Bayer Leverkusen:Ein undankbarer Rekord

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Treffer schon nach zwei Minuten - Kevin Volland (links) macht das einzige Tor des Spiels für Leverkusen. (Foto: Martin Meissner/AP)

Durch das 1:0 gegen Mainz kommt Leverkusen am Saisonende auf 63 Punkte, so viele wie noch kein Bundesliga-Fünfter - doch das reicht nicht zur Champions-League-Qualifikation.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Mit einem zweischneidigen Erfolgserlebnis geht Bayer Leverkusen in die Verlängerung seiner langen Saison. Durch das 1:0 (1:0) gegen Mainz 05 kam der Werksklub eine Woche vor dem DFB-Pokalfinale zu einem der zuletzt etwas rarer gesäten Erfolgserlebnisse - aber sowohl in Offensive als auch Defensive blieben einige Fragen offen: Etliche Chancen wurden leichtfertig verspielt, und am Ende standen die Gäste kurz vor dem Ausgleich.

Verrückte Welt: Leverkusen war bei Anpfiff einer der wenigen Klubs europaweit, der noch hohe und viele Ziele verfolgte: Das Triple zweiter Klasse (direkte Qualifikation für die Champions League, Pokalsieg, Triumph in der Europa League und damit eine weitere Chance auf die Champions League) war vor dem 34. Spieltag weiterhin noch möglich. Wie hoch schätzte Trainer Peter Bosz die Wahrscheinlichkeit ein, im Fernduell mit Borussia Mönchengladbach doch noch Platz vier zu ergattern? Er setzte auf die Qualitäten von Könnern wie Kai Havertz, Moussa Diaby, Paulinho, Charles Aránguiz Lucas Alario, Edmond Tapsoba, Exequiel Palacios - allerdings nur als Einwechselspieler! Eine derart prominent besetzte Ersatzbank sieht man auch bei Spielen von Bayern München nur selten.

Offenbar hatte Bosz sich mit dem Schicksal abgefunden: "Die Enttäuschung letzte Woche" - nach dem 0:2 in Berlin und dem Abrutschen auf Platz fünf - "war sehr groß. Da hatten wir es in der eigenen Hand und danach nicht mehr. Heute ist die Enttäuschung nicht mehr so da. Ich muss Gladbach gratulieren, das haben sie über die ganze Saison verdient geschafft. Sie haben eine super Hinrunde gespielt." Ein bisschen versuchte sich der Niederländer mit der Statistik zu trösten: 63 Punkte hatte noch nie ein Tabellenfünfter. "In der Rückrunde haben wir 35 Punkte geholt, das ist eine gute Rückrunde - auch wenn wir die letzten Wochen nicht so gut zu Ende gespielt haben."

Auch deshalb schonte er zunächst Havertz: "Er war einer der Spieler, die nach der Corona-Pause fast alle Spiele von Anfang an gemacht haben. Wenn man unsere Start-Aufstellung sieht, kann man auch nicht sagen, dass das Anfänger sind." Denn Leverkusen hatte nicht etwa eine bessere Schülermannschaft auf den Rasen geschickt. Unter anderem durften sich Demirbay, Tah, Bailey und der junge Wirtz beweisen. Und in der Abwehr gab es den seltenen Luxus, dass beide Bender-Zwillinge aufliefen - Lars benötigte nach viermonatiger Verletzungspause vor dem Pokal-Finale dringend ernsthafte Spielpraxis, bevor es gegen einen Spieler wie Kingsley Coman geht.

Zwei Teenager beleben die Partie

Die Idee von Peter Bosz sah sehr schnell sehr gut aus. Nach einer Minute ergatterte Wirtz an der Seitenlinie einen Ball, passte umgehend auf Amiri, der im Strafraum Kevin Volland fand. Der Stoßstürmer zeigte eine Ballerinabewegung, für die er mit freier Sicht aufs Tor belohnt wurde, und nach 68 Sekunden zappelte der Ball im Tor der Mainzer, die nach einer sehr bescheidenen Phase nach dem Neustart ihren Klassenverbleib mit acht Auswärtspunkten und einem Heimsieg gegen Bremen am vergangenen Samstag gesichert hatten.

In Leverkusen gab es zunächst aber nichts zu holen, die Gäste profitierten in dieser Phase einzig davon, dass die Leverkusener bei ihren Kontern regelmäßig die falschen Entscheidungen trafen - oder beim Abschluss an einem Abwehrbein hängen blieben. In beiderlei Hinsicht machte Offensivkraft Leon Bailey ungewollt oft auf sich aufmerksam.

Der hochsommerliche Kick blieb dennoch aus zwei Gründen kurzweilig: Es machte Spaß, den Teenagern Jonas Burkardt (Mainz, 19) und Florian Wirtz (Leverkusen, 17) zuzusehen. Letzterer verspricht mit seinen Bewegungen und Ideen so viel, dass Wortschöpfer ihn flugs Hawirtz getauft haben. Kai Havertz kam seinerseits in der 65. Minute auf den Platz, und keine zwei Minuten später schien es 2:0 zu stehen - doch ehe eruiert werden konnte, wer denn bloß zuletzt am Ball gewesen war, überführte der Videobeweis den Vorlagengeber Wirtz eines (ungewollten) Fouls: Das Tor wurde zurückgepfiffen, weil der Youngster seinen Fuß auf dem von St. Juste geparkt hatte.

Auf der anderen Seite traf der gerade eingewechselte Fernandes nur die Latte (85.), deshalb konnte Leverkusen seine zuletzt kärgliche Punktesammlung erweitern. Wichtiger wäre dem Werksklub allerdings eine Erweiterung seiner Pokalsammlung. Der bislang letzte resultiert aus dem Jahr 1993 - da waren Kai Havertz und Florian Wirtz nicht einmal eine Idee.

© SZ vom 28.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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