Bayer 04 Leverkusen:Aufstieg zum Sportdirektor

Meisterfeier 11 Freunde Gala in der Kölner Flora von links Jonas Boldt Bayer Simon Rolfes 10 08

Der eine geht, der andere kommt zurück: Jonas Boldt (l.) und Simon Rolfes.

(Foto: Herbert Bucco/imago)

Der ehemalige Profi Simon Rolfes löst in Leverkusen bald Jonas Boldt ab, der freiwillig aufhört.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

In den vergangenen Wochen hatte Jonas Boldt vor allem damit zu tun, den Laden zusammenzuhalten. Der Sportdirektor von Bayer Leverkusen musste die angekratzte Mentalität der Mannschaft starkreden oder drohende Spieler-Weggänge dementieren. "Seine Zukunft liegt in Leverkusen", sagte er über Kai Havertz. "Ein Winter-Wechsel kommt nicht in Frage", sagte er über Leon Bailey. Boldt kämpfte gegen sich anbahnende Auflösungserscheinungen und versuchte, das bröckelnde Kollektiv zu kitten. Doch nun hat ausgerechnet der Kämpfer für Geschlossenheit seinen Abschied angekündigt. Der 36-Jährige, seit 15 Jahren im Verein - zunächst als Praktikant, dann als Scout, als Assistent von Sportchef Rudi Völler und schließlich selbst als Sportdirektor - wird Bayer 04 im Sommer verlassen und bis dahin den ehemaligen Leverkusener Spieler Simon Rolfes als seinen Nachfolger einarbeiten. Wohin es Boldt zieht, ist nicht bekannt.

Der gleichaltrige Rolfes hat bis 2015 zehn Jahre lang für Bayer gespielt und war im Verein zuletzt für "Jugend und Entwicklung" zuständig. Er ist neben Stefan Kießling einer jener Ex-Profis, die der Verein nach ihrem Karriere-Ende früh in die Organisation einband. "Simon Rolfes besitzt den sprichwörtlichen Stallgeruch", sagt Werner Wenning, der Vorsitzende des Gesellschafterausschusses. "Er kennt den Klub wie kaum ein anderer", sagt Fernando Carro, Geschäftsführer des Bayer-Fußballs. Mit dieser Schlüssel-Qualifikation soll Rolfes den unruhigen Klub befrieden helfen. Wie schlecht es um die Stimmung offenbar bestellt ist, wurde ersichtlich, als der Doppeltorschütze Kevin Volland nach dem 2:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart beleidigt das öffentliche Wort verweigerte, weil er zwei Wochen zuvor nach einem 0:3 in Leipzig Kritik an der Mentalität der Mannschaft geübt hatte und dafür vom Sportchef Rudi Völler abgewatscht worden war.

Für Rolfes könnten es aufwühlende Zeiten werden, nicht nur Bayer Leverkusen steckt in einer herausfordernden Situation, sondern viel mehr noch das auf Torlinientechnik und Analyse spezialisierte Unternehmen Goalcontrol, das er 2017 mit einem Geschäftspartner übernommen hat. Die nahe Aachen beheimatete Firma versucht sich in der großen weiten Fußballwelt seit Jahren gegen das übermächtige Sony-Unternehmen Hawk-Eye zu behaupten und würde die Briten bei der nächsten Ausschreibung gerne in der Bundesliga ablösen. Rolfes stünde dann vor einer interessanten Doppelfunktion - man stelle sich nur mal vor, ein Makel im Goalcontrol-System fiele zugleich immer auch auf den Bayer-Sportdirektor zurück. Doch das ist noch spekulativ. Bayer Leverkusen ist für Rolfes schon sehr viel konkreter, denn bereits am 1. Dezember übernimmt der 36-Jährige das Amt dort - als Azubi sozusagen.

Aus der besonderen Beobachtung wird Trainer Heiko Herrlich bis dahin gewiss noch nicht befreit sein, die enormen Leistungsschwankungen der als so talentiert gelobten Elf halten unvermindert an. Auf ein 6:2 in Bremen und ein 5:0 in Mönchengladbach folgten ein 1:4 gegen Hoffenheim und ein 0:3 in Leipzig. Ein Befreiungsschlag war beim 2:0 gegen Stuttgart nur das Ergebnis. Spielerisch waren alle Mängel in Sachen Kreativität, Chancenkreation und bis zum späten 1:0 (76.) auch in der Verwertung zu erkennen.

Boldt glaubt, er könne sich nach bald 16 Jahren in Leverkusen nur woanders persönlich weiterentwickeln. "Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich glaube, dass eine Weiterentwicklung nur durch Veränderung möglich ist", lässt er sich vom Verein zitieren.

Für die ersehnte Aufbruchstimmung im Klub ist das nicht gerade ein gutes Zeichen. Doch letztlich ist im Fußball alles nur von Ergebnissen abhängig. Mit Siegen gegen Ludogorez Rasgrad am Donnerstag, in Nürnberg am nächsten Montag und gegen Augsburg am übernächsten Samstag könnten die Leverkusener Fußballer ihrem neuen Chef Simon Rolfes den Einstand versüßen. Drei Siege hintereinander haben sie in dieser Saison auch tatsächlich schon einmal geschafft: im September gegen Rasgrad, Mainz und Düsseldorf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: