Trainersuche bei Bayer 04Leverkusen lockt Cesc Fàbregas als Xabi Alonso 2.0

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Jubeln kann er – aber ist er auch so smart wie Alonso? Cesc Fàbregas, derzeit Trainer in Como.
Jubeln kann er – aber ist er auch so smart wie Alonso? Cesc Fàbregas, derzeit Trainer in Como. (Foto: Marco Luzzani/Getty Images)

Die Idee erscheint so naheliegend, dass es verdächtig wirkt: Leverkusen möchte dem Katalanen Fàbregas die Stelle des Basken Alonso übereignen.  Auch er hat als Profi bei Weltklubs gespielt – und steht am Anfang seiner Trainerkarriere. Wo also ist der Haken?

Von Philipp Selldorf

Als Cesc Fàbregas am 1. März 2006 sein Debüt in Spaniens Nationalelf feiern durfte, war er erst 18 Jahre alt, was damals eine Besonderheit bedeutete – seit 70 Jahren war kein so junger Spieler mehr eingesetzt worden. Doch Fàbregas hatte einen Beschützer hinter sich, der seine Wege in die Offensive absicherte: Xabi Alonso, seinerzeit 24, war bereits ein erfahrener Profi. Nach diesem ersten gemeinsamen Abend sollten die beiden mehr als acht Jahre lang die strategischen Schwerpunkte im Mittelfeld der spanischen Nationalelf setzen. Ein WM- und zwei EM-Titel bestätigten ihre produktive Zusammenarbeit.

Am Sonntagabend, nach dem 2:4 verlorenen Match gegen Borussia Dortmund, seinem Abschiedsheimspiel mit Bayer Leverkusen, wurde Alonso gefragt, ob er schon mit seinem alten Kollegen Cesc gesprochen habe, der nach verlässlicher Quellenlage Leverkusens Wunschkandidat Nummer eins für die Nachfolge ist. Und Alonso bewährte sich auch diesmal wieder als erfahrener Profi: In seiner Antwort erwähnte er Fàbregas mit keiner Silbe. Aber er zeichnete ein Profil des Standorts Leverkusen, das der Klub selbst in einer Partnerschaftsanzeige nicht schöner hätte beschreiben können. „In this club there are great people“, stellte er fest, und welchem Trainer auch immer es vergönnt sei, mit diesen großartigen, intelligenten und professionell bestens eingestellten Leuten zu arbeiten, „der wird sich auf jeden Fall hier wohlfühlen“.

Nachdem sich Bayer 04 und ein euphorisches Publikum am Sonntag mit Geschenken, Komplimenten, Ovationen und Emotionen von seinem Meistercoach verabschiedet hatte, revanchierte sich Alonso also mit einer Lobrede auf den Klub, von der man annehmen könnte, dass er sie schon einmal gehalten hat. Nicht auf Englisch wie am Sonntag, sondern auf Spanisch im Gespräch mit Fàbregas.

Über seine Ansprache an die Spieler und seinen Umgang mit der Öffentlichkeit erzählen Zeugen aus Como nur Gutes

So schnell wie möglich möchte Bayer den neuen Coach präsentieren, um an maßgebender Stelle klare Verhältnisse für einen wahrscheinlich sehr geschäftigen Transfersommer zu schaffen. Obenan steht die Frage, wie Nationalspieler Florian Wirtz gegen die Verführungen Bayern Münchens überzeugt werden kann, doch noch ein Jahr in Leverkusen zu bleiben. Indem man ihm einen Trainer präsentiert, der dem geschätzten Förderer Xabi Alonso gleicht?

Der Wunsch der Leverkusener, die vakante Trainer-Stelle an Cesc Fàbregas zu vergeben, erscheint so naheliegend und überzeugend, dass es fast verdächtig wirkt. Wie der Baske Alonso käme der Katalane Fàbregas, 38, als junger Trainer nach Leverkusen, der am Anfang seiner Laufbahn steht. Alonso hatte Berufspraxis im Zweitliga-Team von Real San Sebastián gesammelt, Fàbregas bringt gerade seine erste komplette Saison mit einem Profiteam zum Abschluss: Mit dem Aufsteiger Como 1907 steht er in der Serie A auf einem soliden Platz im Mittelfeld. Beide waren Nationalspieler, der eine mit 114, der andere mit 110 Einsätzen, beide spielten für Spitzenvereine, Real Madrid, Liverpool und FC Bayern der eine, FC Barcelona und FC Chelsea der andere. Wie Alonso repräsentiert Fàbregas die spielbetonte spanische Fußballschule, konzeptionell ginge es bruchlos weiter wie zuletzt. Englisch und Spanisch blieben unverändert die vorherrschenden Amtssprachen in der Leverkusener Kabine.

Ob Fàbregas so smart ist wie Alonso, müsste sich zeigen, den smarten Auftritt beherrscht er aber allemal. Über seine Ansprache an die Spieler und seinen Umgang mit der Öffentlichkeit erzählen Zeugen aus Como nur Gutes. Dort trainiert er übrigens zwei deutsche Profis, die der mit Daten-Diensten arbeitende Klub im vorigen Sommer aus der zweiten Bundesliga importierte: Marc-Oliver Kempf, zuvor mit Hertha BSC irrlichternd, ist jetzt einer der Top-Verteidiger der italienischen Liga, auch Mittelfeldspieler Yannik Engelhardt, zuvor Fortuna Düsseldorf, hat sich bewährt.

Wo ist also der Haken? Abgesehen davon, dass es naturgemäß tückisch ist, ein Erfolgsmodell kopieren zu wollen, hat es Bayer mit zwei starken Konkurrenten zu tun. Kenner erzählen, derzeit bestehe die kuriose Situation, dass sich drei Klubs gleichzeitig im Besitz von Fàbregas’ Ja-Wort für die nächste Saison wähnen. Außer Leverkusen und Como – wo der Spanier bis 2028 unter Vertrag steht – ist auch RB Leipzig zur Stelle. Der Red-Bull-Oberchef Oliver Mintzlaff soll gute Kontakte zu Fàbregas’ Manager Darren Dein haben. Die Leipziger scheinen demnach bereit zu sein, ihre tradierte und überholte Gegen-den-Ball-Ideologie zu reformieren. Problem: Nächste Saison spielen sie wahrscheinlich nicht international.

Como kann dem Coach ein stabiles Klubgefüge und solvente Verhältnisse bieten, doch da kann Bayer 04 problemlos mithalten und zudem mit der Champions League argumentieren. Fàbregas geht, so ist zu hören, offen um mit den Offerten, sein Arbeitgeber ist über die Gespräche mit den anderen Klubs informiert. Seine Aussagen auf der jüngsten Pressekonferenz am Wochenende wurden in Italien bereits als Abschiedsrede interpretiert. Es heißt auch, dass der mögliche Wechsel in die Bundesliga keine Frage des Preises sein würde, Como würde eine Ablöse verlangen, sei aber nicht auf die eine oder andere zusätzliche Million angewiesen.

Ohnehin hinterlässt Xabi Alonso seinem geschätzten Arbeitgeber nicht nur Komplimente, sondern auch eine schöne Entschädigung in Höhe von circa zehn Millionen Euro. Zahlbar durch Real Madrid, das Alonso laut spanischen Berichten bereits am 1. Juni unter Vertrag nehmen möchte, damit er bei der Klub-WM den Job des dann in Ehren verabschiedeten Carlo Ancelotti übernehmen kann. Der Kreislauf wäre komplett, wenn sich eine weitere Neuigkeit bewahrheiten würde, die in spanischen Medien kursiert: dass Como 1907 interessiert daran sei, Ancelottis Sohn und langjährigen Assistenten Davide, als Nachfolger für Fàbregas zu engagieren.

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MeinungBayer Leverkusen
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SZ PlusKommentar von Javier Cáceres

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