Fehlstart von Bayer 04:Ein Date mit der Geschichte

Fehlstart von Bayer 04: Die Erwartungen an Sardar Azmoun waren hoch, bisher hat er sie nicht erfüllt.

Die Erwartungen an Sardar Azmoun waren hoch, bisher hat er sie nicht erfüllt.

(Foto: Maik Hölter/Imago)

Nach dem 1:2 gegen den FC Augsburg ist Bayer Leverkusen der einzige Bundesligist, der die ersten drei Pflichtspiele verloren hat. Die Bilanz der hochgelobten Offensivspieler Schick, Diaby und Azmoun: null Tore, null Vorlagen.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Stefan Reuter machte den King Kong in der 82. Spielminute. Augsburgs Manager signalisierte seinen geschafften Spielern mit ein paar Trommelschlägen auf die stolze Brust, dass sie weiter alles reinlegen sollten, obwohl ihnen in der Hitze von Leverkusen und dem Chancengewitter des Werksklubs offenkundig die Luft wegblieb. Keine Minute später dürften sich alle Augsburger wie King Kongs gefühlt haben: Ihnen gelang das nicht für möglich gehaltene Tor zum 2:1 (1:1) bei Bayer 04, mit dem sie eine Serie beendeten, die zuletzt noch verlässlicher war als ein Meistertipp auf den FC Bayern. Von den bisherigen 22 Bundesliga-Partien dieser Klubs hatte Augsburg noch nie eine gewonnen. Bis zum King-Kong-Nachmittag 2022.

Wem das gerade zu schnell ging, dem sei ein Blick zurück auf die Zeit vor dem ersten Pflichtspiel dieser Saison ans Herz gelegt. Wer da einen kleinen Rundgang durch die Kader der Bundesligisten unternahm, dürfte bei Bayer Leverkusen zwei- oder dreimal hingeschaut haben. Dem Tabellendritten der Vorsaison waren erstaunliche Dinge gelungen: Der europaweit begehrte Torjäger Patrik Schick wurde nicht verkauft, sondern auch ohne Androhung von Gewalt zu einer Verlängerung seines Vertrags bewegt; der europaweit begehrte Dribbelkönig Moussa Diaby konnte gehalten werden; der flinke, europaweit beobachtete Außenverteidiger Jeremie Frimpong blieb, wie überhaupt alle Spieler gehalten werden konnten, die gehalten werden sollten.

Im Spätherbst wird zudem Florian Wirtz zurückerwartet, und so waren die Beobachter sehr gespannt, wie Zugänge wie Adam Hlozek und der inzwischen an die Mannschaft herangeführte Iraner Sarder Azmoun den Konkurrenzkampf anstacheln würden. Trainer Gerardo Seoane sprach von einer "Luxussituation" - und obwohl es angenehm ist, wenn jemand mit großen Zielen im Zeitalter der Plattitüden mal nicht tiefstapelt, war es irgendwie Kismet, wie schnell und wie hart diese Einschätzung bestraft wurde.

FCA-Torwart Gikiewicz, zuletzt harsch kritisiert, gelingen neun Paraden

Denn 270 Minuten Fußball später ist Bayer Leverkusen der einzige Bundesligist, der alle drei Pflichtspiele verloren hat: 3:4 im Pokal beim Drittligisten Elversberg, 0:1 in Dortmund und nun also 1:2 gegen den Lieblingsgegner Augsburg. Schick: null Tore und null Vorlagen in der Liga; Diaby: null Tore und null Vorlagen; Azmoun: null Tore und null Vorlagen, dafür mehrfach schief angesehen von Schick, dem es offenbar nicht sehr mundet, wie oft der Iraner in Zonen zum Kopfball geht, in denen Schick gerne an den Ball käme. Mit drei Pflichtspiel-Niederlagen in Serie hat eine Saison für den Werksklub zuletzt 1979 begonnen. Und man kommt nicht umhin, an Borussia Mönchengladbach zu denken, das vergangene Saison dafür gefeiert wurde, sein eingespieltes Team zusammengehalten zu haben - und dann eine schreckliche Spielzeit erlebte.

Fehlstart von Bayer 04: Premierentreffer: Fredrik Jensen (rechts) erzielte das erste Augsburger Tor dieser Bundesligasaison.

Premierentreffer: Fredrik Jensen (rechts) erzielte das erste Augsburger Tor dieser Bundesligasaison.

(Foto: Jan Brüggemann/Imago)

Krönende Gemeinheit war der Spielverlauf gegen Augsburg. Ähnlich wie viele Besucher, die wegen Staus und Zugausfällen den Anpfiff verpassten, wirkten auch die Gastgeber zunächst abwesend. Als würde sich die Serie gegen den FCA von selbst fortsetzen, ließ sich Leverkusen zu Fehlpässen verleiten und musste mit ansehen, wie den Gästen nach fünf One-Touch-Stationen ein wunderbar herausgespieltes Tor gelang, das man eher vom großen Gegner erwartet hätte. Fredrik Jensen vollendete mit der Picke (15.).

30 Minuten lang überraschte das Team des neuen Augsburger Trainers Enrico Maaßen den Gegner mit forschem Pressing - doch als Bayer sich dazu entschloss, den Spielbetrieb aufzunehmen, schien das Spiel klar zu kippen. Charles Aránguiz gelang noch vor der Pause per Direktabnahme das 1:1 (43.), und nachdem die Leverkusener fünfmal an dem zuletzt harsch kritisierten FCA-Torwart Rafal Gikiewicz gescheitert waren, schien erneut Aránguiz für das gewohnte Bild zu sorgen, als er den Ball über den Keeper ins Tor spitzelte (69.) - doch Schiedsrichter Benjamin Cortus fand, der gefühlt 50 Kilogramm leichte Chilene habe das Halbschwergewicht Gruezo regelwidrig aus dem Weg geräumt.

Der eingewechselte André Hahn trifft an seinem 32. Geburtstag

"Da ist ein kleiner Schubser", sagte Bayer-Innenverteidiger Jonathan Tah später, "aber ich hätte es als Schiedsrichter nicht gepfiffen." Sein wie so oft um Mäßigung bedachter Trainer Seoane sagte: "Das ist der Interpretationsspielraum, den der Schiedsrichter hat", bevor er mit der Einschätzung überraschte: "An der Entscheidung hat es nicht gelegen, wir hatten zu wenige Torchancen."

Fehlstart von Bayer 04: Hielt was er konnte: Leverkusens Angreifer scheiterten ein ums andere Mal an FCA-Torwart Rafael Gikiewicz (Mitte).

Hielt was er konnte: Leverkusens Angreifer scheiterten ein ums andere Mal an FCA-Torwart Rafael Gikiewicz (Mitte).

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Als Gikiewicz zwei weitere Großchancen vereitelt hatte ("Ich stand heute manchmal gut im Weg", sagte der Pole später schmunzelnd) und der eingewechselte Augsburgs Stürmer André Hahn an seinem 32. Geburtstag zentral vor dem Tor zum Abschluss kam, konnte man fast schon ahnen, dass hier ein Date mit der Historie anstand. Hahn überwand Leverkusens Ersatztorwart Lunew, und dass die Abseits-Entscheidung des übereifrig mit der Fahne wedelnden Schiedsrichter-Assistenten kassiert werden würde, war eigentlich direkt klar. Das musste einfach so sein, an dem Tag, als King Kong Leverkusen zertrommelte.

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