Bayer 04 Leverkusen:Die Artistentruppe zeigt nur Kartentricks

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Bayer Leverkusen um Karim Bellarabi tut sich auch unter dem neuen Coach Tayfun Korkut schwer. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Bayer Leverkusen kommt im ersten Spiel unter dem neuen Coach Tayfun Korkut nur zu einem 1:1 gegen Werder Bremen.
  • Das größte Problem der Mannschaft ist, dass sie nicht mehr so riskant wie unter Roger Schmidt spielen soll, aber auch nicht richtig weiß, wie sie stattdessen spielen soll.
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Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Wenn Leverkusens Fußballer nicht wissen, was sie mit dem Ball anfangen sollen, dann wissen ihre Fans auch nicht, was sie mit den Spielern anfangen sollen. Weil die Spieler nicht mehr gewinnen und die Fans sie dafür schrill auspfeifen, steckt Bayer Leverkusen in einer Krise, aus der sie der Trainer Tayfun Korkut in seinem ersten Spiel auch nicht hat befreien können. Beim 1:1 gegen Werder Bremen hatten die Leverkusener Glück, weil die Bremer ihre Chancen nicht genutzt haben - und sie hatten Pech, weil sie in der Nachspielzeit zum fünften Mal in dieser Saison einen Elfmeter verschossen.

Rein spielerisch und taktisch hat sich Bayer nach dem Wechsel vom Trainer Roger Schmidt zum Trainer Korkut noch nicht verbessert. Eher im Gegenteil. Passive und einfallslose Werkskicker wirkten wie eine renommierte Artistengruppe, die nach mehreren Unfällen nur noch vorsichtig Kartentricks zeigen soll. Und nicht mal die kriegt sie richtig hin. Sportdirektor Rudi Völler schaute nach dem 1:1 so enttäuscht drein, dass man sein erstes Urteil als Ausbund an Höflichkeit interpretieren musste. Er sagte: "Wir haben's nicht so gut gemacht."

Trainer Korkut hingegen lässt sich seine Aufbruchstimmung nach dem ersten Spiel noch nicht vergällen. Er wagt es vielmehr, Bayer Leverkusen mit dem FC Barcelona zu vergleichen. Auf das vermeintlich aussichtslose Rückspiel am kommenden Mittwoch bei Atlético Madrid angesprochen, sagte er angesichts der 2:4-Bürde aus dem Hinspiel und Barcas 6:1 gegen Paris: "Man hat die letzten Tage gesehen, was alles möglich ist."

Aber wie soll diese Leverkusener Mannschaft bloß bei Atlético gewinnen? Ohne einen guten Plan versuchte sie gegen Bremen, ihren Ballbesitz zu verwalten; ohne Aggressivität und Mut im Pressing gelangen ihr aber kaum Umschaltsituationen, und ohne Konter können Flügelstürmer wie Julian Brandt und Karim Bellarabi ihre Geschwindigkeit nicht ausspielen. Die beiden besten Chancen in der ersten Halbzeit resultierten aus Fernschüssen. Der erste von Brandt knallte an die Latte und fand danach den Kopf von Kevin Volland, der zum 1:0 traf (7.). Der zweite Fernschuss von Wendell strich übers Tor (31.).

Wie ein Rennwagen mit gedrosseltem Tempo

"Die Leistung war sicher noch nicht so rund, wie wir uns das vorgestellt haben", sagte Völler wieder höflich, und es war auch kein Kompliment für den Trainer Korkut, dass der Sportdirektor befand: "In der zweiten Halbzeit haben wir nicht die Räume genutzt, die wir mit unserem Qualitätsspiel normalerweise nutzen können."

Und dann traf eben Claudio Pizarro zum Bremer Ausgleich (79.), mit seinem 191. Bundesligator. "Wir hatten aber auch noch nicht viel Zeit mit dem neuen Trainerteam", sagte Kapitän Ömer Toprak. Das größte Problem seiner Mannschaft schien zu sein, dass sie nicht mehr so riskant wie unter Schmidt spielen soll, dass sie aber auch nicht so richtig weiß, wie sie stattdessen spielen soll. Leverkusen ist wie ein Rennwagen, bei dem der Betreiber aufgrund einiger Blechschäden die Motorleistung drosseln will. Doch trotz der Blechschäden unter dem Draufgänger Schmidt wirkte Leverkusen vorher attraktiver.

In der Nachspielzeit, als Bayer mit dem Remis schon froh sein konnte, wurde Benjamin Henrichs in der fünften Minute der Nachspielzeit im Bremer Strafraum von Maximilian Eggestein ungestüm gefoult, aber den fälligen Elfmeter schoss Toprak so schlapp und unplatziert, dass Torwart Felix Wiedwald ihn leicht halten konnte. Zum fünften Mal hat Leverkusen in dieser Bundesliga-Saison einen Elfmeter verschossen. (Hinzu kommen drei Fehlversuche beim Pokal-Aus gegen Lotte.) "Ich will jetzt nicht alles auf diese Elfmeter schieben", sagte Völler, "aber von fünfen kann man auch mal zwei, drei reinmachen - und dann müsste ich jetzt keine Durchhalteparolen schwingen."

Aber so schwingen sie erst mal weiter. "Wir dürfen jetzt nicht alles schwarz sehen", sagte Korkut, "wir werden nicht verzweifeln." Er selbst wird der Mannschaft konkretere und mutigere Matchpläne an die Hand geben müssen, um dann auch seine eigene Chance zu wahren, über die Saison hinaus Trainer in Leverkusen zu bleiben. Das erste Spiel war noch keine Bewerbungsreferenz. Vielleicht gelingt ja am kommenden Mittwoch in Madrid doch ein Wunder à la Barcelona. Leverkusens Herausforderung ist allerdings: Für Wunder braucht man wunderbaren Fußball.

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