Bayerischer Verbandspokal:Alle wollen den Jackpot Sechzig München

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Das neue Losverfahren im Toto-Pokal soll auch kleineren Vereinen attraktivere Gegner bringen - sorgt aber zunächst für enorme Anfahrtswege.

Von Christoph Leischwitz

Im Grunde hatte der FC Penzberg schon bei der Auslosung ein Heimspiel. Die fand nämlich in der Spielbank Bad Wiessee statt, nur eine knappe halbe Stunde entfernt. Glück hatte der Bezirksligist dort zunächst nicht, nachdem im Toto-Pokal zum ersten Mal in einem neuen Modus gelost wurde: Die Kreissieger durften sich ihren Erstrunden-Gegner bayernweit selbst aussuchen. Doch auch die Reihenfolge des Aussuchens musste erst ausgelost werden. Und so war die Hauptattraktion im Topf, der TSV 1860 München, natürlich schon vergeben, als Penzberg als Neunter wählen durfte. Der FCP wählte daher einen Gegner aus, der alle überraschte: "Wir nehmen den TSV Karlburg", sagte der sportliche Leiter André Grunow ins Mikrofon, "da sehen wir unsere Chancen gut."

Es spricht ja auch nichts dagegen, sich den vermeintlich schwächsten verbliebenen Gegner auszusuchen, wenn man die Wahl hat. Das Problem ist nur: Karlburg und Penzberg liegen 360 Kilometer auseinander. Das bedeutet, dass der Aufsteiger in die Bayernliga Nord am Mittwoch, 7. August, für die erste Runde des Verbandspokals fast bis in die Alpen fahren muss. Selbst für die vier Drittligisten und andere Teams, die unter Profibedingungen trainieren, bedeuten solche weiten Fahrten enormen Aufwand. Regionalligist 1860 Rosenheim muss fast genauso weit fahren wie Karlburg: Weil fast kein anderer Gegner übrig war, wählten die Kickers Selb aus der Landesliga Nordost gezwungenermaßen die 340 Kilometer entfernten Oberbayern.

Fast allen Vereinen geht es im Verbandspokal darum, gegen sie anzutreten: Philipp Steinhart (Mitte) garantiert mit 1860 München hohe Einnahmen. (Foto: Sebastian Widmann/Getty)

Aufgekommen war die Idee für das neue Losverfahren, weil kleinere Vereine aus ländlichen Regionen darauf hingewiesen hatten, dass ihnen lukrative Pokalgegner wegen der regionalen Lostöpfe ständig verwehrt blieben. So gesehen bedeutet die Reform eine Art Bezirksfinanzausgleich: Für Kreissieger im Norden des Freistaats bedeutet ein Besuch aus der Landeshauptstadt München unverhoffte Einnahmen im hohen fünfstelligen Bereich. So ist vom FT Schweinfurt zu hören, dass man sich riesig freue über das Losglück. Dabei geht es, das wurde durch Aussagen bei der Auslosung deutlich, fast allen nur darum, einmal gegen 1860 München zu spielen. Die Sechziger sind in Bayern das, was im bundesweiten Pokal der FC Bayern ist. Die Penzberger begründeten ihre Gegner-Wahl indes so: "Wir haben Karlburg schon mal im Erdinger-Meistercup 3:1 besiegt", sagte Sportchef Grunow. Eine schlagbare Mannschaft also, zumal es sich bei Karlburg um ein Team handele, das unerwartet in die Bayernliga aufgestiegen sei. Andere, kleinere Gegner aus der Region hätten auch nicht sehr viel mehr Zuschauer angelockt, ist sich Grunow sicher. Und dann sei man nach kurzem Nachdenken recht schnell zu dem Schluss gekommen: "Wir suchen uns den, der eine weite Anreise hat, der vielleicht gar nicht mit der ersten Mannschaft hinfährt." Um so vielleicht doch noch die zweite Runde zu erreichen - und dann 1860 zu bekommen. "Sie werden sicher Schaum vor dem Mund haben", sagt Grunow über Karlburg, "aber wir haben nichts Verbotenes getan."

Also Anruf in Karlburg: von Wutausbruch keine Spur: "Wir müssen das akzeptieren", sagt Abteilungsleiter Michael Gehret gelassen, auch wenn man natürlich nicht in Jubel ausgebrochen sei. Viele Fragen seien im Moment noch offen, zum Beispiel die Frage: Bus oder Pkws? Und der Penzberger Plan scheint aufzugehen. Die komplette erste Mannschaft des TSV wird aus beruflichen oder privaten Gründen wohl nicht anreisen können. Doch zugleich hört sich Gehret hoch motiviert an: "Wir wollen unbedingt in die zweite Runde kommen", sagt er. Denn auch auf die Unterfranken könnte ja möglicherweise der Sechzig-Jackpot in Runde zwei warten.

Beim Verband rechnet man es den Karlburgern hoch an, wie sportlich sie mit der Entscheidung umgehen. Stand jetzt wolle man übrigens am neuen Losverfahren festhalten: zum allergrößten Teil werde dieses ja positiv aufgenommen. Der TSV könne übrigens Fahrtkosten geltend machen.

Für die Penzberger hat sich die Auslosung indes durchaus gelohnt. Die Spieler hatten später in der Spielbank zweimal auf die richtige Zahl gesetzt. Laut Grunow ist von dem Gewinn an jenem Abend aber nichts mehr für die Mannschaftskasse übrig geblieben.

© SZ vom 30.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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