Bastian Schweinsteiger:Der Chef von Chicago

Montreal Impact v Chicago Fire

Bastian Schweinsteiger hat seine Führungsrolle bei Chicago Fire angenommen

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Es läuft gut für Bastian Schweinsteiger in den USA.
  • Nun wird er sogar zum Kapitän des All-Star-Teams der MLS gewählt.
  • Ist sportlich mit Chicago Fire sogar der Titel drin?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer Bastian Schweinsteiger vor drei Jahren in Portland erlebte, der wusste damals: Der kommt bald wieder! Die Kollegen vom FC Bayern betrachteten diese USA-Marketing-Reise wie ein Treppenhaus - muss man halt durch. Schweinsteiger jedoch erschien mit New-York-Yankees-Mütze, er spielte Basketball und regte sich auch nicht besonders darüber auf, dass er beim Spiel gegen eine Auswahl der US-Profiliga MLS ziemlich heftig umgetreten worden war.

Worüber er sich damals beschwerte: Viel zu kurz war der Besuch in diesem herrlich verrückten Land, das wegen Schweinsteigers Leistung im WM-Finale ein paar Wochen zuvor neben Gesundheit und Rammstein nun auch den deutschen Begriff Fußballgott kannte. Die Münchner hatten ihre WM-Helden jedoch für gerade mal zwölf Stunden eingeflogen.

Am diesem Mittwoch, da macht Schweinsteiger wieder mal mit bei diesem Gaudikick zwischen MLS-Auswahl und europäischem Spitzenklub, es geht im Soldier Field von Chicago gegen Champions-League-Sieger Real Madrid. Er ist nun daheim in den USA, sie spielen vor Heimspielen Lieder von Rammstein, es gibt in den Kneipen der Nähe des Stadions nun auch deutsches Bier, und auf den Tribünen haben sie Plakate mit der Aufschrift Fußballgott aufgehängt. Schweinsteiger, das haben die Fans bei einer Abstimmung auf dem sozialen Netzwerk Snapchat bestimmt, soll der Kapitän des All-Star-Teams sein, in dem auch Kaká (Orlando City) und David Villa (New York City FC) auflaufen werden.

Ach was: Es gibt viele Leute, die halten Schweinsteiger für den besten Fußballer, der seit Langem in die Vereinigten Staaten gewechselt ist. Er ist jedenfalls tatsächlich auf bestem Weg, sich zu einem Gesicht der MLS zu entwickeln, wie es Pelé, Franz Beckenbauer oder David Beckham in den USA einst darstellten.

Wie Schweinsteiger wahrgenommen wird

Solche Vergleiche, vor allem über Generationen hinweg, sind natürlich völliger Unsinn - und doch verdeutlichen sie, wie Schweinsteiger in diesem Land seit seinem Wechsel von Manchester United im April wahrgenommen wird. Das liegt auch am Erfolg seines Vereins: Chicago Fire hatte die letzten beiden Spielzeiten mit der jeweils schlechtesten Bilanz der Liga beendet und war in die aktuelle Saison ebenso schrecklich gestartet. "Ich habe nicht erwartet, dass wir plötzlich jedes Spiel gewinnen und mit Abstand Erster sind", sagte Schweinsteiger im Mai im SZ-Interview. Chicago hat seitdem neun von 14 Spielen gewonnen und nur drei verloren, trotz der Niederlage am Samstag in Kansas City hat der Verein die beste Bilanz der Liga.

Schweinsteiger ist das, was sie sich in den USA seit Jahren für diese Liga wünschen: ein Star von internationaler Strahlkraft, ein Champions-League-Sieger und Weltmeister, der jedoch nicht, wie Marcel Reif mal sagte, zu Orlando Hotzenplotz wechselt, wenn die Karriere vorbei sein sollte. Schweinsteiger feierte am Dienstag seinen 33. Geburtstag - und wer ihn in den vergangenen Wochen rennen und kämpfen und führen gesehen hat, der weiß, dass er auch in München oder Manchester noch rennen und kämpfen und führen könnte. Aber vielleicht ist es gut so, wie es ist.

Kann Chicago den Titel gewinnen?

Schweinsteiger hat diese zuvor wild wuselnde Mannschaft geordnet. Er gibt dabei weniger den Verkehrspolizisten im Mittelkreis und auch nicht die fuchtelnden Dirigenten, sondern den ruhigen Anführer, der seine Mitspieler nicht anbrüllt, sondern ihnen über gut getimte Grätschen, feine Zuspiele und wohlüberlegte Laufwege ein Spiel ermöglicht, das tatsächlich wie Fußball aussieht. So etwas mögen sie in Chicago: ein Chef, der nicht labert, sondern rennt und kämpft und führt. Diese teils überaus sehenswerten Spielzüge vollendet Stürmer Nemanja Nikolics oftmals spektakulär. Der Ungar hat in 21 Spielen bereits 16 Treffer erzielt und nähert sich dem Tor-Rekord von Roy Lassiter (27 Tore) aus dem Jahr 1996.

Chicago wird in dieser Saison nicht nur der Einzug in die Playoffs zugetraut, sondern durchaus auch der Titel. Das wäre natürlich eine geradezu wahnwitzige Geschichte: Da wechselt einer, der beim FC Bayern gespielt hat und bei Manchester United und deshalb niemandem mehr was beweisen muss, zu, wie Reif sagen würde, Chicago Schlagmichtod und macht aus diesem notorisch erfolglosen Verein einen Gewinner. "Wir spielen gut, aber gibt noch ein paar Dinge zu verbessern", sagt Schweinsteiger. Er weiß: Diese Liga, sie beginnt nach der Pause wegen der Kontinentalmeisterschaft Gold Cup (die USA gewannen jüngst das Finale gegen Jamaika) und dem Freundschaftsspiel gegen Madrid erst in der kommenden Woche so richtig.

"In Europa gibt es solche All-Star-Mannschaften und solche Spiele nicht, also ist das ein besonderes Erlebnis für mich. Ich glaube, dass wir Real Madrid schlagen können, die befinden sich schließlich in der Saisonvorbereitung", sagt Schweinsteiger nun: "Ich genieße meine Zeit in der MLS und in Chicago. Es ist eine großartige Stadt mit wunderbaren Leuten." Schweinsteiger lebt mit seiner Frau, der ehemaligen Tennisspielerin Ana Ivanovic, im Stadtzentrum von Chicago, die beiden werden häufig in Museen, Restaurants und bei Spielen des Baseballvereins Cubs gesehen. Schweinsteiger ist nun daheim in den USA - und diesmal darf er so lange bleiben, wie er möchte.

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