Bayer zieht ins Achtelfinale ein:Eine Zirkusnummer als Erlösung

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Mit einem deutlichen Sieg über Kiew erreicht Bayer Leverkusen als Gruppensieger die K.o.-Runde der Champions League und ringt selbst Trainer Klaus Augenthaler ein Kompliment ab.

Die Hinrunde ist nicht besonders erfreulich gelaufen für Bayer Leverkusen, acht Punkte liegt der Tabellenachte in der Bundesliga bereits hinter dem FC Bayern. Trotzdem werden die Rheinländer recht zufrieden ihre Weihnachtsfeier abhalten, denn sie sind auch im nächsten Jahr noch in der Champions League vertreten. Mit einem 3:0 (0:0) über Dynamo Kiew hat Bayer 04 im spannenden Finale der Vorrundengruppe B aus eigener Kraft den Sprung ins Achtelfinale geschafft und darf nun als Gruppensieger sogar still von mehr träumen.

Kiew dagegen fiel nach den Toren von Juan, Voronin und Babic noch auf Rang drei zurück und steigt in den Uefa-Pokal ab. "Vor der Gruppenphase hat uns keiner das Weiterkommen zugetraut", sagte Bayer-Coach Klaus Augenthaler zufrieden, "man muss der Mannschaft ein Riesenkompliment machen."

Nach zehn Spielminuten hatte sich in Leverkusen bereits die schlechte Nachricht aus Rom herum gesprochen, und sie überraschte wirklich niemanden. Denn beim zweiten Geisterspiel des AS Rom im Olympiastadion schickten die Italiener nur eine B-Elf in das Duell mit den chronisch formschwachen Superstars von Real Madrid.

Für die Gastgeber ging es ja um nichts mehr, allenfalls vielleicht um ihren guten Ruf, doch der ist der Roma nach ihren schwachen wie undisziplinierten Auftritten ohnehin für länger abhanden gekommen. 1:0 also für Real, meldete leise der Flüsterfunk in der BayArena, Ronaldo hatte früh getroffen. Leverkusen brauchte jetzt also ein Tor, das stand fest, unbedingt. Nur mit einem Sieg würde man doch noch am Achtelfinale teilnehmen dürfen.

Zu oft durch die Mitte

Bayer ließ sich also nicht lange bitten und rannte an. Vor allem Andrej Voronin wirkte wie aufgezogen gegen den stolzen Klub seines Heimatlandes; der Ukrainer hatte zuvor die Partie gegen seine Landsleute als "das wichtigstes Spiel meiner bisherigen Karriere" bezeichnet. Nach einem Alleingang durch die Dynamo-Abwehr wäre ihm fast das frühe 1:0 gelungen, doch sein scharfer Flachschuss rauschte knapp vorbei.

Bei einem abgefälschten Freistoß von Robson Ponte geriet Kiews Keeper Shovkovskyi noch mehr in Bedrängnis, erst im zweiten Versuch griff er vor dem heraneilenden Störenfried Voronin zu (12.). Nach einer weiteren Chance indes, diesmal vergeben vom Krzynowek-Ersatz Marko Babic, verlor die erste Offensive der Leverkusener merklich an Schwung und Präzision.

Zu ungenau und einfallsarm gerieten zunehmend ihre Bemühungen gegen die massive Deckung Kiews. Sehr oft ging es durch die Mitte, und zu häufig wurde dabei der Ball abgegeben von den Zulieferern. Vor allem Ponte glückte nicht viel in der zentralen Rolle, obwohl ihm Eifer nicht abzusprechen war. Trainer Klaus Augenthaler gefiel das nicht, und offenbar auch nicht dem Ball.

Er ging nach einer halben Stunde platt und wurde abgelöst. In die Halbzeit marschierte Augenthaler dennoch ohne erkennbaren Frust. Denn wenigstens seine Abwehr hatte halbwegs fehlerfrei funktioniert, obwohl sich Dynamo mehrfach aussichtsreich in den Angriff begeben hatte. Und ein Nullnull zur Halbzeit ist eben nicht das schlechteste Ergebnis für Bayer 04, den inoffiziellen Bundesliga-Herbstmeister der zweiten 45 Minuten.

Weshalb die Bayer-Elf derzeit erst nach Wiederbeginn erfolgreich ist, weiß niemand, doch auch gestern war dieses Phänomen sehr bald zu bestaunen. Nach einem Eckball stieg Juan (der seinen Vertrag vorzeitig bis 2008 verlängert hat) höher als zwei Kontrahenten und erzielte mit einem kraftvollen Aufsetzer das 1:0 (51.). Der erlösende Treffer des Brasilianer versetzte Kiew spürbar in einen Schockzustand, denn Leverkusen konnte nachsetzen. Nationalspieler Bernd Schneider übernahm nun von Ponte die Chefrolle im Mittelfeld und setzte die Kollegen mit seinen Ideen ein.

Dem 2:0 sehr nahe kam zunächst wiederum Voronin, dessen strammer Linksschuss am Pfosten endete (55.). Kurz darauf machte sich sein bis dahin unauffälliger Sturmpartner Dimitar Berbatov auf den Weg zur Entscheidung, er erschien frei vor Shovkovskyi. Der Bulgare umkurvte den Torsteher zwar, doch nach einer überflüssigen Pirouette setzte der verspielte Künstler den Abschluss neben das Tor (58.).

Schneider rettet auf der Linie

Nach diesem Moment der großen Enttäuschung begann bei Bayer das Zittern. Kiew wollte jetzt mit Macht die Wende, nur ein Tor fehlte ihnen. Der Brasilianer Kleber prüfte Jörg Butt ebenso wie Landsmann Rodolfo, gegen den der Bayer-Keeper einmal prächtig parierte. Beinahe jeder Angriff der Gäste rief nun beim Leverkusener Anhang Panikattacken hervor.

Einmal rettete Schneider nach einem Kopfball Rodolfos auf der Linie (67.), wenig später grätschte Ramelow in höchster Not gegen Gusev (71.). "Wir waren zu hektisch und zu nervös und haben uns die Räume selbst eng gemacht", meinte Augenthaler später.

Diese Phase beendete dann Schneider mit einem grandiosen Dribbling, mit zwei Haken narrte er den armen Fedorov und bediente am Ende der Zirkusnummer den glücklichen Torschützen Voronin (77.). Babic schaffte sogar noch das 3:0 (86.), mit freundlicher Unterstützung von Shovkovskyi. Die Roma konnte sich derweil weiter ihrer Charakterlosigkeit hingeben, Endstand dort: 0:3. Den Leverkusenern indes war das egal. Der Flüsterfunk war längst abgeschaltet.

© Süddeutsche Zeitung vom 9.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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