Bayer Leverkusen:Konzept Eigentor

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Heißer Freudenabend in der Moskauer Kälte: die Spieler von Bayer Leverkusen nach dem 2:0. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Auch beim Erfolg in Moskau, mit dem der Werksklub die Chance aufs Achtelfinale in der Königsklasse wahrt, profitiert er von unfreiwilliger Hilfe. Zum Teil hat das sogar Methode, sagen sie im Klub.

Von Philipp Selldorf, Moskau/Leverkusen

Es war ein Schuss der Marke Befreiungsschlag, den Sven Bender nach 54 Minuten zum 2:0 für Bayer Leverkusen losließ. Mit aller Gewalt unter den Ball zu treten, das ist eine Technik, die zum geübten Handwerk des Innenverteidigers gehört, aber dieser gewaltige Tritt beförderte den Ball nicht auf die Tribüne, sondern ins Netz des gegnerischen Tores - ein Meisterstück mit zwei besonderen Eigenschaften: weil es für Bender im 53. Einsatz in der Champions League der erste persönliche Torerfolg war - und weil Bayer 04 ausnahmsweise selbst einen Treffer erzielt hatte. Üblicherweise sind es nämlich zuletzt die Gegner gewesen, die Leverkusens Europacup-Tore erschufen, auch der 2:0-Sieg bei Lokomotive Moskau kam mit unfreiwilliger Hilfe der Gegenseite zustande: Als Moskaus Eder im Strafraum zu klären versuchte, traf der Ball das Bein des Kollegen Zhemaletdinow und schlug von dort zum 0:1 ein (11. Minute).

Der Sieg lässt den bisher zähen Saisonverlauf in einem besseren Licht erscheinen

In der laufenden Champions-League-Saison hat Bayer somit öfter von Selbsttoren (3) als von eigenen Treffern (2) profitiert. Und auch in der Bundesliga (3) sowie im DFB-Pokal (1) nahmen die gegnerischen Verteidiger den Leverkusener Stürmern immer wieder die Arbeit ab. Gleichauf mit Kevin Volland steht der Bonus-Faktor Eigentor an der Spitze der hausinternen Schützenliste.

Steckt Methode dahinter? Sportchef Rudi Völler räumte ein, dass selbst für ihn diese Häufung von Missgeschicken aufseiten der Widersacher erstaunlich sei, so etwas habe er "noch nicht erlebt". Völler behauptete aber auch, dass mehr als der reine Zufall dahinterstecke: "Unser Trainer hatte es ja auch vorausgesagt. Bei der Art und Weise, wie wir Eckbälle schießen oder Bälle von außen reinbringen, bleibt es nicht aus, dass das eine oder andere Eigentor fällt." Tatsächlich hatte Peter Bosz Ende September nach dem 3:0-Sieg in Augsburg (den der FCA-Stürmer Florian Niederlechner mit einem Eigentor einleitete) eine entsprechende Prophezeiung abgegeben: "Wir werden in dieser Saison noch mehrere Eigentore für uns sehen."

Am Dienstag in Moskau kam Bayer die Unterstützung des Gegners wieder sehr gelegen. Lokomotive beherrschte in der ersten Hälfte das Spiel und hatte die besseren Gelegenheiten, einzig Torwart Lukas Hradecky trat mit starken Paraden überzeugend dem Unheil entgegen. Bosz war alles andere als zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft. In der Pause nahm er Flügelstürmer Leon Bailey aus dem Team und verstärkte das Mittelfeld durch die Einwechslung Julian Baumgartlingers, danach änderte sich das Bild. Bayer kontrollierte nun das Geschehen, Bender beruhigte die Nerven durch sein 2:0, Lokomotive hatte kaum noch Torchancen.

Der Sieg lässt den bisher keineswegs hocherfreulichen Leverkusener Saisonverlauf in einem besseren Licht erscheinen. Bayer hat Gruppenplatz drei und den Verbleib in der Europa League gesichert, bei einem Sieg gegen Juventus Turin im finalen Vorrundenspiel ist sogar noch das Achtelfinale möglich, wenn Atlético Madrid kein Sieg gegen Lokomotive gelingen sollte. "Wenn du weißt, du hast die Europa League sicher, kannst du noch mal angreifen", sagte Sportdirektor Simon Rolfes.

Eine Empfehlung für die nächste Aufgabe war die Vorstellung beim Eisenbahnerklub allerdings nicht. Am Samstag tritt Bayer zur Topspielstunde beim FC Bayern an, besonders die Leverkusener Deckung sollte sich dann in besserer Form präsentieren. Jonathan Tah, Wendell und Panagiotis Retsos als Vertreter des geschonten Lars Bender formierten eine immer wieder wacklige Abwehrreihe. Einzig der Torschütze Sven Bender fiel lobenswert auf. "Er ist überragend drauf", sagte Lukas Hradecky, "seine Entschlossenheit strahlt auf den Rest der Mannschaft aus." Der Angriff mit Volland, Bailey und Bellarabi hat allerdings schon mal einen resoluteren Eindruck gemacht als am Dienstagabend. Aber Manuel Neuer im Münchner Tor dürfte Bescheid wissen: Mindestens so gefährlich wie Leverkusens Stürmer sind in diesem speziellen Spiel seine Verteidiger.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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