Bayer Leverkusen:Zu viele Slalomstangen

Kai Havertz (Leverkusen), und Niklas Stark (Hertha BC), beim Zweikampf Hertha BSC Berlin - Bayer 04 Leverkusen 1. Bunde

Muss nun vielleicht noch im August für Bayer ran: Kai Havertz (l.).

(Foto: Bernd König/imago images)

Die Leverkusener verspielen in Berlin fast alle Champions-League-Chancen. Die Hertha zeigt sich bedeutend effizienter.

Von Nico Fried, Berlin

Peter Bosz gab sich keine Mühe, seinen Unmut zu verbergen. "Sieben Punkte aus sechs Spielen - wie erklären Sie sich den Formverlust?", so lautete die Frage an den Leverkusener Trainer zur mageren Bilanz seiner Mannschaft. Wegen der Corona-Regeln konnte die Frage des Reporters nur per WhatsApp übermittelt werden. Doch angesichts der grimmigen Miene des Bayer-Coachs bekam das Wort vom Sicherheitsabstand plötzlich noch eine andere Bedeutung. Er möge es nicht, knurrte Bosz, "dass man auf diese Weise nach Punkten guckt". Die Frage ist nur: Wie sonst?

Denn der jüngste Einbruch scheint wieder einmal alle Klischees zu bestätigen: Bayer Leverkusen spielt lange Zeit eine gute Saison, zeitweise schönen, dominanten Fußball - und am Ende geht der Mannschaft die Luft aus, wie schon so oft in der Vergangenheit. Es fehlt die Kraft, und es fehlt vielleicht der letzte Wille bei Spielern, die auch woanders auflaufen können, wenn es im Rheinland nicht mehr richtig weitergeht. Von einer solchen Gleichgültigkeit umweht wirkte das Leverkusener Spiel phasenweise in Berlin, wo man gegen die Hertha nicht nur 0:2 verlor, sondern auch die Chance auf die Teilnahme an der Champions League massiv verkleinerte. Das würde den Verein schwer treffen. Denn Spieler wie der zuletzt so hochgelobte Kai Havertz sind, wenn überhaupt, nur mit der Perspektive zu halten, international gegen Barcelona, Juventus Turin oder Paris St. Germain zu spielen.

Kein Bayer-Profi schaffte es mehr, die Mannschaft mitzureißen

Dabei hatte 20 Minuten lang nichts auf eine Niederlage hingedeutet. Leverkusen begann dominant, offensiv, ballsicher, flink und hatte nach vier Minuten durch Havertz und kurz darauf durch Kevin Volland erste Chancen. Leon Bailey, um den es nun auch Spekulationen über einen Wechsel zu Manchester City gibt, und Moussa Diaby auf den Flügeln wirkten gut aufgelegt, vielleicht sogar ein bisschen zu gut, denn sie suchten sich bisweilen ein, zwei Herthaner zu viel aus für ihre Slalomläufe. Vor allem aber brachten die Leverkusener den Ball nicht ins Tor. "Wir haben große Chancen herausgespielt, aber leider nicht getroffen", resümierte Bosz unwiderlegbar. "Das war am Ende das Problem."

Bedeutend effizienter gingen die Berliner zu Werke: Eine polnisch-belgisch-brasilianische Kombination über die rechte Seite führte nach 22 Minuten zum 1:0: Piatek schickte Lukebakio steil in den Strafraum, dessen präzisen Pass Matheus Cunha aus etwa 14 Metern mit dem rechten Außenrist in den linken Winkel hievte. Erste Chance, erster Treffer. In der 54. Minute war wieder der herausragende Piatek am 2:0 beteiligt. Mit einem Solo transportierte er den Ball an Freund und Feind vorbei bis zur Torlinie, wo Dodi Lukebakio ihn schließlich versenkte. Bei so viel Effizienz lobt es sich leicht: "Wir haben trotz geringerer Spielanteile verdient gewonnen", meinte Hertha-Trainer Bruno Labbadia.

Schon das erste Gegentor hatte indes eine Schwäche der Bayer-Elf offen gelegt: Da war niemand, der die Mannschaft nach diesem Rückschlag mitreißen konnte. Die potenziellen Führungsspieler wirkten eher wie beleidigt, dass die ganze Angelegenheit nicht so leicht zu erledigen war, wie es anfangs ausgesehen hatte. Auch Havertz führte zwar den Ball immer wieder hübsch am Fuß, aber die Mannschaft nicht aus dem Frust. Torhüter Lukas Hradecky musste das Elend von hinten verfolgen: "Wir waren unser größter Gegner selber, zu brav, zu ungefährlich", fasste der Torhüter seine Erlebnisse zusammen.

Trainer Bosz hätte sich gewünscht, dass seine Mannschaft trotz des Rückstands ruhig weitergespielt hätte. Stattdessen sei die Organisation "nicht mehr so gewesen, wie sie sein muss". Ein Umstand, den Bosz auch mit fünf neuen Spielern nicht zu beheben vermochte. "Was die noch alles einwechseln konnten", staunte Hertha-Trainer Labbadia, "da sind wir ja mit unserem Kader Lichtjahre entfernt."

Ähnlich weit ist es jetzt für Leverkusen in die Champions League. Scheitert das Team in der Liga, müsste es im August die Endrunde der Europa-League gewinnen, die in Nordrhein-Westfalen ausgetragen wird. Geschäftsführer Rudi Völler hat schon klar gemacht, dass er für dieses Turnier noch mit Havertz rechnet: Es sei für ihn selbstverständlich, dass ein Spieler "in dieser schwierigen Zeit" nicht gehe, bevor die Saison richtig zu Ende gespielt ist. Aber auch Völler dürfte ahnen: danach wahrscheinlich schon.

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