Bayer gewinnt 2:0 -:Rechter Hammer 

Beim Sieg gegen Hoffenheim überstrahlt Calhanoglus Auftritt sogar die emotionalen Abschiede von Rolfes und Reinartz.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Es sollte eigentlich der Nachmittag zweier altgedienter Leverkusener werden. Aber dann kam den beiden ein rechter Fuß dazwischen. Es sollte am Samstag in Leverkusen das Thema Nummer eins sein, dass Simon Rolfes, sieben Jahre lang Kapitän bei Bayer, und Stefan Reinartz, seit der D-Jugend fast ununterbrochen im Bayer-Dress, zum letzten Mal vor eigener Kulisse aufliefen. Und eigentlich hätte beim letzten Heimspiel der Saison gegen Hoffenheim die Verabschiedung dieser Werkskicker gemütlich 90 Minuten lang zelebriert werden sollen. Doch dann wurde daraus harte Arbeit, weil die TSG keine Lust auf Feierlichkeiten hatte.

Wann immer sich die Leverkusener den Ball annehmen oder weiterleiten wollten, störte sie bereits ein Hoffenheimer, oft waren es sogar zwei. Sie nervten die Rheinländer mit deren eigenen Mitteln, stellten geschickt und weit vorne Überzahl her - und kamen ihrerseits zu Großchancen: Elyounoussi schob einen Direktschuss (nach mangelhafter Abwehr von Rolfes) direkt in die Arme von Bernd Leno (3.); Modeste setzte einen Linksschuss ins entfernte Eck, doch der Leverkusener U21-Keeper bewies seine internationale Klasse (17.).

16 05 2015 xovx Fussball 1 Bundesliga Bayer Leverkusen TSG 1899 Hoffenheim Hakan Calhanoglu B

Kunstschütze: Hakan Calhanoglu trifft gegen Hoffenheim mal wieder per Freistoß.

(Foto: imago)

Aus 35 Metern wie einst Gerd Zimmermann

Die Feier war verdorben, die Werkself brauchte dringend ein Erweckungserlebnis. Dafür genügte in dieser Saison oft ein Freistoß ihrer Nummer zehn. Und tatsächlich: 22 Minuten dauerte es, dann durfte Hakan Calhanoglu seinen krummen rechten Fuß vorführen, doch den herrlichen Freistoß aus zentraler Position lenkte Oliver Baumann ebenso gekonnt noch an die Latte. Nun liefen die Kombinationen auf beiden Seiten flüssiger. Ein paar Minuten lang war es das Remmidemmi, das Werks- bzw. Mäzen-Klubs stets brauchen, um ihr Profil zu schärfen: mit ansehnlich herausgespielten Chancen und ebensolchen Paraden, vor allem von Baumann gegen Son (29.).

Hoffenheim wirkte dennoch weiterhin gefährlicher und konsequenter. Aber was nutzt das gegen einen Klub mit einem Kunstschützen? In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit positionierte sich Calhanoglu fast 35 Meter vor dem gegnerischen Tor in halblinker Position. Diesmal legte er nicht groß Schnitt in den Schuss, sondern drosch ihn mit rechtem Hammer über das Zwei-Mann-Mäuerchen. Der Ball setzte direkt vor Baumann auf und zischte an ihm vorbei ins Netz. Gewiss sah der Torwart der TSG da miserabel aus - aber Calhanoglus Schüsse sind schwer berechenbar, sie zu parieren, ist eben kein Vergnügen: Das 1:0 war bereits sein sechster direkt verwandelter Freistoß in dieser Spielzeit, wodurch er in dieser Kategorie die alleinige Führung vor dem Bremer Zlatko Junuzovic übernahm. In dieser Saison hatte Calhanoglu bevorzugt in direkter Nähe des Strafraums Maß genommen - diesmal wählte er eine Entfernung, für die in den Siebzigern der Düsseldorfer Gerd "Zimbo" Zimmermann berüchtigt war.

Schema & Statistik

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

Rolfes' letzte Eindrücke: Gelbe Karte, Gladiator-Musik - und die Familie

Nach dem Wechsel änderte sich wenig: Hoffenheim drängelte und rackerte, Leverkusen spielte nicht so leichtfüßig wie erwartet - aber dafür effektiv. Calhanoglu schirmte den Ball nach einem steilen Befreiungsschlag von Hilbert unerwartet robust gegen Strobl ab (60.), steckte im richtigen Moment durch zu Stefan Kießling. Der tunnelte Baumann und erzielte damit schon sein neuntes Tor gegen Hoffenheim.

Nun waren die Rollen doch so klar verteilt wie erwartet. Die Werkself landete gegen ihren Lieblingsgegner im 14. Bundesliga-Duell mit Hoffenheim bereits den zwölften Sieg und zudem den sechsten Heimsieg in Serie: eine beeindruckende Quote, die ein wenig darüber hinweg tröstete, dass Gladbachs gleichzeitig errungener 2:0-Sieg in Bremen die letzten Hoffnungen auf den dritten Platz beendete. Hoffenheim unterließ es, Leverkusens Sorglosigkeiten zu bestrafen; Bellarabi und Calhanoglu begeisterten mit Feinfuß-Kunststückchen an der Seitenlinie. Und überließen dann den Veteranen das Feld: Rolfes holte sich noch eine gelbe Karte ab - und in der 77. Minute eine letzte Standing Ovation, als er zu den Klängen des "Gladiator"-Soundtracks das Feld verließ, um auf der Ersatzbank mit der jüngeren Tochter zu scherzen und anschließend die größere Tochter sowie Nichte und Neffen in die Feier mit einzubeziehen.

Dann schritt er gewohnt gefasst zu den Mikrofonen, schilderte, wie "wichtig es war, heute zu gewinnen, damit es ein runder Tag wird". Stefan Kießling, der neun Jahre mit Rolfes gespielt hat, war da "deutlich emotionaler als der Simon, der ist viel cooler". Stimmt. Der 33-Jährige bilanzierte: "Es ist der richtige Moment für den Rücktritt. Mein Anspruch war immer, dass ich Top-Niveau repräsentiere. Die einen werden sagen, ich gehe zu früh - aber es geht schnell, dass es zu spät ist."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: