Bayer Leverkusen:Im Dutzend erfolgloser

Bayer 04 Leverkusen vs SC Freiburg, Fussball Bundesliga, 23.11.2019 Leverkusens Moussa Diaby umkurvt Freiburgs Mark Fle; Diaby

Dynamisch umkurvt Moussa Diaby Freiburgs Mark Flekken - ein zweites Tor bleibt ihm hier dennoch verwehrt.

(Foto: imago images/Jörg Schüler)

Leverkusen betreibt beim 1:1 gegen den SC Freiburg einen Chancenwucher, der mitunter kuriose Züge annimmt. Freude bereitet der Werkself nur der Startelf-Debütant Moussa Diaby, der sogar den gegnerischen Trainer Christian Streich schwärmen lässt.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Seit Saisonbeginn arbeitet das Team von Bayer Leverkusen offenbar an einem verkannten Bundesliga-Rekord: die meisten Ecken in Heimspielen. Als gäbe es eine Prämie dafür, strebt der Klub die 250 an. Mindestens. Legendär sind jetzt schon die 19:0-Ecken gegen Hoffenheim; Endergebnis: 0:0. Auch nicht schlecht: die 13:0-Ecken gegen Mönchengladbach, die allerdings am 1:2 nichts ändern konnten. Komplett passend also: die 13:3-Eckenbilanz gegen den SC Freiburg, und doch wunderte sich niemand, dass trotz klarer Überlegenheit nicht mehr als ein 1:1 (1:1) heraussprang. "Wir haben selten so glücklich einen Punkt geholt", gab SC-Angreifer Nils Petersen zu, "aber das ist auch eine Qualität, wenn man so unterlegen ist und trotzdem so ein Spiel nicht verliert."

Denn neu war, dass Leverkusens Werkself eine interessante Variante zur Eckenstatistik bot: Sie arbeitete ein Chancenverhältnis von 13:2 heraus - und ließ dabei mehrere große Gelegenheiten auf kuriose Art aus.

Das fing schon früh an, als Freiburgs Ersatztorwart Mark Flekken nach gerade einmal 90 Sekunden bei einem Torabstoß ausrutschte und den Ball dann gedankenschnell wegschlug, ihn damit aber gegen die Regel ein zweites Mal hintereinander berührt hatte. Den fälligen indirekten Freistoß aus acht Metern setzte Kerem Demirbay an die Latte, den Abpraller moppte Karim Bellarabi knapp über das Tor. Die Gäste agierten unspektakulärer, aber erfolgreicher. Bei einem Eckball von Günter genoss Lucas Höler am zweiten Pfosten alle Freiheiten, weil Aránguiz ihn hatte laufen lassen, und besorgte per Kopf schon in der 5. Minute die Führung für die Überraschungsmannschaft dieser Saison.

Um eine diszipliniert arbeitende Elf wie Freiburg auszuhebeln, bedarf es - insbesondere nach einem Rückstand - hoher Ballfluktuation, flotten Tempos und überraschender Eingebungen. All das zeigte fortan Moussa Diaby, der auf der rechten Freiburger Abwehrseite mit Finten und Sprints für Unordnung sorgte. Und als der Sommerzugang, der erstmals in der Leverkusener Startelf stand, links genug Selbstbewusstsein gesammelt hatte, zog es ihn bisweilen auch in die Mitte, ohne dass er dabei jemanden behindert hätte. Im Gegenteil: So entstand in der 33. Minute der Ausgleich, als der aus Paris eingekaufte Franzose vom merklich verbesserten Demirbay zentral angespielt wurde. Ein Haken, ein Kontakt und eine Drehung genügten, dann hatte Diaby den Raum, um sich den Ball genau richtig zurechtzulegen und ihn aus 19 Metern stramm rechts unten zu versenken.

Das Tor löste Leverkusens Verkrampfung. Bis zur Pause spielten sie auch ohne den verletzt pausierenden Kai Havertz mehrere hochkarätige Gelegenheiten heraus, die besten boten sich Volland (Kopfball, 45.) und Bellarabi (45.+2), dessen Abschluss satt an den Pfosten klatschte. Freiburg, das gut 30 Minuten lang mit zeckiger Abwehrarbeit angedeutet hatte, warum es sich im oberen Tabellendrittel eingenistet hat, konnte froh sein, die Kabine mit einem 1:1 erreicht zu haben. Die Gäste hatten bis dahin nur 21 Prozent Ballbesitz - und das nicht etwa, weil sie den Ball nicht haben wollten, sondern weil sie ihn einfach nicht bekamen.

Volland und Bellarabi vergeben aus vier bzw. drei Metern

Nach dem Wechsel fand Freiburg besser in die Partie und durfte sogar öfter den Ball berühren, aber die Breisgauer brauchten schon viel Glück, um nicht rasch in Rückstand zu geraten - besser gesagt: Sie mussten Kevin Volland dafür danken, dass Leverkusens Stoßstürmer das Kunststück fertigbrachte (50.), eine flache, präzise Flanke von Bellarabi aus vier Metern so unplatziert aufs Tor zu bringen, dass Flekken noch parieren konnte.

Fast kam es so, wie es häufig im Fußball kommt: Nach dem ersten gescheit zu Ende vorgetragenen Konter der Gäste tauchte wie aus einem schweren Nebel plötzlich Höler vor Lukas Hradecky auf. Bayers finnischer Keeper blieb acht Meter vor seinem Tor stehen, parierte den Schuss, war aber machtlos, als der Abpraller vor die Füße von Jonathan Schmid fiel, der freilich zu überrascht war und den Ball haarscharf neben das Tor bugsierte (67.). Sekunden später bediente Volland bei einem Konter auf der Gegenseite Diaby fußgerecht. Der 20-Jährige nahm Fahrt auf, er war sogar schon an Flekken vorbei, als der Stürmer aus dem Tritt geriet und wegrutschte, bevor er seine Gräten sortiert hatte. Im Liegen beförderte der flinke Franzose den Ball dann neben das verwaiste Tor. "Ich hatte schon befürchtet, dass er spielt", sagte Freiburgs Trainer Christian Streich: "Er war sehr, sehr gut." Sein Gegenüber Peter Bosz wollte nichts davon hören, dass er Diaby schon früher hätte einsetzen müssen. Er habe ihn langsam an die Bundesliga heranführen wollen. "Heute war der Tag", sagte er: "Er hatte seine Chance, und er hat sie genutzt. Deshalb glaube ich, dass das der richtige Zeitpunkt war."

In der Schlussphase beherrschte Bayer die Szenerie, wenn auch nicht mehr so krass wie vor dem Wechsel. Aber einen besonders frappierenden Moment fürs Kuriositätenkabinett gab es trotzdem noch. Als der eingewechselte Stürmer Alario in der 87. Minute Freiburgs Torwart Flekken am Strafraumeck bedrängte, kam Diaby an den Ball und zu seinem letzten Antritt. Er passte parallel zur Torlinie ideal auf Bellarabi, der aber kurz stoppte und aus drei Metern nicht an die wild herbeigrätschenden Höfler und Heintz vorbeikam.

Das war Bayers Torschuss 27 und Chance Nummer 13. Die anschließende 13. Ecke hinterließ keine Spuren. Außer vielleicht in der Seele der Leverkusener.

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