aus, per Elfmeter; sein achtes Tor im sechsten Gruppenspiel. In der 90. Minute traf Kingsley Coman mit einem gefühlvollen Kunstschuss. Fünf Minuten später traf Niklas Süle, allerdings ins eigene Tor.

"Es war sehr interessant am Ende", urteilte Neuer. "Kompliment an die Jungs", sagte Kovac. Der Trainer gestand allerdings auch: "Wir haben in der einen oder anderen Situation was falsch gemacht."

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