Bayer Leverkusen:Der Veteran schreibt seine Legende

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Der vom FC Liverpool gekommene Abwehrchef Sami Hyypiä, 35, verleiht Bayer Leverkusen, was bisher fehlte: Erfahrung und Gelassenheit.

Sami Hyypiä, 35, hat nicht viel anstellen müssen, damit in Leverkusen alle von ihm schwärmen. Er kam einen Tag früher zum Training als verabredet, und er präsentiert sich dort als vollendeter Profi, der weiß, was er tun muss, um im hohen Alter noch mitzubieten. Er zeigt sich auf diese skandinavische Art umgänglich und freundlich, und wenn er einem auf die Schulter klopft, empfindet man das unvermeidlich irgendwie als ehrenvoll.

Sami Hyypiä, hier noch im Trikot des FC Liverpool, ist der neue Abwehrchef von Bayer Leverkusen. (Foto: Foto: Getty)

Das genügt fürs Erste, um einen guten Eindruck zu machen, zumal der Mann ohnehin mit Ehrfurcht empfangen wurde: ein Premier-League-Profi, der zehn Jahre eine unentbehrliche Größe des FC Liverpool war, in mehr als 460 Einsätzen geprüft, Champions-League-Sieger, sieben Mal Fußballer des Jahres in Finnland. In Leverkusen betrachtete man Hyypiäs Zusage als Geschenk und seine Verpflichtung als Coup.

Ständige Beobachter der Leverkusener Fußballer und ihres traditionell sehenswerten Fuhrparks heben sogar sein Auto als Ausweis von Persönlichkeit hervor: ein Ferrari mit 620 PS, der dennoch keine Angeberkarosse ist, sondern ein Fahrzeug von diskreter, eleganter Erscheinung. Man fragt sich nur, wie er mit seinen schlaksigen 1,93 Metern in dieses enge Cockpit steigt. Ansonsten sind ihm keine Extravaganzen anzumerken, abgesehen von seinem Ehering, der kein Ring ist, sondern eine Tätowierung. Hyypiä erklärt dazu, dass er keinen Schmuck mag, und dass die Tätowierung sehr praktisch sei: "Ich muss dann keinen Ring ausziehen, wenn ich trainiere oder ins Spiel gehe."

Als sie im Frühjahr in Leverkusen hörten, dass Hyypiä seine Zeit in Liverpool beenden wolle, haben sie zwar nicht richtig dran geglaubt, dass sie ihn aus der Premier League abwerben könnten, aber dann taten sie das einzig Richtige: Sie versuchten es trotzdem. "Mehr als ein paar Spesen hatten wir ja nicht zu verlieren", meinte damals der Manager Michael Reschke, der die ersten Kontakte knüpfte.

Die Dinge entwickelten sich günstig. Der Verteidiger hätte zwar in England bleiben können, es gab genügend Angebote, und die Bezahlung wäre nach den inseltypischen Wochenlöhnen sicher noch besser gewesen als bei Bayer Leverkusen. Aber er wollte nicht. "Es wäre nicht gut für mich gewesen, mit einer anderen Mannschaft an die Anfield Road zu kommen", erzählt er. "Der FC Liverpool ist mein Klub, ich war schon Liverpool-Fan, als ich ein kleiner Junge war."

Einigermaßen überrascht stellten Reschke und Bayer-Sportchef Rudi Völler fest, dass er sich gern dafür gewinnen ließ, nach Deutschland umzuziehen. Etwaige Zweifel am Leistungsstand des Veteranen, der in der vorigen Saison beim FC Liverpool nur noch sporadisch zum Einsatz kam, hatte Ende März der Besuch eines Länderspiels in Wales ausgeräumt. Finnland gewann, angeführt von Kapitän Hyypiä, 2:0, Völler war begeistert vom Verteidiger.

Rekordserie im Europacup

Zu jener Zeit war den Bayer-Verantwortlichen klar geworden, dass sie beim Bau ihrer jungen, hoffnungsvollen Mannschaft vergessen hatten, ein paar Sicherungen einzusetzen. Der Leverkusener Kader litt offensichtlich an seinem Ungleichgewicht: viel Talent und Zukunft, aber zu wenig Routine und Praxis. Für Hyypiä hörte sich dieses Problem reizvoll an: "Völler und Reschke haben mir gesagt, dass sie ein junges Team haben, und dass sie etwas Erfahrung brauchen." Das passte zu seinen Erwartungen an die letzten Jahre der Karriere: "In der vorigen Saison habe ich realisiert, dass ich in Liverpool nicht mehr regelmäßig gebraucht würde, aber ich habe noch Spaß am Fußball, und dazu muss ich von Woche zu Woche spielen."

Seine physische Verfassung dürfte kein Problem ergeben, Hyypiä blieb während seiner Laufbahn von Verletzungen verschont, zwischen November 2001 und Februar 2006 brachte er es fertig, in 57 aufeinanderfolgenden Europacupspielen des FC Liverpool keine Minute zu verpassen. Als Profi habe er immer darauf geachtet, "ein normales Leben" zu führen, wie er sich ausdrückt. Ein solches Leben scheint nicht unbedingt üblich zu sein für englische Profis: "Ich habe während der zehn Jahre in Liverpool eine Menge talentierter Spieler gesehen, die ihre Karriere ruiniert haben, weil sie nicht normal gelebt haben", sagt Hyypiä.

Seinen ersten richtigen Einsatz für Bayer hatte Hyypiä jetzt in einer Testpartie beim belgischen Erstligaklub RC Genk. Jupp Heynckes ließ ihn durchspielen, und das reichte, um auszuloten, was man an ihm haben wird: Einen nicht rasend sprintstarken, aber stellungssicheren Innenverteidiger, eine Instanz bei hohen Bällen, ruhig, technisch versiert. Seine Kopfbälle seien präzise wie Pässe gewesen, und selbst die Befreiungsschläge hätten ein Ziel gehabt, berichtete Bayer-Chef Wolfgang Holzhäuser ehrfurchtsvoll. Sami Hyypiä fängt schon an, seine Legende fortzuschreiben. Philipp Selldorf

© SZ vom 17.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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